Bestes Werk Europas: Abschied von Leipziger Porsche-Chef Siegfried Bülow

Von Barkas zu Porsche: Siegfried Bülow (65) schrieb als Manager im sächsischen Automobilbau Geschichte. Jetzt ist er in Rente gegangen.
Von Barkas zu Porsche: Siegfried Bülow (65) schrieb als Manager im sächsischen Automobilbau Geschichte. Jetzt ist er in Rente gegangen.  © Ralf Seegers

Leipzig - Nach 17 Jahren an der Spitze geht der Leipziger Porsche-Chef Siegfried Bülow in Ruhestand. Im TAG24-Interview spricht der gebürtige Chemnitzer über Promis, Fußball, Currywurst und die magischen Momente in "seinem" Werk.

TAG24: Als Mitarbeiter Nr. 11 der Porsche Leipzig GmbH waren Sie 2000 dabei, als die Autofabrik aufgebaut wurde. Wo stand damals ihr erster Schreibtisch?

Bülow: Der stand in Stuttgart. Ich habe ein Jahr dort gelernt. In Stuttgart war auch die Projektleitung beheimatet. Höchstens einmal pro Woche waren wir im ersten Jahr in Leipzig.

TAG24: Porsche Leipzig startete 2002 als Montagewerk. Heute werden dort die Modelle Cayenne, Panamera und Macan produziert. Hatten Sie das so geplant?

Bülow: Es war für Porsche ein großes Risiko mit dem Cayenne ins Rennen zu gehen. Viele sagten damals, dass das nichts wird. Sie meinten, Porsche kann nur Sportwagen. SUV geht gar nicht. Das passt nicht zur Marke. Deswegen war man auch relativ vorsichtig und fing klein an. Der Erfolg kam überraschend. Wir hatten mit 25 000 Autos geplant und gleich im ersten Jahr wurden es 30 000. Der nächste Schritt war der Bau des Carrera GT, des Super-Sportwagens. Damit haben wir uns unsere Schulterstücken verdient. Was jetzt hier steht, war nie so geplant. Aber der Optimismus war relativ groß.

Die Architektur des Porsche-Kundenzentrums in leipzig erinnert an einen Diamanten.
Die Architektur des Porsche-Kundenzentrums in leipzig erinnert an einen Diamanten.  © Ralf Seegers

TAG24: Sie hatten große Freiheit bei der Fabrik-Planung. Was trägt ihre persönliche Handschrift?

Bülow: All das, was die reine Produktion und Organisation betrifft. Wir haben damals hier eine Fabriksteuerung installiert, die kann man heute getrost als 4.0 bezeichnen. Damals gab es dafür noch keinen Begriff. Aber bei uns war es von Anfang an schon so, dass die Maschinen miteinander kommunizieren. Alles ohne Papier. Wir hatten hier viele Freiheiten. Das war aber nicht ohne Risiko.

TAG24: 17 Jahre Porsche in Leipzig - welcher Moment hat sich in ihr Gedächtnis gebrannt?

Bülow: Der erhebende Moment der Werkseröffnung. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Eine Mischung aus Freude und Leistungsdruck.

TAG24: Was möchten Sie vergessen?

Bülow: Keinen einzigen Moment. Wir haben immer unsere Ziele erfüllt und bekamen tolle Qualitätsauszeichnungen. Erst jetzt sind wir wieder bestes Werk in Europa.

Siegfried Bülow im Gespräch mit einem Porsche-Mitarbeiter in der Endmontage.
Siegfried Bülow im Gespräch mit einem Porsche-Mitarbeiter in der Endmontage.  © Ralf Seegers

TAG24: "Automobilbau ist ein Mannschaftsspiel", sagen sie gern. An welcher Position haben Sie sich am wohlsten gefühlt?

Bülow: Als Trainer.

TAG24: Sie mussten als Chef des Barkas-Werkes nach der Wiedervereinigung 2300 Menschen abwickeln - auch ihren eigenen Vater und ihre damalige Frau. In Leipzig haben Sie über 4000 Menschen bei Porsche eingestellt. Wie fällt ihre Lebensbilanz aus?

Bülow: Ausgeglichen. Ich habe bei Volkswagen das Auto-Bauen auf höchstem technologischen Niveau kennen gelernt. Ich hatte einen unkündbaren Super-Job. Hier habe ich mit einem 3-Jahres-Vertrag angefangen. Aber es war mir das Risiko wert, in Sachsen etwas ganz Neues aufzubauen.

TAG24: Haben Sie noch Dokumente, die Sie an Ihre Arbeit bei Barkas in Karl-Marx-Stadt erinnern?

Bülow: Ja, Betriebszeitungen. Wie der Zufall es will, hat mir heute wieder ein Mitarbeiter etwas geschenkt. Ein Barkas-Telefonverzeichnis von 1987 und original Rechentechnik aus dem letzten Jahrhundert.

Siegfried Bülow zeigt Redakteurin Pia Lucchesi einen original IFA-Beutel, den er Stunden zuvor von einem ehemaligen Barkas-Mitarbeiter zum Abschied geschenkt bekommen hat.
Siegfried Bülow zeigt Redakteurin Pia Lucchesi einen original IFA-Beutel, den er Stunden zuvor von einem ehemaligen Barkas-Mitarbeiter zum Abschied geschenkt bekommen hat.  © Ralf Seegers

TAG24: Ihr erstes Auto war ein gebrauchter Trabant. Worauf möchten Sie als Autofahrer nicht verzichten?

Bülow: Aufs Autofahren an sich. Ich kann mir nicht vorstellen, automatisch gefahren werden zu wollen. Wenn ich das will, nehme ich Zug, Bus oder Bahn. Ich bin mir sicher, dass ich bis zu meinem Lebensende selbst fahren und kein selbstfahrendes Auto haben möchte.

TAG24: Als Kind war ihr Traumauto ein Ford Mustang. Sind Sie inzwischen so einen Sportwagen mal gefahren?

Bülow: Oh, ja. Ich bin einer Illusion aufgesessen. Dieses Auto hatte eine Straßenlage wie ein Ziegenbock. Er sah aber schön aus.

TAG24: Sie haben im Werk viele prominente Kunden begrüßt. An welche Begegnung erinnern Sie sich noch lebhaft?

Bülow: Da gibt es ganz viele. Herbert Grönemeyer, Peter Maffay, Udo Lindenberg und Ralph Lauren waren hier. Der Kronprinz von Thailand hat drei Autos abgeholt. Sein Hofstaat hat mich beeindruckt. Der hat sich jedesmal verbeugt, wenn der Prinz mit dem Auto bei uns auf dem Rundkurs vorbeigefahren kam.

TAG24: Sie sind als Chef mit ihren beiden Sekretärinnen regelmäßig in die Kantine zum Mittagessen gewesen. Was hat Ihnen dort am besten geschmeckt?

Bülow: Currywurst. Ich bin ein Fleischesser. Es gab aber auch regelmäßig Salat-Phasen - eine Konsequenz aus Liebe zum Fleisch.

Geschenkte Erinnerung: Diese original Barkas-Modelle standen bei Siegfried Bülow im Büro. Daneben "parkten" Miniaturen von legendären Porsche-Modellen.
Geschenkte Erinnerung: Diese original Barkas-Modelle standen bei Siegfried Bülow im Büro. Daneben "parkten" Miniaturen von legendären Porsche-Modellen.  © Ralf Seegers

TAG24: Sie hatten den wohl aufregendsten Manager-Job der Automobilbranche der letzten Jahre inne. Gibt es einen Job, den Sie noch lieber gemacht hätten?

Bülow: Ich hätte mit niemanden jemals tauschen wollen. Es ist sensationell. Für mich ist das hier das schönste Autowerk der Welt.

TAG24: Seit 2015 sitzen Sie im Aufsichtsrat der Porzellanmanufaktur Meissen. Verbinden Sie mit dem weißen Gold und der Manufaktur Emotionen?

Bülow: Ja. Das Mandat ist für mich eine Ehre. Ich finde, diese tolle Firma ist ganz wichtig für Sachsen. Ich möchte mit meiner Fachexpertise dazu beitragen, dass die Manufaktur erhalten bleibt und sie wieder zu dem Ruf kommt, den sie einst hatte. Mit Meissner Porzellan bin ich nicht groß geworden. Meine Eltern waren nicht so begütert. Wir hatten Kahla.

TAG24: Sie gehen gerne ins Kabarett. Wie geht ihr Lieblingswitz?

Bülow (lacht schelmisch): Das kann ich nicht. Der ist unanständig.

TAG24: Sie sind RB Leipzig-Fan und haben Dauerkarten fürs Stadion. Was sagen Sie zu der überragenden RB-Saison?

Bülow: Das war phantastisch. Nun muss diese Leistung quasi verstetigt werden. Ich finde, das Unternehmen Fußball zieht die ganze Region nach oben. Es bringt Geld ins Stadtsäckel und vielleicht neue Investoren.

TAG24: Ihre Frau hat das Rentenalter noch nicht erreicht. Wie darf man sich Ihr zukünftiges Rentnerleben vorstellen?

Bülow: Lustig. Ich finde es schön, eine so junge Frau zu haben. Wir haben ein gutes Konzept. Langweilig wird mir bestimmt nicht. Ich werde bei Porsche noch ein Beratermandat ausfüllen und in Beiräten aktiv sein. Außerdem will ich mein Golf-Handicap verbessern, meine alten Autos bewegen und Oldtimer-Rallyes fahren. Naja, und dann möchte ich endlich mal meine Garage aufräumen.

Ein Blick in die Leipziger Fertigung von karossen für den Porsche Panamera. Bülows Nachfolger in Leipzig wird ein Manager von Volkswagen: Gerd Rupp.
Ein Blick in die Leipziger Fertigung von karossen für den Porsche Panamera. Bülows Nachfolger in Leipzig wird ein Manager von Volkswagen: Gerd Rupp.  © dpa/Jan Woitas