Brutaler Drogenkrieg: Kapituliert der Staat auf Leipziger Eisenbahnstraße?

Leipzig - Vor mehr als sechs Monaten kündigte der damalige Innenminister Markus Ulbig (CDU) an, auf der Leipziger Eisenbahnstraße Sachsens erste Waffenverbotszone zu errichten und massiv gegen die Straßenkriminalität vorgehen zu wollen. Bis heute wurde die Ankündigung nicht umgesetzt, statt dessen fliegen wieder Kugeln.

Die Maschinenpistole im Anschlag stehen die Polizisten auf dem Problemkiez, während ihre Kollegen in Zockerbuden und Shisha-Bars nach Drogen und illegalen Spielgeräten suchen.
Die Maschinenpistole im Anschlag stehen die Polizisten auf dem Problemkiez, während ihre Kollegen in Zockerbuden und Shisha-Bars nach Drogen und illegalen Spielgeräten suchen.  © A. Bischoff

Diesmal erwischte es einen Tunesier (23), der Montagnacht bei einer Auseinandersetzung an Sachsens gefährlichster Straße angeschossen und lebensgefährlich verletzt wurde (TAG24 berichtete). Er gehörte mutmaßlich zu einer der Gruppen, die gegen 22.30 Uhr in der Nähe des Basketballplatzes aneinander geraten waren.

Nach Zeugenaussagen traktierten sich mehrere Männer zunächst mit Fäusten, dann wurden Messer gezogen und schließlich fielen Schüsse. Der Tunesier liegt seither unter Polizeibewachung auf der Intensivstation einer Leipziger Klinik. Ob er überleben wird, ist unklar. Schon am vergangenen Donnerstag musste die Polizei ganz in der Nähe zu einer Schießerei ausrücken (TAG24 berichtete).

Die Kripo vermutet den Hintergrund der Auseinandersetzung im Drogenmilieu. Seit Wochen schon soll es rund um die Eisenbahnstraße einen brutalen Verdrängungswettbewerb im Bereich des Crystal- und Marihuanahandels geben. Wie TAG24 aus Ermittlerkreisen erfuhr, legen sich nordafrikanische Dealerbanden immer häufiger mit türkisch-kurdischen Clans an, die auf der Eisenbahnstraße bislang das Sagen hatten.

Worte, denen bisher keine Taten folgten: Am 2. November 2017 verkündeten OB Burkhard Jung (SPD, li.) und der damalige Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Einrichtung einer Waffenverbotszone auf dem Leipziger Eisenbahnstraßen-Kiez.
Worte, denen bisher keine Taten folgten: Am 2. November 2017 verkündeten OB Burkhard Jung (SPD, li.) und der damalige Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Einrichtung einer Waffenverbotszone auf dem Leipziger Eisenbahnstraßen-Kiez.  © Ralf Seegers

Schon im Zuge der Ermittlungen zum Doppelmord an einem tunesischen Ehepaar im Juli 2016 war aktenkundig geworden, dass in den Reko-Häusern nördlich der Eisenbahnstraße zahlreiche neu zugewanderte Nordafrikaner campieren und ihren Lebensunterhalt mit Drogenhandel oder Schwarzarbeit bestreiten.

Wie der zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilte Doppelmörder Faouzi A. (38) jobbten viele dieser illegalen Einwanderer damals für türkische und kurdische Gruppierungen. "Die Nordafrikaner wollen jetzt auf eigene Rechnung arbeiten", meint ein Szenekenner.

Mit einer Waffenverbotszone, die jederzeit verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen würde, wollten Innenministerium und Stadt eigentlich den Kiez sicherer machen und gegen die Straßenkriminalität ankämpfen. Doch die von Ex-Minister Ulbig und Leipzigs OB Burkhard Jung (SPD) nach einem Krisengespräch im November 2017 für Januar angekündigte Verordnung lässt noch immer auf sich warten.

Auf Anfrage von TAG24 erklärte das Sächsische Innenministerium am Dienstag: "Auf Grundlage der ,Sächsischen Waffengesetzdurchführungsverordnung‘ kann auf der Eisenbahnstraße in Leipzig grundsätzlich eine Waffenverbotszone eingerichtet werden. Aktuell ist dies - wegen noch laufender Abstimmungen zwischen den beteiligten Behörden - noch nicht geschehen. Insofern konnten auf dieser rechtlichen Grundlage auch noch keine Kontrollen stattfinden."

Was die Abstimmung zwischen Innenministerium und Stadtverwaltung so kompliziert und langatmig macht, war am Dienstag nicht zu erfahren.

Nachts ist die Eisenbahnstraße ein gefährliches Pflaster. Die Auseinandersetzungen im Drogenmilieu werden immer gewalttätiger.
Nachts ist die Eisenbahnstraße ein gefährliches Pflaster. Die Auseinandersetzungen im Drogenmilieu werden immer gewalttätiger.  © Ralf Seegers
Vermummte Polizisten patroullieren auf der Eisenbahnstraße - zur Absicherung einer Razzia.
Vermummte Polizisten patroullieren auf der Eisenbahnstraße - zur Absicherung einer Razzia.  © A. Bischoff

Titelfoto: A. Bischoff