Er kämpft sich nach heftigem Motorradunfall zurück ins Leben

Leipzig - Wie er es liebte, sich im Sommer auf seinem Motorrad den Wind um die Nase wehen zu lassen. Doch ein schwerer Unfall nahm ihm dieses Glücksgefühl. Für immer. Ricardo (30) wird nie wieder Motorradfahren können. Gas gibt er trotzdem. Täglich. Denn er kämpft sich mit einer Beinprothese zurück ins aktive Leben.

Mutig in Muskel-Shirt und Jeans-Shorts! Dabein wollte Ricardo (30) eigentlich nie wieder was Kurzes anziehen.
Mutig in Muskel-Shirt und Jeans-Shorts! Dabein wollte Ricardo (30) eigentlich nie wieder was Kurzes anziehen.  © Picture Point/Kerstin Kummer

Bewegen, bewegen, bewegen. Nur nicht einrosten, jetzt, mit gerade mal Anfang 30. Viermal in der Woche trainiert Ricardo im Fitnessstudio. Bei gutem Wetter ist er mit seinem stylischen E-Bike unterwegs, um aufzutanken. Neue Energie, neuen Lebenswillen.

Der Park ist für ihn ein einziger Parcours. Hier kann er sich spüren, wenn er beispielsweise Liegestütze macht. Der Oberkörper ist nun sein Kraftwerk, nachdem sein rechtes Bein unter die Räder kam. Gerade den passionierten Autofahrer und (Hobby-)Mechaniker erwischte es. Er, der nur bei Schönwetter auf dem Motorrad saß und keine Rennen veranstaltete.

Es passierte zum Saisonende 2013. Ricardo war mit seinem älteren Bruder Markus unterwegs, um noch einmal die letzten Sonnenstrahlen von Hoch Karin zu genießen. Als der Leipziger mit seinem italienischen Motorrad ein Auto überholen wollte, scherte die Fahrerin ohne zu blinken aus und erfasste ihn.

Ricardo stürzte und verletzte sich schwer. "Ich habe noch bewusst wahrgenommen, wie mein rechtes Bein regelrecht eingequetscht wurde", erinnert er sich an den 5. Oktober.

Ricardo beim Outdoor-Training für die Oberarme.
Ricardo beim Outdoor-Training für die Oberarme.  © Picture Point/Kerstin Kummer

Mit dem Rettungshubschrauber wurde der Verletzte ins nächste Krankenhaus geflogen und sofort operiert. Über acht Stunden.

"Ich ging nicht durch die Hölle, ich lag mitten in ihr", beschreibt er die Situation. "Ich wurde in kurzer Zeit 17 Mal operiert. Dabei musste ich mit ansehen, wie sich die Infektionen im Fuß immer weiter ausbreiteten und bedrohlich nah in Höhe des Knies kamen", schildert Ricardo.

Plötzlich stand er vor einer folgenschweren Entscheidung, für die Ärzte ihm eine Woche Bedenkzeit gaben: Amputation oder weiter mit der Gefahr leben, dass sich die Infektionen vom Fuß aus Zentimeter um Zentimeter ihren Weg nach oben bahnen und damit das rechte Bein völlig verloren wäre. Der Hobbysportler ließ es unterhalb des Knies amputieren.

In der siebenwöchigen Reha lernte er wieder, auf zwei Beinen zu stehen. Lange haderte er mit der Prothese. "Ich schwor mir, nie wieder eine kurze Hose anzuziehen", gibt er zu. Das ist längst Geschichte. Mit unheimlich viel Disziplin und starkem Willen baute der Mutmacher seinen Körper und damit sein Selbstbewusstsein wieder auf. Seine Eltern und Bruder Markus (35) halfen ihm dabei. Nach zwei Jahren Studium kehrte der Praktiker als Maschinenbautechniker zum Autobauer, bei dem er einst in die Lehre ging, zurück.

Apropos Autofahren. Auch das musste er mit einem umgerüsteten Fahrzeug neu lernen. Wenn er mit ihm fährt und Motorräder an ihm vorbeirauschen, sieht er sich in Gedanken auf seiner Maschine sitzen und ist froh, nun geschützter mit vier Rädern unterwegs zu sein.

rechts: Ricardo auf seinem Motorrad, einer Aprilia Dorsoduro 750. Links: Statt Motorrad fährt Ricardo jetzt Fahrrad - hier auf seinem Mountainbike im Clara-Zetkin-Park am Elsterwehr.
rechts: Ricardo auf seinem Motorrad, einer Aprilia Dorsoduro 750. Links: Statt Motorrad fährt Ricardo jetzt Fahrrad - hier auf seinem Mountainbike im Clara-Zetkin-Park am Elsterwehr.  © Picture Point/Kerstin Kummer

Titelfoto: Picture Point/Kerstin Kummer