Hells Angels MC: Die rot-weiße Macht aus Leipzig!

Die Rockerszene in Sachsen - sie ist bunt und vielfältig, aber auch verschlossen und voller Rätsel. In unserer neuen Serie wollen wir einen Einblick in eine faszinierende, teilweise auch verstörende Subkultur geben - unverstellt, ungeschönt und jenseits üblicher Klischees. Rockerclubs haben uns ihre Türen geöffnet, Polizisten ihre Akten, ein Philosoph seine Gedankenwelt.

Benzin, Party und Rock’n’Roll

Links das derzeit verbotene Colour, rechts das Ausweich-Logo der Leipziger Höllenengel.
Links das derzeit verbotene Colour, rechts das Ausweich-Logo der Leipziger Höllenengel.

Von Alexander Bischoff und Jens Fuge

Leipzig - Wohl kein Motorradclub der Welt ist so geheimnisumwittert wie der Hells Angels MC. Er gilt als knallhart und verschlossen. Seit 2008 gibt es einen Ableger des weltweit existierenden Clubs in Leipzig. Ein Ortstermin im Clubhaus der „Höllenengel“ im Leipziger Rotlicht-Kiez Dessauer Straße.

Eine typische Industrie-Brache. Backstein neben DDR-Mief, ein hohes Tor, fest verschlossen. Der „Hells Angels“-Schriftzug ist abgedeckt, nur das „Leipzig“ ist noch zu sehen - eine Anordnung des Innenministeriums, das sämtliche Symbole des Clubs verboten hat!

Der „Deathhead“, der geflügelte Totenkopf, weltweites Symbol des Clubs, darf bundesweit nicht mehr öffentlich gezeigt werden.

Das betrifft die Kutten der Mitglieder ebenso wie Airbrushs auf Motorradtanks oder Tattoos - alles muss abgedeckt werden, sobald die Rocker sich in der Öffentlichkeit bewegen.

Leipzigs Hells-Angels-Präsident Matze (32) vor dem Clubhaus-Kamin im Stil eines riesigen Totenkopfes.
Leipzigs Hells-Angels-Präsident Matze (32) vor dem Clubhaus-Kamin im Stil eines riesigen Totenkopfes.

Anders im ansehnlichen Clubhaus: Überall hängen Geschenke von Brüdern aus aller Welt mit dem „Deathhead“. Im Erdgeschoss eine Bar im Stil einer Grotte. In den Nischen stehen alte Motorräder. Ein Jahr lang haben die Leipziger Angels, die größtenteils in Handwerksberufen arbeiten, an dieser Oase gebastelt.

Nach oben geht’s durch eine Gittertür in den Memberbereich: Hier haben ausschließlich Mitglieder Zutritt. Ein riesiger Kamin in der Form eines Totenkopfs zieht sofort die Blicke auf sich. Es folgen Bar, Gästezimmer und in der Ecke ein Gedenkschrein, in dem der verstorbenen Brüder gedacht wird.

In der Mitte steht eine 20 Meter lange Tafel, um die sich knapp zwei Dutzend Stühle reihen. Auf jedem steht ein Name: Mathias81, Pascha81, Ronald81. Hier werden die Meetings abgehalten.

Ausfahrt der Leipziger Höllenengel - fast jedes Wochenende sind sie unterwegs.
Ausfahrt der Leipziger Höllenengel - fast jedes Wochenende sind sie unterwegs.

Dabei gilt das absolute Demokratie-Gebot: „One man, one vote - bei uns hat jedes Mitglied eine Stimme!“, sagt Matze (32), Präsident des Leipziger Charters. Neumitglieder würden nur aufgenommen, wenn alle dafür stimmen. Wer dagegen ist, muss es begründen. Offenheit ist wichtig.

Ehrlichkeit, Freiheit, Respekt und Zuverlässigkeit sind die Fundamente dieser Rocker-Bruderschaft. Die Leipziger Angels leben diese Werte „Oldschool“. Sie führen noch das richtige Rockerleben mit Benzin, Party und Rock’n’Roll.

Auf ihren Harleys heizen sie durch ganz Europa - ob zum Worldrun am Balaton, zu den russischen Brüdern nach Moskau oder an die Mittelmeerküste.

Seit August 2008 sind die Hells Angels in Leipzig. Zur letzten großen Club-Party gab's ein riesiges Feuerwerk.
Seit August 2008 sind die Hells Angels in Leipzig. Zur letzten großen Club-Party gab's ein riesiges Feuerwerk.

Dreimal im Jahr laden sie selbst zu Partys. Regelmäßig pilgern dann hunderte Rocker, Biker und „Normalos“ ins Clubhaus.

„Wir versuchen einfach das zu tun, um was es uns geht und für das zu stehen, was uns wichtig ist: Freunde treffen, Partys feiern, eine gute Zeit haben - wir versuchen einfach, unser Rockerleben zu leben. Nicht mehr und nicht weniger“, erklärt Matze.

Das Leipziger Charter gründete sich am 22. August 2008. Starthilfe gaben, wie bei den Hells Angels üblich, etablierte Charter - in diesem Fall Reutlingen, Hannover und Cottbus. Die Gründung fand im Club P1 am Plagwitzer Knochenplatz statt.

Bis Mai 2009 fuhren die Leipziger als Probe-Charter, dann bekamen sie bei einer feierlichen Zeremonie in Dresden ihr Full-Colour. Im Dezember 2009 eröffnete ihr Clubhaus. Auch Leipzigs OB Burkhard Jung (SPD) war dazu eingeladen - winkte aber dankend ab.

Das Leipziger Clubhaus vor dem Colour-Verbot.
Das Leipziger Clubhaus vor dem Colour-Verbot.

Heute zählen die Leipziger Hells Angels selbst zu den etablierten Chartern und standen ihrerseits schon Pate für deutsche Neugründungen etwa in Thüringen, Bayern und Niedersachsen.

In Sachsen stehen die Höllenengel unter ständiger polizeilicher Beobachtung. Ein Grund dafür war sicher auch ihr demonstratives Auftreten im September 2008 in der Leipziger City.

Damals hatten über 100 Rocker aus mehreren Chartern kurzerhand die Kneipenmeile Gottschedtstraße „besetzt“, dabei grimmig in ein- und ausfahrende Autos geschaut. Die Nummer galt als klare Machtdemonstration - denn just an diesem Tag feierten die Bandidos im Westen der Stadt.

Eine wilde Hatz über den Leipziger Ring inklusive spektakulärer Verfolgungsjagd trug ebenso dazu bei, dass es dem Club bis heute nicht gestattet wird, gemeinsame Ausfahrten durch Leipzig zu unternehmen.

Die notwendigen Genehmigungen laut StVO bleiben den Höllenengeln versagt. Und bei ihren Partys findet sich regelmäßig ein Großaufgebot Polizei vorm Clubhaus.

Weitere Teile der Serie:

WIE KRIMINELL SIND DIE HELLS ANGELS WIRKLICH?

INTERVIEW MIT HELLS ANGELS-LEGENDE SONNY BARGER

ALLE TEILE DER ROCKER-SERIE

Fotos: Jens Fuge, Alexander Bischoff, Ralf Seegers