Als psychisch krank verurteilt: Ex-Häftling acht Jahre zu Unrecht im Knast?

Paul Ulbrich soll nie psychisch krank gewesen sein. Trotzdem saß er acht Jahre länger als nötig im Maßregelvollzug.
Paul Ulbrich soll nie psychisch krank gewesen sein. Trotzdem saß er acht Jahre länger als nötig im Maßregelvollzug.  © Andreas Frücht

Stemwede - Es ist eine lange Zeit: 21 Jahre saß Paul Ulbrich wegen zwei Geiselnahmen im Knast. Seit dem 25. April ist er wieder auf freiem Fuß. Jetzt will er das Land NRW verklagen.

Der heute 45-Jährige wurde schon früh wegen zunächst kleinerer Delikte wie Sachbeschädigungen oder Diebstählen straffällig. Als er 24 Jahre alt war, kam es zur ersten Geiselnahme.

Völlig betrunken brachte er 1996 einen Polizisten in seine Gewalt. Damals wurde er zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ein Gutachter stellte die fatale Diagnose: Ulbrich wurde als Borderline-Persönlickeit verurteilt.

Patienten mit dieser Erkrankung befinden sich ständig auf einem schmalen Grat zwischen extremen Gefühlen. Von einer auf die andere Sekunde können sie aggressiv werden.

Ulbrich wurde damals in die forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn eingewiesen. Dort kam es zur nächsten Geiselnahme: Dieses Mal traf es einen Pfleger. Eine erneute Verurteilung brachte dem angeblich psychisch Kranken noch mal siebeneinhalb Jahre Haft.

"Mit der Haftstrafe von insgesamt 13,5 Jahren habe ich für die beiden Geiselnahmen eine gerechte Strafe bekommen. Ich habe viele schwere Fehler begangen, die ich zutiefst bereue", wird der 45-Jährige in der Neuen Westfälischen zitiert.

"Ungerecht ist jedoch, dass ich statt der 13,5 Jahre 21 Jahre hinter Gittern verbringen musste. Und das nur, weil mir Gutachter jahrelang psychische Erkrankungen unterstellt haben", kritisiert der Ex-Häftling die Justiz allerdings. Acht Jahre länger als nötig saß er im Maßregelvollzug.

Für Ulbrich war die Zeit im Knast nahezu unerträglich. "Ich musste mit Menschen in einem Zimmer leben, die Kinder vergewaltigt haben und mit ihren Missbräuchen geprahlt haben. Ich hatte Depressionen und wollte so ein Leben nicht mehr führen."

Erst 2016 wurde ein neues Gutachten erstellt. Das bewies: Der langjährig als psychisch krank Verurteilte soll nie das Borderline-Syndrom gehabt haben. Auf dieses Gutachten folgte noch im gleichen Jahr die Entscheidung vom Landgericht Bielefeld, dass der 45-Jährige die Maßregelvollzugsklinik in Stemwede verlassen darf.

"Ich war also nie psychisch krank, aber trotzdem im Maßregelvollzug. Damit das Land NRW die Verantwortung für diesen Fehler trägt, bereitet mein Anwalt eine Schadensersatzklage vor."

Titelfoto: Andreas Frücht