Spektakuläre Aufklärung! Darum flog der Obst-Boss achtkantig raus

Der eigentlich
recht
erfolgreiche
Obstland-Chef
Michael Erlecke
wurde
über Nacht
gefeuert.
Jetzt kommt
langsam Licht
ins Dunkel
Der eigentlich recht erfolgreiche Obstland-Chef Michael Erlecke wurde über Nacht gefeuert. Jetzt kommt langsam Licht ins Dunkel  © Thomas Kube

Grimma - In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde der erfolgreiche Chef der Obstland AG („Sachsenobst“) vor die Tür gesetzt. Die Spekulationen über die Gründe schossen im Mai vorigen Jahres ins Kraut - doch die Beteiligten hüllten sich in eisernes Schweigen. Jetzt endlich brachte ein Insider Licht ins Dunkel: Es handelt sich um einen unfassbaren Wirtschaftskrimi - der Staatsanwalt ermittelt noch.

Aktionärsversammlungen genießen nicht wirklich den Ruf, übermäßig unterhaltsam zu sein. Der Vorstand rühmt sich entweder für seine Genialität. Oder jammert über die Umstände, die so unglücklich aufeinander trafen. Man labt sich am Imbiss, hofft auf eine Dividende. Doch den Obstland-Anteilseignern blieb dieser Tage der Mund offen stehen.

Der als Interims-Vorstand eingesetzte Gerd Kalbitz erklärte erstmals, warum im Mai 2016 der Vorstand Michael Erlecke rausgeschmissen wurde.

Bei der Sorte Elstar
geht bereits die Ernte
los. 2017 wird ein
mageres Apfeljahr, die
Preise könnten durchaus
steigen.
Bei der Sorte Elstar geht bereits die Ernte los. 2017 wird ein mageres Apfeljahr, die Preise könnten durchaus steigen.  © Ralf Seegers

Wegen der andauernden Ermittlungen dürfe er noch nicht ins Detail gehen. Aber: „Es war eine Minute vor Zwölf!“ Denn der Aufsichtsrat glaubte, dem Ex-Chef strafbaren Insider-Handel mit den Aktien des Unternehmens nachzuweisen.

Über eine Tarnfirma wurde damals hunderten Anteilseignern der Kauf ihrer Aktien zum Drittel des Nennwertes angeboten. Doch im Hindergrund zog wohl Michael Erlecke die Fäden. Auch besorgte er sich auf anderen Wegen Obstland-Aktien. Wollte er sich auf Kosten der Aktionäre bereichern?

Später trug Erlecke den Aufsehern vor, dass wegen akutem Geldmangel dringend Fremdkapital angeworben werden müsse. Gerd Kalbitz: „Dieser Beschluss sollte ihm künftig als Alibi dienen, eine Bewertung der Obstland-Aktien vorzunehmen und damit Stiftungen oder andere Unternehmensformen als potenzielle Investoren zu akquirieren.“ Wollte er sich das Unternehmen teilweise unter den Nagel reißen?

Bei seiner Aufarbeitung stieß der Interims-Vorstand nicht nur auf weitere zwingende Kündigungsgründe, sondern eine faustdicke Überraschung. Kalbitz: „Für niemanden im Unternehmen erkennbar heiratete Michael Erlecke die Personalleiterin. So wurden gemeinschaftlich Anstellungsverträge mit überhöhten Gehaltszusagen abgeschlossen und auch unzulässige Einmalzahlungen an Mitglieder des Vorstandes veranlasst.“ Auch gegen die Ex-Personalleiterin wurde Anzeige wegen Untreue erstattet.

Bei der Wirtschafts-Staatsanwaltschaft Leipzig dauern die Nachforschungen noch an, aus ermittlungstaktischen Gründen schweigt man auch zu Einzelheiten. Oberstaatsanwalt Lutz Lehmann: „Es geht aber um Verstöße gegen das Aktiengesetz.“ Der gefeuerte Michael Erlecke hat sich zu den Vorwürfen seither nicht in der Öffentlichkeit geäußert.

So ist die Firma aufgebaut

Das Firmengebäude in Dürrweitzschen.
Das Firmengebäude in Dürrweitzschen.  © Ralf Seegers

Die Obstland-AG Dürrweitzschen entstand 1990 durch die Reprivatisierung von Genossenschaftseigentum.

Die 400.000 Aktien (à 26 Euro) befinden sich im Streubesitz von 1265 eingetragenen Aktionären, u.a. bei ehemaligen LPG-Mitarbeitern oder Bauern, deren Flächen mit in die Gesellschaft eingebracht wurden. Die AG ist nicht an der Börse notiert. Sie hat 360 Mitarbeiter.

Trotz der Querelen war 2016 gemessen am Umsatz mit 66,5 Millionen Euro das stärkste Jahr. Insgesamt wurden 44 650 Tonnen Obst geerntet. Nach anfänglichen Dürrejahren erhalten die Aktionäre auch inzwischen eine bescheidene Dividende - in diesem Jahr 60 Cent pro Aktie.

Gerd Kalbitz hat Obstland seit 
1991 aufgebaut. Jetzt musste er noch einmal als Ermittler ran.
Gerd Kalbitz hat Obstland seit 1991 aufgebaut. Jetzt musste er noch einmal als Ermittler ran.  © Holm Helis

Neue Anlage prüft Äpfel auf Herz und Nieren

Die nagelneue
Apfel-Sortieranlage
wird
ab sofort das
Kernstück der
Obstland-Produktion.
Die nagelneue Apfel-Sortieranlage wird ab sofort das Kernstück der Obstland-Produktion.  © Ralf Seegers

Auch wenn die Apfelernte in Sachsen in diesem Jahr erheblich magerer als im Vorjahr ausfallen wird (Mopo berichtete), rüstet Sachsenobst jetzt massiv auf. Morgen beginnt der Probelauf für eine ultramoderne Apfelsortieranlage. Die 2,8 Millionen Euro teure High-Tech soll die Produktion auf ein neues Niveau hieven.

Auf sechs mit Wasser gefüllten Bahnen wandern fruchtschonend je 300 Kilo Äpfel durch ein ausgeklügeltes Kamera- und Sensorensystem. Hier werden die Früchte zunächst auf Durchmesser, Länge, Gewicht sowie Grund- und Deckfarbe gemessen. Somit kommen ähnliche Äpfel in eine gemeinsame Verpackung.

Vorher wird aber auch noch die „innere Qualität“ des Obstes geprüft: Mit Hilfe eines Nah-Infrarotlichtes erkennt die Maschine eventuelle Bräunungen oder Defekte im Fruchtfleisch - diese Äpfel fliegen raus. Pro Stunde werden bis zu 18 Tonnen sortiert.

Wie der Apfel allerdings in die Flasche kommt, kann man sich bereits heute vor Ort anschauen. Beim Tag der offenen Tür (10 bis 17 Uhr) kann man sich den kompletten Produktionsablauf der Sachsenobst-Kelterei in Neugreußnig ansehen. Für Beköstigung und Bespaßung ist gesorgt.

Über 40000 Tonnen Äpfel kommen jährlich von Sachsenobst. Die Aktiengesellschaft hat 
sich am Markt durchgesetzt.
Über 40000 Tonnen Äpfel kommen jährlich von Sachsenobst. Die Aktiengesellschaft hat sich am Markt durchgesetzt.  © Ralf Seegers