Manipulations-Verdacht im Hells-Angels-Prozess: Ist Tat-Video ein Fake?

Eine Sequenz aus der Kopie vom Tatvideo - die als Zeugen gehörten Bundespolizisten sind darauf nicht zu sehen.
Eine Sequenz aus der Kopie vom Tatvideo - die als Zeugen gehörten Bundespolizisten sind darauf nicht zu sehen.

Leipzig - Ungeheuerlicher Verdacht im Prozess um die tödliche Rocker-Schießerei auf der Leipziger Eisenbahnstraße: Das vermeintliche Tat-Video eines Augenzeugen, auf das die Staatsanwaltschaft ihre Mord-Anklage stützt, könnte manipuliert sein.

Es sind nur 36 Sekunden, die das brutale Aufeinandertreffen von United Tribuns (UT) und Hells Angels am Nachmittag des 25. Juni 2016 und so auch die tödlichen Schüsse auf den UT-Anwärter Veysel A. (27) dokumentieren. Aufgenommen von einem Iraker mit dem Handy von der gegenüberliegenden Straßenseite.

"Ich habe das Handy verloren", erklärte Mohammed A. am Montag vor Gericht. Damit verschwand auch die Originaldatei. Und die per WhatsApp verschickten Kopien, auf die sich die Anklage wesentlich stützt, stehen nun unter Manipulationsverdacht.

Gut bewacht: Die vier wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagten Hells-Angels-Rocker mit ihren Anwälten.
Gut bewacht: Die vier wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagten Hells-Angels-Rocker mit ihren Anwälten.  © Ralf Seegers

Der Grund: Zwei Bundespolizisten hatten als Zeugen vor Gericht ausgesagt, dass sie unmittelbar vor den Schüssen mit ihrem Transporter am Tatort zwischen den Rockergruppen entlanggefahren seien und sich dann hinter die beiden Beamten der Landespolizei gestellt hätten. Beim Aussteigen, so berichtete ein Beamter, sei der erste Schuss gefallen.

Mysteriös: Auf der verschwommenen Video-Kopie, welche die Sekunden vor und während der Schießerei zeigen soll, sind weder die Bundespolizisten noch ihr "Sixpack"-Transporter zu sehen. Lediglich ein Landespolizist und dessen am Straßenrand parkendes Fahrzeug sind zu erkennen.

Ein Widerspruch, der die Verteidigung der Hells Angels nun aus allen Rohren feuern lässt. In ihrem Auftrag hat der forensische Foto- und Videoanalytiker Ulrich Diezel die Kopie analysiert und dabei offenbar Merkwürdigkeiten festgestellt. Ob er seine Ergebnisse im Prozess präsentieren darf, darüber wollte das Gericht gestern noch nicht entscheiden.

Fällt das Video als Beweismittel weg, könnte das zumindest für den früheren Leipziger Hells-Angels-Chef Marcus M. (35) der Weg aus dem Gefängnis sein. Denn anders als bei seinen Mitangeklagten gründet die Anklage bei ihm den dringenden Tatverdacht nur auf das Bildmaterial.

Der Mittweidaer Digital-Forensiker Prof. Dirk Labudde (50) hat für die Staatsanwaltschaft die Kopien des Tatvideos ausgewertet. Die Verteidigung der Rocker bietet nun einen eigenen Gutachter auf.
Der Mittweidaer Digital-Forensiker Prof. Dirk Labudde (50) hat für die Staatsanwaltschaft die Kopien des Tatvideos ausgewertet. Die Verteidigung der Rocker bietet nun einen eigenen Gutachter auf.  © S. Gleisberg

Das Video vom Tathergang, so wie es im Netz kursiert