Leere Kaufhalle lässt diese Rentnerinnen verzweifeln

Die Seniorinnen Erika Bauermann, Gabriele Roy und Kerstin Rost (v.l.) hoffen auf eine neue Einkaufsmöglichkeit vor ihrer Haustür.
Die Seniorinnen Erika Bauermann, Gabriele Roy und Kerstin Rost (v.l.) hoffen auf eine neue Einkaufsmöglichkeit vor ihrer Haustür.  © David Hagenbäumer

Leipzig - Früher bot die "Lange Lene" im Leipziger Stadtteil Probstheida seinen Bewohnern eine Einkaufsmöglichkeit direkt vor der Haustür: Die Kaufhalle in der Lene-Voigt-Straße 1. Doch seit Ende April ist der Supermarkt dicht und die älteren Bewohner sind verzweifelt.

Denn ein großer Teil der über 1500 Mieter sind Senioren. Viele von ihnen sind aufgrund ihres Alters oder von Krankheiten nicht mehr gut zu Fuß.

Jetzt bleibt den Bewohnern der "Langen Lene" nichts anderes übrig, als den beschwerlichen Weg zum nächstgelegenen Supermarkt auf sich zu nehmen - rund einen halben Kilometer, über die viel befahrene Prager Straße.

"Sie müssten mal sehen, wie die Leute den Weg zu REWE zu Fuß bewältigen müssen. Das ist ein Trauerspiel sowas zu sehen", beschreibt Gabriele Roy (77) das Drama. Sie wohnt seit 24 Jahren in der "Langen Lene" und fühlt sich dort eigentlich pudelwohl.

Doch seitdem es die Einkaufsmöglichkeit vor ihrer Haustür nicht mehr gibt, muss die gehbehinderte Rentnerin mit ihrem Rollator die Prager Straße überqueren, um ihren Kühlschrank wieder zu füllen.

Die leerstehende Kaufhalle in der Lene-Voigt-Straße 1 ist nur wenige Meter vom Wohnblock entfernt. Hier kauften die Rentnerinnen bis zuletzt ein.
Die leerstehende Kaufhalle in der Lene-Voigt-Straße 1 ist nur wenige Meter vom Wohnblock entfernt. Hier kauften die Rentnerinnen bis zuletzt ein.  © David Hagenbäumer

Dabei existierte die Kaufhalle solange wie der Plattenbau selbst - seit 1968. Zuletzt wurde dort ein Markant-Markt betrieben. Ende April war Schluss, die 63-jährige Betreibern warf das Handtuch.

Die Anwohner erfuhren, dass der Markt seit Januar nur noch rote Zahlen schrieb. Seitdem steht das Gebäude leer.

"Mir sind wirklich die Tränen gekommen, wo die zugemacht haben, weil das ein Stück leben von uns ist", beschreibt Erika Bauermann (86) die Situation. Sie zog vor sechs Jahren in eine der altersgerechten Wohnungen in dem berühmten Plattenbau.

Seit zwei Jahren ist die 86-Jährige auf einen Rollator angewiesen. Sie hat das Glück, dass ihr Sohn ebenfalls in der "Langen Lene" wohnt und versprochen hat, beim Einkaufen zu helfen.

Doch Erika Bauermann weiß, dass andere Bewohner es nicht so gut haben: "Mir ist es so gegangen, dass ich vom Einkaufen gekommen bin und sah, wie zwei bis drei alte Leute mit schweren Taschen alle fünf Minuten stehenblieben."

Erst kürzlich hörten die Rentnerinnen sogar, dass eine 79-jährige Bewohnerin auf ihrem Weg zum Supermarkt ausgeraubt und zusammengeschlagen worden sein soll - an einem Samstagvormittag.

Seit Ende April steht die Kaufhalle leer. Mittlerweile wurden alle Werbeschilder abmontiert, Unbekannte besprühten das Gebäude.
Seit Ende April steht die Kaufhalle leer. Mittlerweile wurden alle Werbeschilder abmontiert, Unbekannte besprühten das Gebäude.  © David Hagenbäumer

Mit dieser Situation wollen sie sich nicht abfinden. Gemeinsam mit ihrer Freundin Kerstin Rost (63), die seit sechs Jahren in der "Langen Lene" wohnt, suchen sie nach einer Lösung.

Rost schrieb Briefe an die Stadtverwaltung, um auf die dramatischen Folgen der Kaufhallen-Schließung aufmerksam zu machen. Doch die Stadt kann an der Situation nur wenig ändern, da sich die Immobilie in Privatbesitz befindet.

Auf Anfrage von TAG24 schildert das Stadtplanungsamt das Problem: "Es wurde mit mehreren möglichen Betreibern gesprochen. Die Innenlage im Wohnquartier, die geringe Ladenfläche und der erwartet sehr geringe Umsatz des Standortes waren aber bisher ausschlaggebend dafür, dass durch den Eigentümer kein Nachmieter gefunden werden konnte."

Dieser habe aber Interesse an einer Neuvermietung, versichert das Stadtplanungsamt. Man habe sowohl Kontakt zu ihm als auch zum Eigentümer des Wohnblocks, der LWB, aufgenommen.

Während die alte Kaufhalle weiter leer steht, könnte an der Chemnitzer Straße, etwa 300 Meter entfernt, ein neuer Markt entstehen. Auf dem ehemaligen Gelände der Psychiatrie in Dösen an der Paul-Flechsig-Straße soll laut Stadtplanungsamt in den kommenden Jahren ein Wohngebiet entstehen.

Dabei werde auch die Errichtung eines Nahversorgungsmarktes im Eingangsbereich geprüft, heißt es.

Die "Lange Lene" war der längste sogenannte Mittelgang-Plattenbau der DDR. Heute leben in den 800 Wohnungen viele ältere Menschen.
Die "Lange Lene" war der längste sogenannte Mittelgang-Plattenbau der DDR. Heute leben in den 800 Wohnungen viele ältere Menschen.  © DPA