Verschleppt und eingedeutscht! Er überlebte das Massaker von Lidice

Odyssee durch das Grauen: Vaclav Zelenka (78) hat das Massaker von Lidice überlebt und musste danach "Deutscher" werden. heute ist er versöhnt mit seinem Schicksal.
Odyssee durch das Grauen: Vaclav Zelenka (78) hat das Massaker von Lidice überlebt und musste danach "Deutscher" werden. heute ist er versöhnt mit seinem Schicksal.  © Martin Homola

Dresden - Vor 75 Jahren brannten deutsche Truppen das tschechische Dorf Lidice bestialisch nieder - Rache für das tödliche Attentat auf den berüchtigten Vize-Reichsprotektor Reinhard Heydrich (1904 - 42).

Die Männer des Dorfes wurden erschossen, die Frauen kamen ins KZ. 82 Kinder fanden den Tod, aber 17 überlebten.

Eines davon ist Vaclav Zelenka (78). Der damals Dreijährige wurde von den Nazis „eingedeutscht“ und zu „Rolf Wagner“ gemacht. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in Dresden. Vaclav Zelenka sprach exklusiv mit der Morgenpost.

Welche Tragödie sich da im Juni 1942 abspielte, hatte der kleine Vaclav gar nicht richtig erfasst. Zunächst wurde er in ein Kinderheim in Puschkau (heute Polen) gesteckt. Dort wurde ihm seine Identität endgültig genommen: Vaclav musste als „Rolf“ deutsch lernen, tschechisch war streng verboten.

Schließlich wurde der Junge von einer Familie Wagner adoptiert und zog mit ihr im April 1945 ins zerbombte Dresden. Zelenka: „Ich erinnere mich noch sehr genau an die Zerstörungen der Stadt.“ Im Herbst 1945 kam er dort auch in die Schule von Bühlau. Zelenka: „Deutsch sprach ich ja perfekt.“ Dass er nun Rolf Wagner hieß, nahm er als gegeben hin. „Ich war ein unschuldiger Junge, es war halt so.“

Deutsche Truppen unter SS-Führung brannten das Dorf bei Prag am 10. Juni 1942 nieder.
Deutsche Truppen unter SS-Führung brannten das Dorf bei Prag am 10. Juni 1942 nieder.  © Gedenkstätte Lidice

Die Wagners zogen weiter nach Lohsa bei Hoyerswerda.

Und dort hielt das Schicksal eine neue Wendung für den Jungen bereit. Der befreite tschechische Staat hatte die verschleppten Kinder von Lidice nämlich nicht vergessen und nach ihnen gesucht.

1947 spürten Offiziere den kleinen Rolf auf und brachten ihn als Vaclav zurück zu seiner Mutter, die das KZ wie durch ein Wunder überlebt hatte. Zelenka: „Da musste ich erst wieder Tschechisch lernen. Aber das hat nur drei Monate gedauert.“

An seine deutschen „Eltern“ erinnert sich Vaclav Zelenka noch heute: „Herr Wagner war ein sehr freundlicher Mann, Frau Wagner besuchte mich in den 1960er Jahren sogar in Lidice, aber der Kontakt war nie warm gewesen.“

Und sein Bezug zu Dresden? „Ich war vor ein paar Jahren nochmal dort und habe die Plätze meiner Kindheit besucht - das hat mich sehr gefreut, auch wie schön die Stadt wieder aussieht.“ Mit den Deutschen hat er kein Problem: „Gute und schlechte Menschen gibt es überall.“

Ab 19. Juni zeigt die Dresdner Gedenkstätte Münchner Platz die Ausstellung „Die Tragödie von Lidice“. Zur Eröffnung (19 Uhr) wird der Film „Wer bin ich? Vaclav Zelenka oder Rolf Wagner?“ gezeigt, gedreht von Schülern des Gymnasiums Dresden-Bühlau.

Die Gedenkstätte heute.
Die Gedenkstätte heute.  © Gedenkstätte Lidice