Knast mal komisch - die schrägsten Geschichten hinter Gittern

Dresden - Der Alltag hinter Gefängnismauern ist für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln - eine verschlossene Welt für sich. Jetzt erzählt ein pensionierter Waldheimer Gefängnisdirektor erstmals die skurrilsten Geschichten aus seiner 37-jährigen Amtszeit in mehreren sächsischen Vollzugsanstalten. Auch sein Amtskollege aus Zeithain zieht vom Leder - brandmarkt den Alltag hinter Gittern jedoch als "lebensfeindliches Klima“. Zwei Knast-Direktoren mit spannenden Sichtweisen.

"Jungfräuliche“ Geburt 

Ein Häftling hat das Recht, zweimal im Monat für zwei Stunden Besuch zu empfangen. "In der JVA Dresden konnte er dabei durch ein schmales Fenster in der Tür des Besuchsraums kontrolliert werden“, sagt Herden. Eines Tages wurde er angerufen und gefragt, ob er einem Häftling nicht Sonderausgang für die Geburt seines Kindes genehmigen könne. "Ich wunderte mich, weil der Mann wegen Mordes seit zehn Jahren ununterbrochen einsaß.“ Dann stellte sich heraus: Der Häftling hatte die Besuchszeit für den einen oder anderen Quickie genutzt, bis seine neue Freundin schwanger war. "Er hatte die Frau erst in der Haftzeit über eine Zeitungsanzeige kennengelernt.“

 
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Mülltrennung 

Die Stadt Waldheim drohte dem Gefängnis ein Bußgeld in Höhe von 100.000 Euro an, wenn nicht endlich der Müll getrennt würde. Herden stellte daraufhin einen Häftling dafür ab, den Müll aus allen Bereichen zu sortieren. „Eines Tages kam der Mann zu mir und erzählte, dass im Müll von Station IV viel Erde sei“, erinnert sich Herden. Eine Kontrolle ergab: Häftlinge hatte sich unter den Parkettdielen ein Versteck für Alkohol und Handys gegraben und die herausgekratzte Erde unbedarft im Müll entsorgt.

 
 

Rache-Tattoo 

"Ein Verräter und Anschwärzer wird hinter Gittern ‚Ausbläser‘ genannt“, erklärt Herden. Manchmal fliegt er bei Gefangenen auf, ohne dass die es ihn merken lassen. "Ein solcher ‚Ausbläser’ wollte sich von Zellenkumpanen einen Adler auf den Rücken tätowieren lassen“, erzählt Herden. Für die war das genau der richtige Zeitpunkt, sich für den Geheimnisverrat zu rächen. "Während er auf der Pritsche lag, stachen sie ihm seelenruhig ein Tattoo einer Schüssel kochend-dampfender Klöße in den Rücken...“

 
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Kein Schlüssel zum Glück 

In Waldheim wunderten sich die Vollzugsbeamten, weil häufig Alarm an der Schlüsselanlage ausbrach. Kontrollen ergaben nichts. Die Anlage war neu, sodass die Störungen als Kinderkrankheit und blinder Alarm abgetan wurden. Bis sich herausstellte, dass ein russischer Gefangener aus den Griffen eines Essensbehälters zwei Nachschlüssel angefertigt hatte. Als er mehrfach testen wollte, ob seine Nachschlüssel schon schlossen, gab es immer Alarm. Bei Durchsuchungen der Zelle fand man jedoch keine Schlüssel, bis das verurteilte Mitglied einer Diebesbande zugab, sie im Gefängnishof vergraben zu haben. Herden: "Der Mann konnte die Schlüssel maßstabsgerecht aus dem Gedächtnis aufzeichnen, verlangte von mir sogar Millimeterpapier dafür. Wir tauschten sofort alle Schlösser aus.“

Aus Sicherheitsgründen wurde der Russe in die JVA Chemnitz verlegt - bis der Direktor bei Herden anrief: "Wen hast Du mir denn da geschickt? Der Mann hat unsere Schlüssel nachgemacht...“

Aquarianer 

Als neuer Anstaltsleiter in Waldheim wunderte sich Herden, warum in vielen Zellen bestens gepflegte Aquarien standen. Er beobachtete die engagierten Aquanauten lange, bis er bemerkte: Die Häftlinge nutzen die Kupferrohre und Elektromotoren zum Schnapsbrennen. Herden machte daraufhin einen Raum für die Fisch-Freunde frei, in dem sie gemeinsam ihrem "Hobby“ frönen sollten. "Doch damit war die aufopferungsvolle Liebe zu Fischen plötzlich vorbei.“ So konnte Herden quasi einen Sumpf trockenlegen.

 
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Rockig-flockig 

"Einmal kam ein Vollzugsbeamter zu mir, wollte Hals über Kopf kündigen.“ Seine Begründung: Ich werde im Dienst von Frauen sexuell belästigt! Herden wunderte sich. Er war schließlich Chef des Waldheimer Männergefängnisses! Bis er an einem Besuchstag einmal selbst den Einlassdienst übernahm. "Kaum waren die Besucherinnen für die Häftlinge im Objekt, rissen sie vor den Bediensteten plötzlich die Röcke hoch.“ Herden blickte auf rasiertes Fleisch: "Sie hatten keine Slips drunter...“

 
 

Dachschaden 

Als Kinderschänder Mario Mederake im November 2014 mehr als 20 Stunden auf dem Dach der JVA Dresden herumturnte, war Herden Vize-Chef. "Mederake war Bergsteiger, sprang von Fenster zu Fenster, um aufs Dach zu kommen.“ Nach dem Fiasko wurde das gesamte Sicherheitskonzept umgestülpt, zum Beispiel zusätzliche Metallabweiser als Hindernisse am Haus angebracht. "Als ich Mederake eines Tages über den Hof begleitete, schaute er nur verächtlich auf die neuen Sicherheitsvorkehrungen und ulkte: ‚Neues Sicherheitskonzept, Herr Herden? Da käme ich trotzdem noch hoch. Es würde nur etwas länger dauern...‘“

 
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Netter Knacker 

1987 verlor Herdens Chef in der Vollzugsanstalt Görlitz den Schlüssel zum Tresor - ein alter Franz-Jäger-Safe, wie er aus Egon-Olsen-Filmen bekannt war. Herden erinnerte sich, dass gerade ein Geldschrankknacker in Görlitz "eingefahren“ war. Den durfte er nach langer Diskussion mit seinem Chef um Hilfe bitten. Der Panzerknacker stellte eine Liste von benötigten Werkzeugen zusammen und eine Bedingung: "Sie müssen sich umdrehen, wenn ich den Panzerschrank öffne.“ Herden willigte ein, hörte nur ein Klicken und Knacken - dann war der Safe mit geheimen Verschlusssachen auf. Als Herden den Häftling wieder in seine Zelle brachte, mahnte der: "Sie müssen sich wirklich mal was Moderneres zulegen!“ 

 
 

Peep-Show

Die Görlitzer Haftanstalt liegt in einer Senke, ist von Mietshäusern umgeben. Man kann sich gegenseitig in die Fenster gucken. Meist waren die Häftlinge ruhig. Doch eines Tages rief ein direkter Nachbar der JVA empört wegen lauter Tumulte bei Herden an. Der erkannte den Anrufer als Anwohner und offenbarte ihm ein Geheimnis: "Schuld am Krawall ist ihre 16-jährige Tochter! Sie zieht sich gerade am Fenster aus und lässt sich von den Häftlingen feiern.“ Der Vater am anderen Ende der Leitung wurde plötzlich still und wusste, was er zu tun hatte. Seit diesem Telefonat blieb die Gardine vorm Fenster zu, und im Knast ging es wieder ruhig und gesittet zu.

 
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Post vom Ausbrecher 

1998 wollten vier rumänische Gefangene mit Hilfe einer Kralle aus gebogenem Metall, Klebeband und Betttüchern aus der JVA Waldheim türmen. Drei schafften es. "Nach Wochen erhielt ich eine Ansichtskarte vom Schwarzen Meer, auf der sich einer der Getürmten für den netten Aufenthalt bei mir freundlich bedankte“, erzählt Herden. "Machen Sie weiter so‘, schrieb er mir.“ Zwei Jahre später wurde genau dieser Mann bei einer Großrazzia in Plauen wieder festgenommen und kam erneut nach Waldheim. Herden: "Da bot sich mir dann die Gelegenheit, mich für die nette Ansichtskarte zu bedanken...“

 
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Keine Gegner 

Die Gefangenen von Waldheim waren anfangs gern als Gegner bei Tischtennis- und Volleyballturnieren in Schulen und bei Vereinen der Umgebung gesehen. "Meine Häftlinge hatten hinter Gittern schließlich viel Zeit, um regelmäßig ausgiebig zu üben.“ Doch weil Herdens "Knastis“ am Ende so perfekt waren und immer alle Spiele gewannen, blieben die Einladungen zu Turnieren schließlich aus. 

Titelfoto: 123RF