Herr Liefers, wie oft sind Sie eigentlich noch in Dresden?

Jan Josef Liefers  (li.) und sein Keyboarder Gunter Papperitz (44).
Jan Josef Liefers (li.) und sein Keyboarder Gunter Papperitz (44).

Von Heiko Nemitz

Dresden - Jan Josef Liefers (51) ist das Gesicht von Radio Doria. Doch nach 13 Jahren sind aus den „Begleitmusikern“, die der Schauspieler für seinen Ausflug in die Musik um sich scharte, und er längst eine eingeschworene Band geworden.

Nach erfolgreicher Hallen-Tournee geben Radio Doria nun im Sommer noch ein paar Einzelkonzerte. So auch am 15. Juli in der Jungen Garde in Dresden. MOPO24 sprach mit dem „Tatort“-Star aus Dresden und seinem Keyboarder Gunter Papperitz (44) über das Heimspiel. Auch Liefers‘ Mutter Brigitte Wähner (71) schaute vorbei.

MOPO24: Herr Liefers, Herr Pappritz, die offizielle Tour war ja schon im Frühjahr. Wie sind die Erinnerungen daran?

Liefers: Also wir haben ja einiges geändert an unserem Erscheinungsbild. Alles, was wir vorher auf der Bühne gemacht hatten, haben wir komplett weggeschmissen. Wir wollten eine wirklich neue Tour. Es war ja eine Good-Bye-Tour, wir spielen eine Weile nicht mehr.

Aber wir machen ein neues Album! Zumindest haben wir uns zum ersten Malüberlegt, was die Leute anderes zu sehen und zu hören kriegen sollen, extra einen neuen Song geschrieben. Das hat so’n Spaß gemacht und frischen Wind reingebracht - also für uns war’s toll, und ich glaube, für die Leute auch. Es war eine tolle Tour, die sich richtig gelohnt hat, zu machen.

Papperitz: Ich hab gemerkt, dass wir unfassbar mehr Zeug dabeihatten. Das werden wir in Dresden nochmal toppen, weil wir auch Gäste dabei haben. Im Sommer machen wir ja nur noch kleine Einzelkonzerte ohne den großen Aufwand, aber in Dresden - versprochen - kommt das alles nochmal auf die Bühne. Und viel mehr! Jan darf seine Frau mitbringen, aber die nimmt auf der Bühne ja nicht so viel Platz weg.

Liefers mit der Band Silly, bei der seine Lebensgefährtin Anna Loos Sängerin ist.
Liefers mit der Band Silly, bei der seine Lebensgefährtin Anna Loos Sängerin ist.

MOPO24: Anna Loos singt mit?

Liefers: Nun, ich hab ja mit Anna schon mal ein Duett auf Silly-Seite gemacht und das ist jetzt der richtige Ort, den Spieß mal umzudrehen und Anna hier als Gast unserer Band zu haben. In Dresden haben wir ja immer gute Konzerte gespielt, das war immer eine tolle Stadt. Es war sogar die erste Stadt, wo wir einen Ort hatten, den Schlachthof, der so schnell ausverkauft war, dass wir ein zweites Konzert machen mussten. Und jetzt ist es eben die Junge Garde und mir geht ein bisschen der Stift, denn die kannte ich ja noch als Kind, die war schon immer da, und die ist so groß. Jetzt selber da zu stehen, das ist schon was Besonderes. Und dann müssen wir auch was Besonderes anzubieten haben.

MOPO24: Was erwarten Sie vom Abend in der Jungen Garde?

Liefers: Momentan geht es ja nicht nur in unserem Land sondern überall auf der Welt ein bisschen hoch her. Man hat das Gefühl, dass das ganze Miteinander, das Im-selben-Land-zusammen-zu-sein, obwohl man auch verschiedener Meinung ist, dass das ein bisschen verloren geht. Keine gute Entwicklung. Und so ein Konzert ist eine schöne Gelegenheit, zusammen zu sein und einander auszuhalten. Das wünsche mir von unserem ersten richtig großen Ding hier in Dresden.

MOPO24: Sind Open-Air-Konzerte anders? Muss man mehr powern, damit die Energie nicht nach oben verfliegt?

Papperitz: Es ist schon anders, das merkt man auf der Bühne. Wenn noch Tageslicht ist, fokussieren sich die Leute ja nicht nur auf das, was da oben passiert. Das hat ja auch einen Familienpicknicks-Charakter. Wenn man dann aber in den Abend reinspielt, dann kriegt das manchmal was ganz magisches. Glücklicherweise haben wir ja einen theatererfahrenen Schauspieler als Sänger, der weiß, wie man mit den Leuten richtig kommuniziert.

Liefers: Freilichttheater hab ich aber auch noch nicht gespielt!

Das Traumduo vom Tatort Münster.: Jan Josef Liefers und Axel Prahl.
Das Traumduo vom Tatort Münster.: Jan Josef Liefers und Axel Prahl.

MOPO24: Ihre Musik hat ja durchgehend eher entspanntes Mid-Tempo. Kein Bock auf Rock?

Papperitz: Das ist bei einer Band mit zwei Gitarristen Dauerthema. Ich verspreche, dass es beim Konzert in der jungen Garde auch ordentlich laut werden wird. In zwei Stunden kann man ja nicht nur eine Leier spielen. Es wird schon abwechslungsreich werden. Viele Konzertbesucher hatten das nach der Platte auch gar nicht erwartet.

Liefers: Es wird schon ganz gut krachen. Live ist es ja immer anders als auf Platte. Allerdings: Wenn jemand Pogen will, hat’s trotzdem nicht einfach.

MOPO24: Welchen Stellenwert hat die Musik neben der Schauspielerei für Sie? Hobby oder mehr?

Liefers: Rein zeitlich nimmt natürlich das Filmemachen mehr Raum ein. Aber was heißt schon Hobby? Das machste, wenn du Zeit hast und nüscht besseres vorhast. Das ist bei weitem nicht mehr so. Wir spielen ja nun schon seit 2003 zusammen und sind in dieser Formation sehr aufeinander eingeschossen.

Klar fragen sich die Menschen: Was ist denn Radio Doria? Ach, das ist ja der aus dem „Tatort“… Das ist ein langsamer und auch knirschender Weg, bis das mal in den Köpfen angekommen ist. Aber gerade Dresden ist ein schönes Beispiel, wie so was wachsen kann. Meine Mutter weiß das noch: Als ich hier anfing, Gitarre zu lernen, wollte ich viel mehr Musik machen. Aber mit der Entscheidung für die Schauspielerei ist es ja auch ganz gut gelaufen. Aber wenn man dann mit der Band nach Hause kommt, schließt sich auch ein Kreis.

MOPO24: Die Band heißt ja bewusst nicht „Jan Josef Liefers UND Radio Doria“ sondern schlicht „Radio Doria“. Sind Sie ein richtiges Kollektiv? Wer macht was?

Papperitz: Grade beim Songschreiben ist es doch so, dass Stimme, Sprache und der Ausdruck des Sängers - gerade auf deutsch - eine große Rolle spielen. Und da muss Jan auf jeden Fall dabei sein mit seinen Texten und sich die Melodien mit überlegen, damit es auch wirklich seins ist.

Wir arbeiten schon eng zusammen. Es ist ja putzig, wie man uns von außen wahrnimmt. Wir haben ja alle keinen Fernseher, also ist Jan für uns gar nicht so ein Prominenter. Aber immer werden wir gefragt: Wie das mit so einem berühmten Schauspieler in der Band zu spielen? Für uns ist das umgekehrt: Unser Sänger dreht eben auch Filme. Außerdem sehen wir ihn ja deutlich häufiger, als der Zuschauer ihn im Fernsehen sieht. Deswegen ist unsere Wahrnehmung eine ganz andere.

Radio Doria auf der Bühne.
Radio Doria auf der Bühne.

MOPO24: Hatte die Entscheidung, deutsche Texte zu schreiben, mit der Umbenennung der Band zu tun?

Liefers: Wir hatten auch schon deutsche Texte, als wir noch „Oblivion“ hießen, es waren bloß nicht unsere! Wir hätten nur nicht gedacht, dass „Der Soundtrack meiner Kindheit“ so erfolgreich wird. Es ging ja inhaltlich um meine Jugend hier in Dresden. Die Jungs in der Band sind aber alle im Westen groß geworden.

So haben wir uns der Thematik angenähert und dann war die deutsche Sprache einfach gesetzt. Wir können uns nichts anderes mehr vorstellen. Unser erstes Album war Englisch, weil ich mir damals nichts anderes vorstellen konnte.

Aber irgendwann fragste dich, was das mit diesem Englischkram soll. Schließlich kann man sich doch ausdrücken. Also war „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ unser erstes selbstgeschriebenes Album. Nach zehn Jahren Bandbestehen hatten wir es also tatsächlich geschafft, unser Debüt zu machen.

MOPO24: Brauchen Songs eine Aussage, oder reicht es, einfach nur ein Gefühl heraufzubeschwören?

Liefers: Mal brauchen sie eine Aussage, mal ist es einfach nur schön, ein Gefühl zu transportieren. Deswegen trifft beides zu. Aber Aussagen muss man geschickt verpacken, sonst ist man in der Musik auf dem falschen Dampfer. Wenn man auf Deutsch Texte schreibt, kommt ja nicht drumherum, sich mit der Welt auseinander zu setzen. Aber den politischen Vorschlaghammer herauszuholen - das kennen wir ja noch aus DDR-Zeiten, wenn Texte ideologische Absichten verfolgen - das ist nichts, was mir gefällt.

Papperitz: Ich sehe das anders: Ein Song muss auf jeden Fall Emotionen haben. Er kann auch eine Aussage haben, aber ich glaube, das, was einen Song groß macht, dass sie assoziativ ist. Wir sind Künstler, keine Essayisten. Wir können natürlich eine Meinung vertreten, aber das ist nicht das Gebiet, auf dem wir uns bewegen. Wir machen Kunst!

Liefers im Gespräch mit MOPO24-Redakteur Heiko Nemitz.
Liefers im Gespräch mit MOPO24-Redakteur Heiko Nemitz.

MOPO24: Das Video zu „Sehnsucht Nummer 7“, das in Kalifornien gedreht wurde, vermittelt sonnige Jungs-Kumpelei, jugendliche Unbeschwertheit. Steckt nicht aber auch Wehmut drin?

Liefers: Das Lied behandelt ja grade die Sache, dass selbst ein absoluter Traumort unter bestimmten Umständen der falsche Ort sein kann. Ein Ort, von dem du dich wegsehnst. Dafür war Kalifornien ideal. Meine erste große Reise, nachdem die Mauer auf war, war von Vancouver nach Los Angeles, mit dem Fahrrad die Westküste lang, weil ich für was anderes kein Geld hatte.

Das mag ich an dem Video: Es zeigt, es macht nicht der Ort aus, sei er noch so legendär, sondern Menschen. Was nützt es dir, wenn du in Hollywood der Superstar bist, und du dich aber nach Meißen sehnst, weil dort eine tolle Frau wohnt, die nicht da ist, wo du bist? Als ich das erste Mal in Paris war, fand ich es zum kotzen, ich hab’s gehasst, weil ich woanders sein wollte. Und das ist in dieses Lied eingeflossen.

MOPO24: Es gibt die Textzeile: „In meinem Kopf spielt Radio Doria“? Was ist da zu hören?

Liefers: Das ist ja ein fiktiver Sender, den es gar nicht gibt. Den hörst du, wenn du abends nicht einschlafen kannst und eine schlaflose Nacht vor dir hast. Oft ein Ärgernis, aber das kann man auch umdrehen in etwas Gutes. Kopfradio, das ist Radio Doria.

MOPO24: Gibt es eine Lieblingsband?

Papperitz: Bei einem Musiker ändert sich das jeden Tag, mindestens jede Woche.

Liefers: Das kann man nicht an einer festmachen. Ich war vor ein paar Tagen bei Paul McCartney im Konzert und eine der Bands, die mich früh in den Bann gezogen haben, waren schon die Beatles. Das ist jetzt aber nicht meine aktuelle Lieblingsband.

Jan Josef Liefers als Sänger der Band Radio Doria.
Jan Josef Liefers als Sänger der Band Radio Doria.

MOPO24: Herr Liefers, wie oft sind Sie eigentlich noch in Dresden?

Liefers: Das kann am besten meine Mutter sagen.

Brigitte Wähner: Meistens ist Jan mal da, wenn er hier zu tun hat. Ansonsten sagt er immer: Komm nach Berlin. Das ist praktischer, denn da sind die Kinder.

Liefers: Früher ist man zum Wäschewaschen nach Hause gekommen, heute hat man selber eine Waschmaschine. Ich bin gerne hier, aber man ist zu viel unterwegs. Ich war etwa eingeladen zu dem Gesprächskreis, der alternativ zu den Pegida-Spaziergängen stattgefunden hat und wäre sehr gern gekommen. Aber es ist leider doof, wenn man nicht mehr Herr über seinen Terminkalender ist und so wenig freie Zeit hat.

Papperitz: Das heißt nur eines: Liebe Dresdner, ladet Radio Doria öfter ein, dann ist auch Mama Liefers glücklich.

MOPO24: Ihr „Tatort“-Kollege Axel Prahl macht ja auch Musik, wäre eine gemeinsame Platte nicht ein programmierter Hit?

Liefers: Axel macht ja andere Musik als wir, da kann man nicht einfach sagen, nur weil das ein programmierter Hit wäre, lass uns mal was zusammen machen. Da muss man sich Zeit lassen und auf eine Idee warten. Bei Festivals spielen wir ja manchmal zusammen. Ich hatte Axel auch in die Junge Garde eingeladen, aber er kann nur leider nicht.

MOPO24: Die EM läuft. Gucken Sie auch?

Liefers: Klar, Fußball ist eine so tolle, spannende Sache. Ich bin totaler Fußballfan. Als Kind war ich natürlich Dynamo-Anhänger und hab Fahnen selbst zusammengenäht. Fan ist man nur einmal im Leben. Aber das heißt doch nicht, dass ich den anderen treten muss, bis der ins Krankenhaus muss. Ich find’s schade, was bei der EM grade passiert ist. Auf einmal wird das so ein Kriegsschauplatz, obwohl man eine supergute Zeit zusammen haben könnte.

Fotos: PR, dpa, Eric Münch, Andreas Weihs

Titelfoto: Import