Darf man Patienten einfach ans Bett fesseln?

Zwei Tage haben sich Experten zu dem komplexen Thema beraten. (Symbolbild)
Zwei Tage haben sich Experten zu dem komplexen Thema beraten. (Symbolbild)  © 123RF

Karlsruhe - Nicht nur in den geschlossenen Abteilungen der Psychiatrie werden Patienten manchmal am Bett fixiert. Nun könnte Karlsruhe Vorgaben machen, wer das anordnen darf und wann ein Richter zustimmen muss. Über zwei Verfassungsbeschwerden ist zu entscheiden.

Zwei Tage lang sind Experten zu Wort gekommen. Das Thema ist komplex: Was macht man mit Patienten in der Psychiatrie, die aggressiv oder gar gewalttätig werden, die sich und andere gefährden?

In Deutschland kann ein Patient dann vorübergehend mit Fesseln am Bett fixiert werden. Das wirft nicht nur Rechtsfragen auf. Zwei Betroffene haben Verfassungsbeschwerde erhoben, sie sehen ihr Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt. Sollte jedes Mal ein Richter zustimmen müssen?

Welche Fälle stecken hinter den Verfassungsbeschwerden? Ein stark betrunkener Mann in München wurde acht Stunden lang an Füßen, Händen, Bauch, Brust und Kopf so am Bett fixiert, dass er nicht einmal mehr den Kopf bewegen konnte.

Ein Mann in Baden-Württemberg wurde über mehrere Tage immer wieder zeitweise an fünf Punkten festgebunden. Er hatte mit Gegenständen geworfen.

Viele Betroffene empfinden ihre verlorene Bewegungsfreiheit als erniedrigend. (Symbolbild)
Viele Betroffene empfinden ihre verlorene Bewegungsfreiheit als erniedrigend. (Symbolbild)  © 123RF

Wie groß ist das Problem? Zahlen zur Fixierung gibt es kaum. Allein in Baden-Württemberg waren es 2016 rund 17.600 einzelne Fälle in der Psychiatrie. Nach Angaben einer Fachgesellschaft gibt es pro Jahr in Deutschland mehr als 800.000 stationäre Behandlungen.

Fixierungen spielen aber auch in anderen klinischen Bereichen eine Rolle, etwa wenn Patienten nach Operationen verwirrt sind. Viele Betroffene empfinden den Verlust ihrer Bewegungsfreiheit als erniedrigend, berichteten Experten.

Wie ist die Rechtslage? Für die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie ist ein richterlicher Beschluss erforderlich. Für Fixierungen reicht in den meisten Bundesländern die Anordnung eines Arztes. In einigen Ländern gibt es bereits den sogenannten Richtervorbehalt.

Dort müssen Fixierungen innerhalb kurzer Zeit von einem Richter geprüft werden. Bayern will diese Regelung mit einer Gesetzesnovelle im Sommer einführen.

Die Beschwerdeführer stützen sich auf die Artikel 2 und 104 des Grundgesetzes zur Freiheit der Person. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sprach von der staatlichen Freiheitsentziehung als schwerster Form der Freiheitsbeschränkung. Sie sei nur in besonderen Fällen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Vor allem ging es auch darum, mehr Personal in die Kliniken zu bekommen. (Symbolbild)
Vor allem ging es auch darum, mehr Personal in die Kliniken zu bekommen. (Symbolbild)  © 123RF

Welche Alternativen zur Fixierung gibt es Grundsätzlich versuchen Pfleger und Ärzte in kritischen Situationen mit Patienten zu deeskalieren. Experten aus der psychiatrischen Praxis berichteten, dass die Fixierung nur als letztes Mittel eingesetzt wird, wenn Patienten sich oder andere gefährden und anders nicht zu beruhigen sind.

Bevorzugte Methoden in anderen Ländern, wie körperliches Festhalten in Großbritannien, Isolierung in den Niederlanden oder Zwangsmedikation, werden kontrovers und kritisch beurteilt.

Einig waren sich die Fachleute, darunter die Leiter mehrerer psychiatrischer Kliniken, darin, dass mehr Personal das Problem verringern könnte.

Was könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden? Karlsruhe könnte verlangen, dass Fixierungen in Notfällen zwar weiterhin von Ärzten angeordnet werden dürfen, ein Richter aber innerhalb einer bestimmten Zeit eingeschaltet werden muss.

Mehrere Richter berichteten über Probleme, in den Nachtstunden Bereitschaftsrichter vorzuhalten.

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