So gefährlich ist unsere Handy-Sucht wirklich

Chatten, surfen, spielen, shoppen und den Partner fürs Leben suchen: Das Smartphone hat längst alle Lebensbereiche erobert - oft zum Leidwesen von Angehörigen oder der Umgebung.
Chatten, surfen, spielen, shoppen und den Partner fürs Leben suchen: Das Smartphone hat längst alle Lebensbereiche erobert - oft zum Leidwesen von Angehörigen oder der Umgebung.  © 123RF

Berlin - Vor genau zehn Jahren wurde uns mit Erscheinen des ersten Apple-Smartphones versprochen: Es erleichtert uns das Leben, die Liebe und macht uns glücklich.

Doch dass es auch süchtig macht, uns Zeit stiehlt und mit Chat-Attacken tyrannisieren kann, hat keiner gesagt. Laut Expertenschätzungen nerven schon über 40.000 handysüchtige Sachsen sich und andere.

So "entschärft" man die Nervensägen

Immer diese blöden Smartphones - das nervt! Doch was macht man gegen Handy-Junkies? Tipps: In der Gaststätte werden alle Handys mitten auf den Tisch gelegt. Wer zuerst nach seinem greift, zahlt die Zeche für alle.

Sich mit nur zwei sozialen Netzwerken begnügen, die anderen löschen. Oder man schlägt den Handyspieltrieb mit eigenen Waffen: Apps wie „Forest“ belohnen Nutzer, wenn sie ihr Handy mindestens eine halbe Stunde links liegen lassen.

Wenn alles nicht hilft, werden Bußgelder fällig. An folgenden Orten sind Handy-Fotos mit Hilfe von Selfie-Sticks (Teleskop-Stangen) schon gesetzlich verboten: in Fahrgeschäften von Disneyland-Parks (zu gefährlich), in Konzerthallen und Stadien wie der Wembley-Arena (Unfallgefahr beim Herumfuchteln), im Metropolitan Museum in New York (können Kunstwerke beschädigen), am Lake Tahoe in Kalifornien (weil oft mit wilden Bären posiert wurde), in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan (Handy-Blitze schädigen die Gemälde) und in Südkorea (weil andere mit der Bluetooth-Verbindung ausspioniert werden könnten). In manchen Firmen sind aus Angst vor Spionage sogar schon die alten Foto-Handys verboten.

Handy am Stock: Die Unsitte der Armverlängerung durch Handy-Sticks ist mancherorts schon verboten. Bußgeld droht!
Handy am Stock: Die Unsitte der Armverlängerung durch Handy-Sticks ist mancherorts schon verboten. Bußgeld droht!  © 123RF
Vorne aufhören, wenn’s hinten weh tut: Exzessiver
Smartphonegebrauch macht auch Kopf
und Nacken krank.
Vorne aufhören, wenn’s hinten weh tut: Exzessiver Smartphonegebrauch macht auch Kopf und Nacken krank.  © DPA

Auch körperliche Folgen drohen

Handys können nicht nur süchtig machen, sondern sorgen auch für körperliche Einschränkungen und ganz neue Krankheitsbilder:

  • „Handy-Nacken“: Den Kopf immer zu senken, um aufs Handydisplay zu starren, drückt auf die Halswirbel - Nackenkopfschmerzen drohen. Chiropraktiker raten: Möglichst immer gerade auf das Display schauen.

  • „Smartphone-Akne“: Beim Telefonieren werden Keime vom Display an die Wange gedrückt - Ausschlag und Pickel drohen.

  • Sehnenscheidenentzündung durch SMS-Tippen mit den Daumen. Die Folgen sind Schmerzen, die ins Handgelenk und bis in den Ellenbogen ausstrahlen.

  • Einschlafstörungen: Der hohe Blau-Anteil der Displaybeleuchtungen hemmt die Produktion des Schlafhormons Serotonin. Dadurch können vor allem Kinder schlechter einschlafen, nachdem sie am Handy gespielt haben.

  • Auch Augenärzte schlagen Alarm: Wenn man zu lange zu nah aufs Display starrt, steigt die Gefahr, kurzsichtig zu werden - besonders bei Teenagern. Es wird immer mehr Brillenträger geben.

  • Handy-Strahlung steht als Auslöser von Tumoren des Zentralnervensystems, Hirnhaut, Hörnervs und Ohrspeicheldrüse in Verdacht. Der Italiener Roberto Romeo telefonierte 15 Jahre lang täglich bis zu vier Stunden beruflich. Ein Gericht verdonnerte seine Unfallversicherung zur Zahlung, weil die Strahlung offenbar den Gehirntumor verursachte.
Haustiere? Die meisten Teenager„streicheln“ heute viel lieber stundenlang ihr Smartphone.
Haustiere? Die meisten Teenager„streicheln“ heute viel lieber stundenlang ihr Smartphone.  © 123RF

Jugendliche sind besonders gefährdet

„Leg das Ding weg!“ - Welche Mutter oder welcher Vater hat diesen Satz nicht schon entnervt zu seinem Nachwuchs zugerufen? Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, dass die meisten Teenager heute mit ihrem Smartphone verwachsen sind. Ist das eine gute „Verbindung“? Pädagogen empfehlen Eltern genau und kritisch hinzuschauen.

Generation WhatsApp: 95 Prozent der Jugendlichen tauschen sich mittlerweile täglich und regelmäßig über diesen Kanal aus. 500 Nachrichten pro Tag empfangen und beantworten - für „Pubertiere“ kein Problem. Aus der Perspektive von Erwachsenen und Medizinern schon: Laut AGB ist WhatsApp ab 16 Jahren. In der Realität nutzen es schon viele Grundschüler.

Aus Jugendschutz-Sicht eine höchst problematische Angelegenheit! Stress, Mobbing, Gruppendruck - Eltern müssen abwägen, ob ihre Kinder es verkraften, im Chat dabei oder draußen zu sein. Auf jeden Fall sollten Eltern grob wissen, was in den Chats so abgeht. Einige Medien-Experten raten - wenn Gespräche nicht möglich sind - gar zur Kontrolle (zur Not mit Spähsoftware).

Bei der Jugend beliebt sind außerdem Instagram (nutzen 51 Prozent), Snapchat (45 Prozent) und Facebook (43 Prozent). Auch diese Dienste müssen kritisch beäugt werden, denn das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Sachsens Polizei geht in die Schulen, um aufzuklären. Eltern entlässt das nicht aus der Verantwortung, den Nachwuchs über seine Pflichten aufzuklären, dessen Aktivitäten zu verfolgen und gegebenenfalls dessen Konten sperren zu lassen.

Stichwort Online-Games: Die sind besonders bei Jungs beliebt. Um Minecraft oder Clash of Clans zu spielen, nutzen die Racker gern und oft stundenlang ihre Handys. Achtung: Mehr als 1,5 Stunden „Daddelei“ werden allgemein als kritisch betrachtet!

Wie schützt man den Nachwuchs vor Handystress und -sucht? Prof. Sven Kommer vom Institut für Erziehungswissenschaft der RWTH Aachen: „Für die Handynutzung sollten mit Kindern generell verbindliche Regeln, Zeiten und auch Auszeiten vereinbart werden. Nachts hat die Technik immer zu schweigen.“

Mediziner beobachten, dass der hemmungslose Umgang mit Whats-App Jugendliche krank machen kann.
Mediziner beobachten, dass der hemmungslose Umgang mit Whats-App Jugendliche krank machen kann.  © 123RF

Ganz ohne Regeln geht es nicht

Drei goldene Regeln für die Smartphone-Nutzung bei Kindern:

  • Die Kinder sollten mindestens elf Jahre alt sein, bevor sie ein Smartphone zur freien Nutzung bekommen. Eltern, die ihren Kindern früher ein Smartphone geben, sind gut beraten, wenn Sie die Geräte über Sicherheitseinstellungen und Jugendschutz-Apps gut sichern.

  • Reden Sie mit dem Kind über die Nutzung von Apps, Virenschutzprogrammen, sozialen Netzwerke! So sensibilisieren Sie die Schüler und Teenager für Gefahren, Datensicherheit und persönliche Rechte im Umgang mit Medien.

  • Legen Sie verbindliche Handy-freie Zonen, Tageszeiten sowie „Anstandsregeln“ für den Umgang mit dem Mobiltelefon fest. Guter Grundsatz dabei: Weniger Zeit mit dem Handy ist mehr Zeit für die Entwicklung von Körper und Geist! Achten Sie auf die Einhaltung der Regeln und versuchen Sie als Eltern stets Vorbild zu sein.

Mehr Infos dazu gibt es hier oder hier.