Foltermord-Prozess von Höxter: Wie krank ist Wilfried W. wirklich?

Wilfried W. ist angeklagt, weil er Frauen misshandelt und zu Tode gefoltert haben soll.
Wilfried W. ist angeklagt, weil er Frauen misshandelt und zu Tode gefoltert haben soll.  © DPA

Paderborn - Der 26. Prozesstag um das Horror-Haus von Höxter-Bosseborn steht vor der Tür. Es werden immer noch Zeugen verhört.

Die Vorwürfe, denen sich die Angeklagten Wilfried (47) und Angelika W. (48) gegenüber stehen sehen, sind erschreckend: Sie sollen mehrere Frauen misshandelt haben. Zwei von ihnen wurden so abscheulich gequält, dass sie starben.

Am vergangenen Prozesstag prangerte eine Zeugin das Vorgehen des Ordnungsamts vom Kreis Höxter an. Vorwürfe wie Behördenversagen und unterlassene Hilfeleistung standen im Raum.

Am Dienstag werden wieder einige Zeugen vorgeladen. Bisher gab es keine entlastenden Aussagen, die für eine Unschuld der Angeklagten spricht.

Unter anderem wird am 26. Prozesstag ein Zellengenosse von Wilfried W. angehört. Außerdem soll ein Gerichtsmediziner zum Tod und zur Obduktion der verstorbenen Susanne F. aussagen.

In der vergangenen Woche wollte Professor Michael Osterheider außerdem das psychiatrische Gutachten zu Wilfried W. vorlegen. Ein erstes Gutachten wurde von Verteidiger Detlev Binder angefochten. Die neuen Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

TAG24 berichtet ab Prozessbeginn wieder mit einem Live-Ticker.

11.38 Uhr: Es gibt keine weiteren Fragen von den Prozessbeteiligten an den Gerichtsmediziner. Er wird entlassen.

In der nächsten Woche soll über die Verurteilung von Wilfried W. 1995 gesprochen werden. Er war damals zu knapp drei Jahren Haft verurteilt worden. Ebenso werden nächste Wochen weitere Zeugen erwartet.

Damit ist der 26. Verhandlungstag zum Doppelmord von Höxter-Bosseborn beendet.

11.19 Uhr: Gerichtsmediziner: Es wurden bei Susanne F. auch keine Hinweise auf Beruhigungsmittel festgestellt. Die Todesursache ist für uns eindeutig das Schädel-Hirn-Trauma, zu dem erschwerend noch eine Unterkühlung bei Susanne F..

Wenn Susanne F. frühzeitig nach der Verletzung an der Stirn in ein Krankenhaus eingeliefert worden wäre, hätte sie eventuell gerettet werden können. Häufig versterben allerdings auch Patienten mit diesen Verletzungen trotz sofortiger ärztlicher Behandlung.

Der Patient überlegt dann nicht zwingend. Bei Susanne F. lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob sie die Verletzungen überlebt hätte, wenn sie sofort in ärztliche Behandlung gekommen wäre. Sie hätte aber durchaus höhere Chancen gehabt, mit einer Behandlung das Geschehen zu überleben.

Ich habe ein Bild von Susanne F. aus dem Sommer 2015 mit einem Bild kurz vor ihrem Tode verglichen. Es ist ein deutlicher Abbau ihres gesundheitlichen Zustandes zu erkennen. Auf einem Video kurz vor ihrem Tod steht Susanne F. in der Badewanne und wird abgeduscht.

Es ist deutlich zu sehen, dass sie insgesamt verlangsamt wirkt, die Hände waren verkrampft, es ist eher eine Beugehaltung, die die Frau eingenommen hat. Soviel zum Video. Susanne F. war, um es schlicht zu sagen, nicht mehr fit.

Eine gesunde Person hätte vielleicht dem Sturz gegen den Schrank vermeiden können, eine geschwächte Person weniger. Sie kann einen Sturz dieser Art, eventuell mit ausgestreckten Armen, kaum abfangen.

11.10 Uhr: Jetzt wird wieder der Gerichtsmediziner gehört: Alle wichtigen Organe sind nach der Obduktion von Susanne F. untersucht worden. Der Bluterguss an der linken Stirn wurde eingiebig untersucht. (Red.- Derzeit war Susanne F. mit großer Wucht gegen einen Küchenschrank geflogen)

Wir kamen zum Ergebnis, das der Bluterguss mindestens ein paar Tage alt sein musste. Auch Blutergüsse an den Armen und auf dem Rücken waren mehrere Tage alt. Es wurde kein Alkoholkonsum bei Susanne F. festgestellt. Alkohol war auch keine Ursache für das Fallen gegen den Schrank. In der Summe brachten toxologische Untersuchungen keinen Befund.

10.57 Uhr: Am Richtertisch wird sich ein Video angeschaut, dass vermutlich die noch lebende Susanne F. auf einem Handy-Video zeigt. Zu hören ist die "Kommandostimme" von Angelika W. Sie fordert Susanne F. auf, mit einem Sack die Treppe runterzukommen.

Zu hören ist auch die Stimme von Wilfried. Was er sagt, ist nicht zu verstehen. Er hat vermutlich die Aufnahmen gemacht. Zu hören ist plätscherndes Wasser im Hintergrund. Wie andere misshandelte Frauen musste auch Susanne F. des öfteren Zeit in der Badewanne verbringen, meistens im kalten Wasser.

Sie wurde dann mit Handfesseln an den Armaturen fixiert. Das Betrachten der Bilder ist beendet, alle Prozessbeteiligten haben wir Platz genommen.

10.44 Uhr: Auf einem Laptop werden jetzt den Prozessbeteiligten Bilder der zu Tode gequälten Susanne F. gezeigt und damit vermutlich auch Spuren der Misshandlungen, die die Frau vermutlich durch Angelika und Wilfried W. auf dem kleinen Gehöft in Bosseborn erfuhr.

Die Bilder werden der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht, damit auch den Besuchern des Prozesses nicht.

10.37 Uhr: Zeuge: Die vielfachen Blutergüsse können durch Stürze, Schläge oder Tritte hervorgerufen worden sein. Eine Fremdeinwirkung ist nicht auszuschließen. Die schwere Kopfverletzung kann durch Schubsen und Anstoßen an einen harten Gegenstand erfolgt sein.

(Red.: - Angelika W. hatte derzeit ausgesagt, dass Susanne F. zwischen ihr und Wilfried hin und hergeschubst wurde und schließlich hart mit dem Kopf am Küchenschrank aufschlug.)

Zeuge: Diese Schädelverletzung von Susanne F. hat maßgeblich zum Tode von Susanne F. beigetragen. Ob die festgestellte Unterkühlung von Susanne F. zu ihrem Tod beigetragen hat, kann nicht gesagt werden. Im Vordergrund steht die Schädelverletzung.

Die Schürfwunden und Narben, die durch Fesselungen hervorgerufen wurden, haben die Frau sicherlich geschwächt und vielleicht zum Tode mit beigetragen, sind aber nicht ursächlich für den Tod.

10.29 Uhr: Zeuge: Weitere Gewalteinwirkungen gab es an Armen und Beinen, alte Blutergüsse, Schürfwunden. Sie waren teilweise geschwulstartig ausgebildet, besonders am Ellenbogen. Im unteren Rückenbereich, am Steißbein, befand sich ein weiteres Geschwür, zur Ursache will ich später Stellung nehmen.

Vermutlich war es eine längere Druckeinwirkung, die mit einem Einnässen einherging. Die Tote befand sich in einem schlechteren Pflege- und Ernährungszustandes. Die Person ist aber nicht verhungert oder verdurstet. Finger und Zehennägel waren etwas zu lang aber keinesfalls ungepflegt.

Es gab noch eine andere Gewalteinwirkung festzustellen. Am linken Unterarm gab es verschorfte Schnittverletzungen. Es gab hier keine Narbenbildung, deswegen kann man nicht von einer Eigenverletzung in der Schlussphase des Lebens ausgehen.

Weitere Unterblutungen gab es in der Rückenmuskulatur. Es gab eine Entzündung des Nierenbeckens, 2015 wurde ein Nierensteinleiden festgestellt worden. Das sind die wichtigsten Punkte bei der Untersuchung.

10.21 Uhr: Jetzt wird ein Gerichtsmediziner der Uni Göttingen gehört. Er hat sich derzeit mit der toten Susanne F. beschäftigt. Der 52-Jährige ist Facharzt für Gerichtsmedizin. Das Gericht möchte wissen, warum und woran Susanne F. gestorben ist und ob eine frühere ärztliche Hilfe eventuell ihr Leben gerettet hätte.

Zeuge: Am 25.4.2016 wurde die Leiche von Susanne F. obduziert. Sie war am 22.4.2016 gestorben, nachdem sie in eine Klinik in Northeim eingeliefert worden war. Vorher war sie über mehre Woche auf dem Gehöft in Bosseborn gewesen.

Die Tote war 41 Jahre alt und eine eher schlanke Person. Der Hauptbefund, der zum Tod beitrug, war ein schweres stumpfes Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutungen in der Hirnhaut. Es wurde verursacht durch eine Gewalteinwirkung auf die linke Gesichtshälfte. Sie war mehrere Tage alt, zu erkennen waren Blutergüsse. Es gab alte Verletzungen an verschiedenen Körperstellen.

10.10 Uhr: Als nächstes wird noch einmal ein Ermittlungsbeamter der Mordkommission gehört. Er hatte derzeit den eben vernommenen Zeugen gehört und alles zu Protokoll gebracht.

Zeuge: Zeuge A. hatte sich derzeit an den Leiter der Justizvollzugsanstalt Detmold gewandt und ihn gebeten, dass er verlegt werden möchte. Daraufhin wurde er nach Bielefeld verlegt.

Ich habe damals bei meiner Vernehmung gehört, dass der Zeuge zum Christentum konvertieren will. Er war sehr sprunghaft in seinen Aussagen, hatte Angst, etwas zu sagen. Dann erzählte er, dass er Wilfried W. in der Teeküche getroffen habe. Er käme in der Einzelzelle nicht so richtig klar.

In der Küche sei auch noch ein Heroindealer gewesen. Wilfried erzählt ihm dann, dass er zwei Leichen zerstückelt habe. Bei einem zweiten Treffen in der Küche ging es darum, dass sich der Angeklagte W. bei der Begutachtung durch einen Mediziner dummstellen werde und bald wieder aus dem Knast rauskomme.

In seiner Aussage war keine klare Linie zu erkennen. Wilfried habe dem Mithäftling gegenüber unterschiedliche Aussagen gemacht. Mal hätte Wilfried bei der Zerstückelung mitgeholfen, mal wäre es nur seine Frau gewesen.

Bei den Taten habe Wilfried immer gelächelt. Für Wilfried war das ganze nur ein Spiel, er rechne damit, dass seine Frau alles auf sich nehmen würde, und er, Wilfried, mit einer geringen Strafe aus dem Verfahren kommen würde.

9.58 Uhr: Zeuge: Über Details, wie die Frauen gequält und zwei von ihnen zu Tode kamen, habe ich nicht mit Wilfried gesprochen.

Oberstaatsanwalt Ralf Meyer misst der Aussage des Zeugen, was die Täterschaft von Wilfried W. anbelangt, keinerlei Bedeutung zu.

Der Zeuge wird entlassen.

9.54 Uhr: Zeuge: Wir haben uns auch bei Ausgang draußen auf dem Hof getroffen. Es waren noch weitere Mithäftlinge dabei, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern kann. Einmal kam er von Gericht zurück, spielte den großen "Macker", freute sich, prahlte mit dem Medieninteresse.

Er grinste, lächelte, sprach davon, dass er einen Freispruch bekommt. Für ihn sei alles ein "Spiel". Die Mithäftlinge sagten: Schau mal, der große Macker ist wieder da, der Willi. Ich hatte irgendwann Panik, mit so einem Menschen zusammen sein zu müssen im Knast. Ich wollte nur noch verlegt werden.

9.45 Uhr: Zeuge: Alles, was mir Wilfried W. über das Töten der Frauen erzählt hat, habe ich nicht hinterfragt. Ich habe Angst, dass Mithäftlinge davon erfahren, dass ich als Zeuge hier in Paderborn vor dem Landgericht ausgesagt habe und ich Repressalien erfahren muss.

Zeuge: Mithäftlinge haben mir damals erzählt, was Wilfried W. zusammen mit seiner Frau gemacht haben soll, Ich habe ihn dann nach den Quälereien gefragt und er hat alle Schuld auf seine Frau Angelika geschoben. Er würde hier bald wieder aus dem Knast kommen, er würde die gesamte Justiz "verarschen".

9.38 Uhr: Zeuge: Er tut nur dumm, aber er ist nicht dumm. Er führt die Justiz vor. Er lief in der Justizvollzugsanstalt rum, gab jedem die Hand. Er schob alle Straftaten auf seine Frau Angelika. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Ich habe mit meiner eigenen Verurteilung zu tun.

Ich habe noch nie so einen Menschen kennengelernt. Ich habe richtig Angst gehabt, auch wie er immer gelacht hat. Er hat von dem Mord erzählt, als würde mein Vater ein Tier schlachten, um eine Mahlzeit vorzubereiten. Ich habe ihm das schon geglaubt. Auf jeden Fall muss etwas dran sein.

Warum erzählt er so etwas auch, was bringt das denn. Ich erinnere mich auch daran, dass er irgendetwas vom Verbrennen einer Leiche erzählt hat und das ihre Asche verstreut wurde. Er fühlte sich ganz groß, weil er auch dauernd im Fernsehen war.

Der Typ ist für mich krank. Gucken sie doch, wie er auf der Anklagebank sitzt - als wäre es ein Verkehrsunfall. Er hat mit mir nie über Drogen oder Alkohol gesprochen. Ich bin auf Distanz zu ihm gegangen, als ich hörte, was Wilfried W. vorgeworfen wird.

Ich fühle mich hier als Zeuge total unwohl. Mich stören die Medien, ich fühle mich überfordert. Ich habe Angst vor Wilfried W., vor so einem Menschen muss man Angst haben.

9.31 Uhr: Der Zeuge ist inzwischen vorgeführt worden. Er hatte große Angst, hier vor Gericht zu erscheinen. Der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus versucht ihm die Angst zu nehmen. Er sitzt zur Zeit in U-Haft in der Justizvollzugsanstalt in Bielefeld. Vorher, vor ungefähr drei Monaten, war er in Detmold in der JVA. Dort lernte er Wilfried W. kennen. Er war alleine auf der Zelle, und da hat er Wilfried kennengelernt.

Zeuge: Wir waren gemeinsam in der Küche und haben zusammen gekocht. Ich erzählte meiner Mutter von diesem Erlebnis. Mein Bruder sagte, ich solle mich von diesem Menschen fernhalten.

Vors. Richter: Sie haben zu Protokoll gegeben: Wir haben uns unterhalten, wir haben gekocht. Wir standen in der Küche und ich unterhielt mich mit Wilfried.

Zeuge: Er erzählte mir, dass er zwei Frauenleichen zusammen mit Angelika zerstückelt hat.

Der Zeuge will sich ansonsten nicht erinnern. Der Richter versucht, ihm etwas zu entlocken.

Richter: Sie haben von Wilfried erfahren, dass er unschuldig ist, dass er in Therapie kommt, dass er freigesprochen wird.

9.29 Uhr: In einem Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter von Wilfried W., Professor Michael Osterheider, haben wir soeben erfahren, dass sein Gutachten über den Angeklagten nun dem Gericht in schriftlicher Form vorliegt. Mit Spannung wird erwartet, wie er den Angeklagten einschätzt.

In seinem ersten Gutachten, bei dem Wilfrid W. keine Auskunft zu seiner Person und sonstigen Sachverhalten gegeben hat, hatte der Gutachter dem Angeklagten volle Zurechnungsfähigkeit bescheinigt.

9.18 Uhr: Die Sitzung ist eröffnet. Gehört wird ein Zeuge, der mit Wilfried W. wenige Tage gemeinsam in der Zelle saß. Ein Ermittlungsbeamter der Mordkommission Bielefeld hatte vor einigen Wochen bereits erzählt, dass dieser Zeuge vor Wilfried Angst hatte und verlegt werden wollte. Er soll, wie zu hören ist, wegen mutmaßlicher Brandstiftung in Untersuchungshaft sitzen.

Die beiden Angeklagten, Angelika (3. v. li.) und Wilfried W., beraten sich mit ihren jeweiligen Anwälten, Detlev Binder (2. v. li) und Peter Wüller (4. v. li.).
Die beiden Angeklagten, Angelika (3. v. li.) und Wilfried W., beraten sich mit ihren jeweiligen Anwälten, Detlev Binder (2. v. li) und Peter Wüller (4. v. li.).  © Jürgen Mahncke

Titelfoto: DPA