Rhein-Niedrigwasser sorgt hier für ein nie dagewesenes Phänomen

Bingen/Rüdesheim - Das extreme Niedrigwasser des Rheins sorgt für eine Attraktion: Der berühmte Mäuseturm auf einer Flussinsel bei Bingen ist derzeit trockenen Fußes zu erreichen.

Auf einem schmalen Steinsteg bildeten sich zeitweise lange Warteschlangen auf dem Weg zum Binger Mäuseturm.
Auf einem schmalen Steinsteg bildeten sich zeitweise lange Warteschlangen auf dem Weg zum Binger Mäuseturm.  © DPA

Viele hundert Ausflügler haben bereits diese neue Gelegenheit genutzt - vor allem am vergangenen Samstag und Sonntag bei Bilderbuchwetter. An einem schmalen Steingrat im Niedrigwasser bildete sich gegenüber dem Touristenstädtchen Rüdesheim eine lange Warteschlange.

Hunderte Kameras und Smartphones richteten sich oben von der Aussichtsplattform auf die weiten trockengefallenen Kiesbänke vor der Mündung der Nahe in den Rhein. WSA-Vizechef Florian Krekel sagte: "Auf Facebook wurde die Fake-Nachricht verbreitet, die Stadt Bingen habe den Mäuseturm geöffnet - da ging der Run los."

Die ungewöhnliche Situation rief auch Einbrecher auf den Plan: Die Tür des Mäuseturms wurde am Wochenende laut Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Bingen von einem Unbekannten aufgebrochen. Am Montag sei dann die Turmtür repariert worden - und seitdem wieder verschlossen.

"Wir stellen auch Strafanzeige wegen Sachbeschädigung", ergänzte Krekel. Am Sonntag hätten er und Kollegen beim Mäuseturm die Besucherströme gelenkt: "Der Turm ist eng, da geht sonst bei 50 Leuten nichts mehr."

Bianka Rössler, Chefin in siebter Generation des Schifffahrtsunternehmens "Rössler Linie", das die Mäuseturm-Insel bei höheren Pegelständen ansteuert, konnte sich nach eigenen Worten nicht erinnern, dass Ausflüge zu Fuß zum Mäuseturm einmal möglich waren.

Hohe Temperaturen und wenig Niederschlag machten dieses Phänomen erst möglich.
Hohe Temperaturen und wenig Niederschlag machten dieses Phänomen erst möglich.  © DPA

"Ich habe auch meinen Vater gefragt, der ist 82", sagte sie. Er wisse ebenfalls nichts davon - auch nicht aus Erzählungen seiner Vorgänger. Krekel äußerte sich genauso.

Der Pegelstand beim nahen Kaub, der als wichtige Marke für das Obere Mittelrheintal gilt, erreichte Montagmittag mit nur noch 24 Zentimetern einen weiteren Rekord. Bis vor Kurzem waren hier als historisch niedrigster Pegelstand 35 Zentimeter im Hitzejahr 2003 registriert gewesen. Die Fahrrinne ist somit bei Kaub gegenwärtig noch um die 1,40 Meter tief.

Am Montag hatten derweil die Schüler des Inselgymnasiums Nonnenwerth bei Remagen "niedrigwasserfrei", weil ihre Fähre nicht mehr fahren konnte, wie die rheinland-pfälzische Schulaufsicht ADD in Trier mitteilte. Die private katholische Schule versuche, an beiden Ufern eine Art Notunterricht vor allem für Schüler der Oberstufe zu organisieren, sagte ADD-Sprecher Nikolai Zaplatynski.

Mit Blick auf den Wasserstand bei Remagen ergänzte er: "Die Schule wird von Tag zu Tag planen." Das Gymnasium der Franziskanerinnen hat auch viele Schüler aus Nordrhein-Westfalen - die Nordspitze der zwei Kilometer langen Insel ragt in dieses Bundesland hinein.

Steigen die Pegelstände bald wieder? Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) soll es in Rheinland-Pfalz in den kommenden Tagen wieder regnen - allerdings nur gelegentlich.

"Der goldene Oktober geht zu Ende", sagte die DWD-Meteorologin Jacqueline Kernn. Krekel ergänzte, viel Regen und damit deutlich steigende Wasserstände erwarte er nicht in den nächsten Tagen.