Das Hohwald-Mysterium: Birgt dieser Stein ein finsteres Geheimnis?

Roland Trojovsky (75, links), Dietmar Ganze (73) und Erhard Dietmar Lenz (67) könnten ruhiger schlafen, würde das Rätsel um den Stein endlich gelöst.
Roland Trojovsky (75, links), Dietmar Ganze (73) und Erhard Dietmar Lenz (67) könnten ruhiger schlafen, würde das Rätsel um den Stein endlich gelöst.  © Steffen Füssel

Neukirch / Lausitz - Nichts ist schlimmer als das Schweigen im Walde. Jedenfalls dann, wenn besagter Forst ein dunkles Geheimnis birgt - und es partout nicht preisgeben will.

Drei gereifte Herren aus der Lausitz, allesamt Heimatforscher oder -interessierte, versuchen seit Jahren, einem Mysterium des Hohwalds auf die Spur zu kommen.

Es geht um ein vages Gerücht und einen bemoosten Stein mit rätselhafter Inschrift. Und - aber das ist nur eine Vermutung - um einen tragischen Todesfall.

Eine haarsträubende Geschichte, die im Winter 1949 beginnt und deren schlüssiges Ende erst noch erzählt werden muss. Vorausgesetzt es gibt jemanden, der dieses Ende tatsächlich noch kennt.

Eine Klassenfahrt kurz nach dem Krieg. In der Neukircher Jugendherberge, unmittelbar am Waldrand gelegen, genießen Achtklässler aus dem zerbombten Dresden unbeschwerte Tage. Landheim-Idylle mit Doppelstockbetten und Hagebuttentee.

Seit 2004 ist die einstige Jugendherberge geschlossen, gammelt vor sich hin. Alte Unterlagen fehlen.
Seit 2004 ist die einstige Jugendherberge geschlossen, gammelt vor sich hin. Alte Unterlagen fehlen.  © Steffen Füssel

Es wird, so viel nehmen wir mal an, auch rumgealbert und zaghaft geflirtet.

Viel Quatsch gemacht - wie Jugendliche eben sind, immer waren.

Auch der Lausitzer Winter lässt sich nicht lumpen: Tiefe Minusgrade bewahren die weiße Pracht vor der Schmelze. Alles ist gut. Vorerst.

Eines Abends, so ist es mündlich überliefert, fehlen plötzlich zwei Jungs aus der Gruppe. Keiner weiß (oder verrät!?), wo die beiden stecken.

Die Lehrerin wird nervös. Immerhin hat sie die Aufsichtspflicht über die pubertierende Meute. Sollten die zwei Lauser in den Wald gestromert sein? Sich dort gar verlaufen haben?

Die Lehrerin fackelt nicht lange, schnallt sich ihre Skier unter und macht sich auf die Suche. Die Jungs, beide hatten wohl heimlich geraucht, kommen derweil zurück.

Die Lehrerin nicht.

Ortschronist Roland Trojovsky (75) versucht seit Jahren, dem Hohwald-Geheimnis auf die Spur zu kommen. Besuche in Archiven gehören zu seiner Recherche dazu.
Ortschronist Roland Trojovsky (75) versucht seit Jahren, dem Hohwald-Geheimnis auf die Spur zu kommen. Besuche in Archiven gehören zu seiner Recherche dazu.  © Steffen Füssel

Von wem stammt die Inschrift?

So oder ähnlich, glaubt Roland Trojovsky (75), könnte es gewesen sein. Eine Köchin, ab 1953 in der Jugendherberge angestellt und mittlerweile verstorben, soll diese Geschichte einmal erzählt haben.

Dass Trojovsky, früher selber Lehrer und seit 20 Jahren Ortschronist von Neukirch, auf diese Geschichte gestoßen ist, hat mit einem rätselhaften Stein zu tun. Der steht mitten im Hohwald, ein paar Kilometer von der Jugendherberge entfernt, und trägt eine Inschrift, die mehr Fragen aufwirft, als sie Antworten gibt.

Ein Kreuz ist dort eingeritzt - ein Hinweis auf einen Todesfall? Dazu das Buchstabenkürzel "B.W." - Anfangsbuchstaben eines Namens? Und, ganz unten, noch eine Jahreszahl. Eben die "1949".

Für Trojovsky allesamt Indizien, die sich mit den Gerüchten um ebenjene Lehrerin decken, die einst im Wald auf die Suche nach zwei Schülern gegangen sein soll. "Es heißt, sie sei dabei verunglückt", sagt Trojovsky, doch eine Bestätigung für diese Vermutung hat er nirgendwo gefunden.

Dabei ließ er weiß Gott nichts unversucht. "Ich habe in den örtlichen Standesämtern nachgefragt, ein Todesfall wurde seinerzeit nicht vermeldet", sagt der Heimatforscher. Auch Sterberegister hat er durchforstet - nichts! Krankenhäuser mussten ebenfalls passen. Und die Jugendherberge ist seit Jahren geschlossen, alte Unterlagen sind längst vernichtet. Es ist wie verhext.

Verunglückte die Lehrerin an diesem Stein? Der bemooste Minifels steht direkt an einem steilen Waldweg, trägt eine mysteriöse Inschrift.
Verunglückte die Lehrerin an diesem Stein? Der bemooste Minifels steht direkt an einem steilen Waldweg, trägt eine mysteriöse Inschrift.  © Steffen Füssel

Hoffen auf den letzten Zeugen

Erhard Dietmar Lenz (67) ist so etwas wie Trojovskys "Kollege" aus der Nachbargemeinde Putzkau. Auch er ist an lokaler Geschichte interessiert, hat sich lange mit Gedenksteinen im Hohwald beschäftigt. Was besagten Stein angeht, forschte er sogar mehrmals im Staatsarchiv Dresden nach - umsonst.

Und auch Dietmar Ganze (73), Heimatfreund aus Neukirch und somit Dritter im Bunde der „Senior-Detektive“, hat nur einen indirekten Zeugen „auftreiben“ können. Also jemanden, der vor Jahren mal von der verunglückten Lehrerin gehört haben will, darüber hinaus aber auch nichts Genaueres weiß. Wie also weiterkommen beim Lösen des nunmehr 68 Jahre alten Falls - wenn es denn überhaupt einer ist?

Trojovsky, Lenz und Ganze setzen jetzt alle Hoffnung auf eventuell noch lebende Zeitzeugen. "Sollte die Lehrerin tatsächlich im dunklen Wald auf Skiern verunglückt sein, ist sie entweder noch an Ort und Stelle erfroren; oder sie wurde in ein Krankenhaus gebracht", mutmaßt Roland Trojovsky.

Wo sie dann vielleicht später verstorben ist - das zumindest würde die geritzte Inschrift auf dem Stein erklären.

Doch wie hieß die Lehrerin? Wer hat den Stein beschriftet? Und hat das alles überhaupt miteinander zu tun? „Vielleicht lesen Schüler von damals diese Geschichte und können sich an etwas erinnern“, hofft der Neukircher, den das Rätsel um den bemoosten Stein schon manche schlaflose Nacht eingebracht hat. Das Schweigen im Walde: Vielleicht wird es ja doch noch von einer alten Erinnerung gebrochen..?

Haben Sie Hinweise, die Licht in diese dunkle Geschichte bringen können? Dann schreiben Sie uns entweder eine Mail an sonntag@tag24.de (Betreff: Hohwald-Geheimnis) oder rufen Sie direkt Roland Trojovsky an: Tel. 035 951/35 181.

Als die Jugendherberge noch in Betrieb war, verbrachten Schulgruppen hier regelmäßig lustige Tage - sommers wie winters.
Als die Jugendherberge noch in Betrieb war, verbrachten Schulgruppen hier regelmäßig lustige Tage - sommers wie winters.  © Steffen Füssel
Treibt der Geist der toten Lehrerin in den Lausitzer Wäldern sein Unwesen?
Treibt der Geist der toten Lehrerin in den Lausitzer Wäldern sein Unwesen?  © 123RF