Dieser Künstler will nicht mehr "Wir sind das Volk" singen

Niemann mit seiner neuen Band 108 Fahrenheit.
Niemann mit seiner neuen Band 108 Fahrenheit.  © Markus Weinberg

Dresden/leipzig - Kai Niemann (38) hat bewegte Jahre hinter sich. Heute geht der Mann, der mit dem Hit "Im Osten" bekannt wurde, neue Wege.

Nicht ganz freiwillig, nachdem sein Liedgut von rechten Gruppen vereinnahmt wurde. 

Ab und an wird der Leipziger Songwriter noch auf den Erfolg seines Hits "Im Osten" von 2001 angesprochen. Anknüpfen an den Erfolg konnte er nie.

"Ich habe mit dem plötzlichen Erfolg alle Klischees erfüllt", sagt er heute selbstkritisch. Er war viel im Fernsehen, erhielt hohe Gagen.

Schon bald habe er feststellen müssen, dass er "vollkommen naiv einen schlechten Künstlervertrag" unterzeichnet habe. Noch dazu habe ihn sein Management um hohe Gagen betrogen.

Als nach 13 Jahren die Beziehung zerbrach, war erst mal Schluss mit der Musik.

Musiker Kai Niemann spielt am Abend im Club Puschkin.
Musiker Kai Niemann spielt am Abend im Club Puschkin.

"Ich bin um die Welt gereist und habe mein letztes Geld verbraucht, um dann in Leipzig ein Jurastudium zu beginnen." Kurz vor dem Examen stellte ihm sich die entscheidende Frage: "Anwalt oder Musiker?" Niemann ließ das Examen sausen und entschied sich für die Musik. 

So schrieb er neue Titel, wie z.B. den 2009 erschienenen Song "Wir sind das Volk". Er sagt: "Das Lied sollte eine kritische Bestandsaufnahme 20 Jahre nach dem Mauerfall werden."

Niemann versteht sich politisch links. Eine Steilvorlage für die politische Rechte hat er nicht im Sinn gehabt. Doch genauso kam es Jahre später. "Ich hatte das Lied schon fast vergessen. Dann kamen Anfragen von der AfD, und das Lied wurde auf NPD- und PEGIDA-Veranstaltungen gespielt." 

Und wurde zum YouTube-Hit.

"Hätte ich das geahnt, hätte ich das Lied nicht geschrieben und veröffentlicht. Ich möchte den Idioten nicht Öl ins Feuer gießen."

Niemann versuchte, rechtlich gegen die Vereinnahmung vorzugehen, ließ das Lied bei YouTube löschen. Die Einnahmen für den Song spendete er für die Flüchtlingshilfe.

"Den Künstlernamen Kai Niemann habe ich mittlerweile niedergelegt", sagt er. Mit Musikerfreunden gründete er die Gruppe 108 Fahrenheit.

Am Freitag, 20 Uhr, präsentiert die Band ihr aktuelles Album "Mein Herz" im Dresdner Club Puschkin. Eine Mischung aus deutschem Pop-Rock, Country, Folk und Songwriting, mit einer Portion Banjo-Akustik.