Der Abstieg des Leipziger Society-Anwalts Ulrich Keßler

Leipzig - Er war Leipziger FDP-Chef, trat 2005 gegen Wolfgang Tiefensee (63, SPD) als OB-Kandidat an und gehörte als Anwalt und Investor zur High Society der Messestadt: Dr. Ulrich Keßler (56). Dann kam der Absturz mit hohen Schulden und Strafverfahren. Vor dem Landgericht sollte sich der gebürtige Saarländer am Donnerstag wegen Untreue verantworten.

Ulrich Keßler posiert 2005 vor seinem Wahlplakat. Im OB-Wahlkampf hatte er damals gegen Wolfgang Tiefensee (SPD) keine Chance, holte nur 2,4 Prozent der Wählerstimmen.
Ulrich Keßler posiert 2005 vor seinem Wahlplakat. Im OB-Wahlkampf hatte er damals gegen Wolfgang Tiefensee (SPD) keine Chance, holte nur 2,4 Prozent der Wählerstimmen.  © Ullstein

Es geht um knapp 70.000 Euro, die Keßler im Auftrag zweier Firmen 2008 treuhänderisch verwalten sollte. Doch das Geld verschwand spurlos vom Treuhandkonto des Rechtsanwalts. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll es der damals schon hoch verschuldete Jurist auf diverse Konten transferiert, möglicherweise damit persönliche Schulden getilgt haben.

Gern hätten es sich die Richter der 5. Strafkammer vom Angeklagten selbst erklären lassen. Doch auch beim dritten Prozessversuch blieb Keßlers Platz leer. Stattdessen traf erneut ein ärztliches Last-Minute-Attest bei Gericht ein, das dem heute in Offenbach lebenden Mann Verhandlungsunfähigkeit bescheinigte. Mit Brechdurchfall und Depressionen ließ sich Keßler am Donnerstag in eine Klinik einweisen.

Für die Justiz ein Déjà-vu. Denn schon 2014 begab sich Keßler unmittelbar vor Prozessbeginn in eine Klinik. Als ihm 2011 der Prozess gemacht werden sollte, war der einstige Porsche-Fahrer, der heute Hartz IV bezieht, unauffindbar.

Hochaktiv ist der kränkelnde Ex-Politiker dagegen im Netz. "Der hybride Rechtsstaat“ heißt sein Blog, in dem Keßler wortreich gegen die Behörden des Freistaats zu Felde zieht, die er für seinen Absturz verantwortlich macht. Demnächst soll die Abrechnung auch in Buchform erscheinen. Das Gericht will den Gesundheitszustand Keßlers nun amtlich überprüfen lassen. Denn in wenigen Monaten verjährt der Untreue-Vorwurf.

Gericht, Staatsanwältin und Verteidiger warteten am Donnerstag vergeblich auf den Angeklagten Keßler. Der einstige Rechtsanwalt meldete sich erneut krank.
Gericht, Staatsanwältin und Verteidiger warteten am Donnerstag vergeblich auf den Angeklagten Keßler. Der einstige Rechtsanwalt meldete sich erneut krank.  © Ralf Seegers

Titelfoto: Ullstein