Nach Flüchtlings-Bashing: Verlag distanziert sich von Tellkamp

Dresden - "Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent" - dieser Satz des Dresdner Schriftstellers stößt dem Verlag auf.

Der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp (49).
Der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp (49).  © DPA

Als Reaktion auf diese umstrittene Äußerung von Uwe Tellkamp hat sich der Suhrkamp-Verlag von seinem Autor distanziert.

Tellkamp ("Der Turm") hatte am Donnerstag in Dresden bei einer Diskussion die Positionen der AfD und der islam- und ausländerfeindlichen PEGIDA-Bewegung vertreten.

"Aus gegebenem Anlass: Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu verwechseln. #Tellkamp", twitterte Suhrkamp am Freitag.

Uwe Tellkamp und der Dichter Durs Grünbein hatten sich einen verbalen Schlagabtausch um die Flüchtlingspolitik und Meinungsfreiheit geliefert.

Bei der Debatte vor mehreren Hundert Zuschauern im Dresdner Kulturpalast sagte der 49-jährige Tellkamp zu den Motiven von Flüchtlingen unter anderem:

"Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent."

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Suhrkamp rückt daraufhin von Uwe Tellkamp ab ab.
Suhrkamp rückt daraufhin von Uwe Tellkamp ab ab.

Susanne Dagen ("Buchhaus Loschwitz") kritisierte in einem Offenen Brief an den Börsenverein den Umgang mit "andersdenkenden Verlagen" auf der Frankfurter Buchmesse - und hatte in Folge dessen im Netz jene "Charta 2017" veröffentlicht. Diese wurde auch von Autoren wie Cora Stephan und eben Uwe Tellkamp unterzeichnet. Von Durs Grünbein jedoch nicht. Im Kampf gegen "rechts" habe sich die Gesellschaft "nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt", heißt es in den Appell.

In diesem "Offenen Brief" schreibt Susanne Dagen, die zweimal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet worden ist: "Ich schäme mich als demokratischer Mensch, als leidenschaftliche Buchhändlerin und als eine in der DDR Geborene für diesen zutiefst respektlosen und würdelosen Umgang mit 'andersdenkenden' Verlagen und den dahinterstehenden Menschen."

Grünbein (55), der wie Tellkamp auch in Dresden geboren wurde, warb für einen Wandel in der politischen Debatte und verteidigte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Tellkamp hingegen bemängelt, dass die Grenzöffnung am Bundestag vorbei erfolgt sei. Den Medien unterstellte er, "in der politischen Auseinandersetzung mit zweierlei Maß" zu messen.

In seinem 2008er Roman "Der Turm" hatte Tellkamp das Ende der DDR von 1982 bis 1989 im bürgerlichen Dresdner Milieu aufgezeigt. Er hat den den Deutschen Buchpreis und weitere Auszeichnungen bekommen.

Regisseur Christian Schwochow (der jüngst "Bad Banks" fürs ZDF machte, >> TAG24 berichtete) verfilmte den komplexen Roman mit Jan Josef Liefers und Claudia Michelsen in den Hauptrollen. Das Werk wurde auch auf die Bühne gebracht.