Michael Kretschmer: "Wir grenzen uns klar von Extremismus ab - egal von welcher Seite"
Dresden - "Ist viel geschehen. Ward viel versäumt", dichtete der Dresdner Erich Kästner einst übers gerade vergangene Jahr. Im TAG24-Interview blickt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (50, CDU) zurück auf 2025. Und natürlich voraus ins nächste Jahr.
TAG24: Herr Ministerpräsident, was war 2025 für Sie als Regierungschef besonders bedeutsam, was vielleicht schwierig und was überraschend?
Michael Kretschmer: Das vergangene Jahr war vor allem von großer Verantwortung in unsicheren Zeiten geprägt. Bedeutsam war für mich, dass wir als Landesregierung trotz schwieriger Rahmenbedingungen handlungsfähig geblieben sind. Schwierig war ohne Frage der Umgang mit den finanziellen Spielräumen. Überraschend – und auch ermutigend - war, wie konstruktiv viele Gespräche mit Kommunen, Verbänden und auch Teilen der Opposition verlaufen sind.
TAG24: Zuletzt gab es scharfe Kritik von Grünen und Linken. Wie stabil ist die Minderheitsregierung wirklich?
Michael Kretschmer: Eine Minderheitsregierung ist per Definition kein bequemes Modell, aber sie kann funktionieren - und sie funktioniert in Sachsen. Stabilität entsteht nicht durch Lautstärke, sondern durch Verlässlichkeit und Gesprächsbereitschaft. Kritik gehört zur Demokratie, auch scharfe Kritik. Entscheidend ist, dass wir für jedes Vorhaben um Mehrheiten werben und sachlich argumentieren.
Kretschmer: "Bin bereit, diese Aufgabe weiter zu übernehmen"
TAG24: Von rechts torpediert die AfD Ihre Politik. Derzeit scheint sie kaum zu bremsen zu sein ...
Michael Kretschmer: Die AfD lässt sich nicht mit einfachen Parolen oder taktischen Manövern bekämpfen. Unsere Antwort muss eine klare, glaubwürdige Politik sein, die Probleme löst und Vertrauen zurückgewinnt. Wir konzentrieren uns deshalb stark auf konkrete Themen: sichere Arbeitsplätze, bezahlbare Energie, eine verlässliche Migrationspolitik und Respekt vor der Lebensleistung der Menschen, insbesondere im ländlichen Raum. Entscheidend ist aus meiner Sicht auch Haltung: Wir benennen Fehlentwicklungen offen, ohne sie zu dramatisieren, und wir grenzen uns klar von Extremismus ab - egal von welcher Seite.
TAG24: Sie wollen zur Landtagswahl 2029 erneut antreten. Was hat Sie bewogen, dies so früh öffentlich zu machen?
Michael Kretschmer: Mir war Transparenz wichtig. Die Menschen haben ein Recht zu wissen, wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und wer nicht. Außerdem geht es um Planungssicherheit - innerhalb der Partei, aber auch für die politische Arbeit insgesamt. Ich bin überzeugt, dass Sachsen Kontinuität und Erfahrung braucht, gerade in einer Zeit großer Umbrüche. Diese Aufgabe reizt mich, und ich bin bereit, sie weiter zu übernehmen.
Kretschmer: "Freue mich auf Begegnungen mit Menschen im ganzen Land"
TAG24: Schauen wir auf das nächste Jahr. Was wird 2026 - abgesehen vom Haushalt - politisch die größte Herausforderung?
Michael Kretschmer: Die größte Herausforderung wird sein, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Wir erleben Verunsicherung, Polarisierung und Vertrauensverluste in staatliche Institutionen. Politisch bedeutet das: zuhören, erklären und Entscheidungen nachvollziehbar machen. Gleichzeitig müssen wir Sachsen als starken Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort weiterentwickeln - insbesondere im Strukturwandel, bei der Fachkräftesicherung und der Digitalisierung.
TAG24: Worauf freuen Sie sich persönlich?
Michael Kretschmer: Ich freue mich auf Begegnungen mit Menschen im ganzen Land. Diese Gespräche sind für mich nach wie vor die wichtigste Quelle für Motivation und Orientierung. Und ganz persönlich freue ich mich auf Momente, in denen Politik nicht im Vordergrund steht - Zeit mit der Familie, kurze Auszeiten, die helfen, den Blick zu schärfen für das, worum es letztlich geht: Verantwortung für unser gemeinsames Sachsen.
Titelfoto: Hannes P. Albert/dpa

