Vor Zug gestoßen: Wie ein Verbrechen eine Familie zerstört

Der Dresdner René J. (41) wurde im März vor eine S-Bahn gestoßen.
Der Dresdner René J. (41) wurde im März vor eine S-Bahn gestoßen.  © Norbert Neumann

Dresden – An diesem Tag habe ich meinen Mann verloren“, sagt Marika (47). Am 18. März hatten zwei Asylbewerber ihren Ehemann Rene J. (41) auf die Gleise gestoßen und ihn, während die S-Bahn am Haltepunkt Zschachwitz einfuhr, mit Tritten in der Todesfalle gehalten (TAG24 berichtete). Seitdem ist der Dresdner schwer traumatisiert. Im Oktober soll der Prozess gegen die Täter beginnen.

Im Gleisbett litt er Todesängste. Doch der eigentliche Leidensweg begann für René und seine Familie erst danach. „Warum passiert mir das? Warum werde gerade ich bestraft? Diese Fragen stellt sich mein Mann immer wieder, ist nur noch am Grübeln. Schlafen kann er kaum noch, hat sein Lachen verloren und seinen Lebensmut“, sagt Marika mit Tränen im Gesicht.

"Sein Leben liegt in Trümmern. Und ich habe Angst, dass mein Mann nicht mehr aus diesem tiefen Loch heraus findet."

Nach der Tat ging der Gießerei-Mechaniker noch auf Arbeit, als wäre nichts gewesen. Nach drei Tagen der Zusammenbruch. Seitdem ist René krank geschrieben, nimmt Medikamente. Trauma-Therapie, ambulante und stationäre Klinikaufenthalte – zu Hause schläft er nur noch unregelmäßig.

Ähnlich wie damals auf dem Bahnhof in Zschachwitz wurde er kürzlich auf der Prager Straße von einem Ausländer nach Feuer gefragt. "Er war danach fix und alle", berichtet Marika. Zu allem Überfluss ist auch noch eine alte Krankheit ausgebrochen, die René bereits überwunden hatte.

Elf Jahre sind Marika und René verheiratet. Nun erleben sie ihre schwerste Prüfung. "Es gibt Tage, da reden wir kein Wort miteinander. Und das muss ich akzeptieren. Wenn ich nachbohre, wird es nur noch schlimmer“, sagt Marika.

Auch sie hat sich psychologische Hilfe gesucht. Neben der Opferhilfe unterstützen Freunde die Familie. „Sie sind da für uns, immer zur Stelle", dankt Marika. Wenn die Altenpflegerin unterwegs ist, gehen Freunde mit René spazieren, einkaufen oder Playstation spielen. Ein Lichtblick sind die Besuche von Renés Stieftochter (27) und ihrem Enkel (2). Auch Marikas Arbeitgeber nimmt Rücksicht

Vertritt das Opfer im Strafprozess am Landgericht: Anwältin Gesa Israel (50).
Vertritt das Opfer im Strafprozess am Landgericht: Anwältin Gesa Israel (50).  © Amac Garbe

Wegen des Verdienstausfalles ihres Mannes plagen die Familie Geldsorgen: Jeden Monat fehlen Hunderte Euro. Ihre Anwältin Gesa Israel (50), die René als Nebenkläger vertritt, wird von der Justizkasse bezahlt. "Für mich ist es ein besonderer Fall, da Herr J. so schwer geschädigt ist“, sagt Israel, die seit 15 Jahren Opfer vor Gericht vertritt.

"Im Prozess wird die Kernfrage sein, ob sich ein Tötungsvorsatz nachweisen lässt." Wenn ja, droht den beiden in U-Haft sitzenden Tätern aus Marokko (24) und Libyen (27) eine Strafe von sechs Monaten (bei verminderter Schuld) bis zu elf Jahren.

Am 18. Oktober soll der Prozess am Landgericht beginnen. "Ob René hingehen wird, ist noch offen. Die wiederholte Schilderung belastet ihn extrem", sagt Marika. "Ich nehme teil, will den Tätern in die Augen sehen. Ich will wissen, wer das meinem Mann angetan hat." René und seine Frau wollen nur eins: "Eine gerechte Strafe. Eine Gefängnisstrafe. Bewährung darf es für so einen Tat nicht geben. Egal welcher Nationalität die Täter sind“, betont Marika.

René J. wird diesen Tag im März nie vergessen. "Aber vielleicht schafft er es, damit umzugehen", hofft Marika. "Und vielleicht findet er dann auch sein Lachen wieder. Und ich meinen Mann."

Hier könnt Ihr helfen

Wer die Familie unterstützen will: Ihre Anwältin Gesa Israel hat ein Spendenkonto bei der Ostsächsischen Sparkasse eingerichtet. Es heißt: Spendenkonto Zschachwitz. Die IBAN lautet DE 54 8505 0300 0225 7810 85.

Am S-Bahnhof Zschachwitz ereignete sich im März die Tat.
Am S-Bahnhof Zschachwitz ereignete sich im März die Tat.  © Norbert Neumann