Das jüngste Opfer war erst drei: Busfahrer missbraucht jahrelang behinderte Kinder

Saarbrücken - Auf eine langwierige Urteilsbegründung wollte der Vorsitzende Richter am Landgericht Saarbrücken verzichten: "Die Taten sprechen für sich", bilanzierte Andreas Lauer. Die Kammer hat einen 71-Jährigen am Mittwoch zu zwölf Jahren Haft verurteilt - wegen schweren sexuellen Missbrauchs von behinderten Kindern in rund 77 Fällen, fünf Vergewaltigungen und einer sexuellen Nötigung mit Körperverletzung.

Der heute 71-Jährige hatte seine Opfer als Kleinbusfahrer zu einem integrativen Kindergarten gefahren (Symbolbild).
Der heute 71-Jährige hatte seine Opfer als Kleinbusfahrer zu einem integrativen Kindergarten gefahren (Symbolbild).  © 123RF/macor

Vor Strafende wird überprüft, ob sich noch eine Sicherungsverwahrung anschließt. Weil sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichteten, ist das Urteil rechtskräftig.

Das Gericht ging mit seinem Urteil über die Anträge der Staatsanwaltschaft und Nebenklage hinaus, die elf Jahre unter Vorbehalt der Sicherungsverwahrung gefordert hatten. Die Verteidigung hatte eine Strafe "weit unter zehn Jahren" ohne Sicherungsverwahrung beantragt. Der Rentner war geständig und hatte sich in seinem Schlusswort entschuldigt.

Das jüngste der vier Opfer war zu Tatbeginn erst drei Jahre alt. In Kontakt war der Rentner mit ihnen gekommen, weil er sie als Kleinbusfahrer zu einem integrativen Kindergarten brachte. Immer wieder, über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren, soll er die Mädchen bei sich zuhause zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Wegen ihrer Behinderung waren die Kinder nicht in der Lage, gegen den Mann auszusagen.

Nach Ansicht des Richters waren die Taten "fast ausnahmslos mit einer besonderen Herabwürdigung" der Opfer verbunden. Dabei hatte sich der Angeklagte selbst fotografiert und gefilmt.

Die Fälle, die vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschildert und auch gezeigt wurden, waren vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Polizeibeamte waren bei einer Auswertung des Materials auf rund 180 konkrete Taten gekommen. Wegen des Umfangs und der zeitlichen Vorgaben hatten die Datenmengen laut Richter nur zur Hälfte in der Anklage berücksichtigt werden können.

Die Taten seien seiner Ansicht nach von großer Rücksichtslosigkeit geprägt: "Sie sind völlig unbeeindruckt von dem Leid der Kinder nur ihren eigenen Bedürfnisse und sexuellen Wünschen nachgegangen", sagte er.

Angeklagter wurde immer "routinierter"

Der Prozess fand am Landgericht in Saarbrücken statt.
Der Prozess fand am Landgericht in Saarbrücken statt.  © dpa/Oliver Dietze

Nach Ansicht der Vertreterin der Nebenklage, Kerstin Notar, habe der Angeklagte das Vertrauen und die psychischen Lage der Kinder ausgenutzt. "Er ist manipulativ vorgegangen und hat ihnen lebenslangen Schaden zugefügt."

Eine Gutachterin hatte dem Mann eine narzisstisch orientierte Persönlichkeit bescheinigt. Nach außen wollte er das Bild eines überkorrekten, verantwortungsbewussten Mannes aufrechthalten. Gleichzeitig hatte er über Jahre eine außereheliche sexuelle Beziehung, besuchte Peepshows und konsumierte pornografische Filme.

Im Zuge nachlassender Potenz und durch Zeit und Gelegenheit habe er seine "pädophile Nebenströmung" ausgelebt. Bei den Taten habe es eine deutliche Intensivierung gegeben. "Er ging immer routinierter vor, seine Methodik wurde immer ausgefeilter und immer zielgerichteter." Dies sei negativ für seine Prognose zu sehen.

Auch sei seine narzisstische Persönlichkeitsstruktur dazu geeignet, eigene Bedürfnisse zu priorisieren und durchzusetzen; dies könne zu einer Rückfallgefahr beitragen. Verteidigerin Eva Furtwängler sagte der dpa, eine Sicherungsverwahrung sei ihrer Ansicht nach nicht mehr erforderlich.

Ihr Mandant habe gezeigt, dass es jetzt keine Heimlichkeiten mehr gäbe und er seiner Familie alles erzählt habe "in der kompletten Ekeligkeit". Über die Situation des Mannes hatte sie am letzten Prozesstag gesagt: "Tiefer kann man nicht sinken im Ansehen einer Gesellschaft, da ist man einfach unten durch."

Staatsanwaltschaft und Nebenklage zeigten sich zufrieden mit dem Ende des Prozesses: "Ein beeindruckendes Urteil", kommentierte Ursula Trappe, die die Eltern von Mädchen vertrat.

Titelfoto: 123RF/macor