Das ist Esther: Sie ist weder Mann noch Frau, doch warum wird das nicht akzeptiert?

Montabaur - Die jüngste Änderung des Personenstandsgesetzes gilt nur für Intersexuelle, betont das Innenministerium. Jetzt soll auch das Transsexuellengesetz geändert werden. Betroffene halten den geplanten Weg für unzulänglich.

Esther Lau sieht sich nicht als binär-weiblich an.
Esther Lau sieht sich nicht als binär-weiblich an.  © DPA

"Schubladen wie männlich und weiblich haben eine sinnvolle Funktion", sagt die Berufsschullehrerin Esther Lau. "Ich weiß das, ich bin Tischlerin, ich baue Küchen."

Das Zusammenleben wird einfacher, wenn es eindeutige Zuordnungen gibt. Aber viele Menschen wie Lau empfinden sich nicht als eindeutig weiblich oder männlich, sie erfahren sich als nicht-binär, nicht einzuordnen im System von zwei Geschlechtern.

Sie sei "nicht-binär weiblich", sagt Lau, die sich im Vorstand der Bundesvereinigung Trans* für Selbstbestimmung und eine "umfassende Anerkennung nicht-binär verorteter Personen" einsetzt.

Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung ist eine alltägliche Erfahrung für transgeschlechtliche, intersexuelle, nicht-binäre Menschen - abgekürzt TIN.

"Am schwierigsten ist das berufliche Umfeld", sagt Esther Lau, deren amtlicher Geschlechtseintrag im Februar von "männlich" in "weiblich" geändert wurde. An zweiter Stelle stünden ungute Erfahrungen im Umgang mit Behörden. "Die Angst ist dauernd da, sie begleitet viele in ihrem Alltag."

Nicht das Leben jenseits der eindeutigen Geschlechtsidentität mache die Betroffenen krank, sondern jahrelange Diskriminierung und Ablehnung, sagt Lau, die nach eigenen Angaben seit über einem Jahr gegen ihren Willen nicht mehr im aktiven Schuldienst ist.

Am schwierigsten ist es für Lau im beruflichen Umfeld.
Am schwierigsten ist es für Lau im beruflichen Umfeld.  © DPA

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2017 - die Folge war die Änderung des Personenstandsgesetzes (PStG) mit der Einführung des Geschlechtseintrags "divers" - sei zwar "ein Meilenstein gleichberechtigter Anerkennung nicht binärer Geschlechtsidentitäten" erreicht worden, sagt die Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Familienministerium, Christiane Rohleder (Grüne), die auch Landesbeauftragte für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität ist.

"Eine allgemeine Akzeptanz ist hingegen leider noch nicht gegeben."

So vielfältig persönliche Geschlechtsidentitäten ausfallen können, so scharf werden diese bislang juristisch getrennt. Das neue PStG sieht in §45b die Möglichkeit vor, beim Standesamt mit einer ärztlichen Bescheinigung eine andere Geschlechtsbezeichnung registrieren zu lassen.

Dies gilt aber nur für Menschen mit "Varianten der Geschlechtsentwicklung". Nach Auffassung der Bundesregierung sind damit intersexuelle Menschen gemeint, die biologisch weder eindeutig männlich oder weiblich sind. Die Bundesvereinigung Trans* verweist aber darauf, dass Mediziner diesen Begriff auch für transgeschlechtliche Menschen verwenden.

Im April schrieb das Bundesinnenministerium den Innenministerien der Länder von vermehrten Hinweisen auf "Fälle, in denen transsexuelle die allein für intersexuelle Menschen geschaffene Regelung für sich in Anspruch nehmen". Für diese gelte aber weiter das Verfahren nach dem Transsexuellengesetz, heißt es in dem Schreiben.

Die E-Mail mit den Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums sei noch am gleichen Tag an die Standesämter weitergeleitet worden, erklärt eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Auch in Rheinland-Pfalz seien daraufhin Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrags abgelehnt worden, sagt Lau, etwa vom Standesamt Koblenz.

Der Christopher Street Day ist der Festtag für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender.
Der Christopher Street Day ist der Festtag für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender.  © DPA

Das Transsexuellengesetz (TSG) von 1981 setzt höhere Hürden für die Änderung des Geschlechtseintrags: zwei psychologische Gutachten und ein Verfahren vor dem Amtsgericht.

Eine jetzt geplante Neufassung ersetzt dies durch den Nachweis einer Beratung. Diese habe aber "eine ähnliche Qualität wie die bisherige Begutachtung, die von den Betroffenen häufig als äußerst belastend und stigmatisierend empfunden wird", kritisiert Rohleder.

Warum werde es nicht allen Menschen freigestellt, ihren Geschlechtseintrag selbst zu bestimmen, fragt Lau, die sich auch bei QueerNet Rheinland-Pfalz und in der evangelischen Kirche in TIN-Themen engagiert.

"Was stört die restlichen 98 Prozent, wenn jemand dies aus tiefen persönlichen Gründen ändern will?" Schließlich habe die Geschlechtsbestimmung in den meisten Lebenssituationen keinerlei Bedeutung.

"Die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht kann nicht allein nach den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden", sagt Rohleder. "Sie hängt wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit ab." Daher müsse dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen Rechnung getragen und die selbstempfundene geschlechtliche Identität ohne rechtliche Hürden anerkannt werden.

Die persönlichen Konsequenzen seien so weitreichend, dass niemand nur aus Spaß mal eben den Geschlechtseintrag ändere, sagt Lau bei einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Montabaur. Auch Partnerschaften könnten daran zerbrechen. Bei ihr war dies nicht so. Aber ihre Frau müsse sich im Beruf "für mich rechtfertigen" und ihre elfjährige Tochter stehe in der Schule unter Erklärungsdruck.

Lau tritt für eine Personenstandsänderung nach dem Vorbild von Dänemark ein - dort können Menschen ab 18 Jahren auf Antrag ihren Geschlechtseintrag ändern. Wenn sie diesen Antrag nach sechs Monaten bestätigen, wird der amtliche Geschlechtseintrag geändert. Auch für Minderjährige sollte dies so sein, findet Lau.

"Die beiden zentralen Fragen "Wer bin ich" und "Wen liebe ich" sind so persönlich, die müssen alle für sich selbst beantworten dürfen", sagt Lau. "Aber der gesellschaftliche Wandel braucht Zeit, ich denke in Zeitfenstern von 30 oder 50 Jahren."