Sächsischer Schrottplatz: Hier wird beim Junggesellen-Abschied Dampf abgelassen

Krostitz - Krachend zersplittert die Heckscheibe in tausend Stücke, ein Fünf-Kilo-Hammer knallt auf die Motorhaube, und mit einem gezielten Karate-Tritt fliegt auch der erste Außenspiegel weg. Mit roher Gewalt machen sich acht junge Männer über einen Opel Vectra her, kurze Zeit später muss auch ein Alfa Romeo dran glauben. Wer jetzt gleich an kriminellen Vandalismus denkt, täuscht sich gewaltig: die Zwickauer Boy-Group hat für dieses rabiate Vergnügen bezahlt, feiert ganz legal einen zünftigen Junggesellen-Abschied.

Diese beiden Autos sind eigentlich für die Schrottpresse vorgesehen, die Flüssigkeiten sind abgepumpt. Doch gleich beginnt ein irres Schauspiel.
Diese beiden Autos sind eigentlich für die Schrottpresse vorgesehen, die Flüssigkeiten sind abgepumpt. Doch gleich beginnt ein irres Schauspiel.  © Ralf Seegers

"Eins müsst ihr mir versprechen", sagt Michael Meinel bei der kurzen Einführung: "Legt die Autos bitte nicht auf die Seite oder aufs Dach!" Denn das ist dann doch zu gefährlich. "Aber sonst", so der Chef einer großen Auto-Recycling-Firma, "dürft ihr damit alles machen. Viel Spaß!"

Und den haben die meisten. Bereits seit einigen Jahren bietet der Gutschein-Verkäufer Jochen Schweizer das Erlebnis "Auto zertrümmern" an - und der einzige Partner in Ostdeutschland ist die LRP-Autorecycling GmbH in Krostitz (nördlich von Leipzig). Bis zu fünf Personen dürfen sich da für 149 Euro eine Stunde lang an einem Auto auslassen.

Die Haudraufs aus Zwickau haben sich gleich mal zwei Karossen hinstellen lassen. Der erste Schlag gebührt natürlich dem Herren im weißen T-Shirt: Markus, der Bräutigam in spe, stellt sich auf das Opeldach und holt kräftig aus. Sofort hat die Frontscheibe ein Spinnennetz-Muster und ein kleines Loch. Nur mit Mühe bekommt er den Fünf-Kilo-Hammer wieder heraus.

Unter freudigem Gejohle greift nun seine Trauergemeinde - für den "Abschied" alle in Schwarz gekleidet - nach Schutzbrille, Handschuhen und Hämmern. Die Männer - alle zwischen 20 und 30 - stehen fest und seriös im Berufsleben, alle in technischen Berufen. Doch plötzlich verhalten sie sich wild und ausgelassen wie die Pubertiere.

Michael Meinel (li.) gibt dem Junggesellen und seiner Trauergemeinde noch letzte Sicherheitshinweise: Nicht mehr als zwei Leute an ein Auto!
Michael Meinel (li.) gibt dem Junggesellen und seiner Trauergemeinde noch letzte Sicherheitshinweise: Nicht mehr als zwei Leute an ein Auto!  © Ralf Seegers

"Da kann man sich jede Therapie sparen", ruft Jörn begeistert. Wahrscheinlich auch das Fitnessstudio. Denn nachdem er die Stoßstange endlich abgeschlagen hat, muss er erst mal pumpen: "Zehn Schläge, und du bist platt!"

Anerkennend verweist er auf die Standhaftigkeit des Autos: "Was wir hier für Energie aufwenden und kaum Wirkung erzielen... Da sieht man mal, was für Kräfte bei einem Unfall wirken!"

Inzwischen entdeckten die vergnügten Zerstörer, dass sich auch im Motorraum einige Sachen recht effektvoll zertrümmern lassen. Mirko, sonst als Kfz-Mechaniker um das Zusammenschrauben bemüht, hat gerade die Nockenwelle freigelegt. Mit leuchtenden Augen präsentiert er seine Beute: "Da träumt man schon als kleiner Junge davon, einfach mal ohne Sinn und Verstand auf was drauf zu kloppen!"

Zwischen 20 und 30 Gruppen im Jahr gönnen sich diese gewaltbetonte Action. Einige reisen gar aus Franken oder Berlin an. Außer ein paar Kratzern ist auch noch nichts Schlimmes passiert. Während Männer vornehmlich den Ehrgeiz besitzen, der Schrottpresse richtige Konkurrenz zu machen, widmen sich die Damen auch den Polstersitzen, die sie mit Cutter-Messern auseinander pflücken.

Nach einer dreiviertel Stunde hat die Wucht der Schläge längst nachgelassen. Der hämmernde Freundeskreis aus Zwickau hat nach seiner Crash-Test-Serie klatschnasse Shirts. Sollte es vorher irgendwelchen Ärger oder Aggressionen gegeben haben, sind die nach dieser Gruppentherapie verflogen. Als Nächstes steht im Programm des Junggesellen-Abschiedes Wildwasser-Rafting. Das verspricht Abkühlung.

Autos zertrümmern ist eine schweißtreibende Arbeit, für die man auch noch bezahlen muss. Doch sie bringt auch Glücksgefühle: Mirko präsentiert stolz die freigelegte Nockenwelle.
Autos zertrümmern ist eine schweißtreibende Arbeit, für die man auch noch bezahlen muss. Doch sie bringt auch Glücksgefühle: Mirko präsentiert stolz die freigelegte Nockenwelle.  © Ralf Seegers
Ein ritterlicher Held und sein ehrenhafter Kampf gegen eine Alfa-Romeo-Tür: Man glaubt gar nicht, wie stabil alles verarbeitet ist.
Ein ritterlicher Held und sein ehrenhafter Kampf gegen eine Alfa-Romeo-Tür: Man glaubt gar nicht, wie stabil alles verarbeitet ist.  © Ralf Seegers
Falls jemand vorher noch Aggressionen hatte: Nach dieser "Therapie" glaubt man wirklich, man hat etwas geleistet.
Falls jemand vorher noch Aggressionen hatte: Nach dieser "Therapie" glaubt man wirklich, man hat etwas geleistet.  © Ralf Seegers
Nach knapp einer Stunde müssen auch acht starke Kerle aus Zwickau feststellen: Die Schrottpresse hätte den Job wohl besser gemacht.
Nach knapp einer Stunde müssen auch acht starke Kerle aus Zwickau feststellen: Die Schrottpresse hätte den Job wohl besser gemacht.  © Ralf Seegers