Er war quasi tot: Bergsteiger will trotz Rollstuhl wieder klettern

Sommer 2008: Bei der Besteigung des Matterhorns stand Andreas Myschor noch auf der Sonnenseite des Lebens. Drei Jahre später überlebt er den Tod.
Sommer 2008: Bei der Besteigung des Matterhorns stand Andreas Myschor noch auf der Sonnenseite des Lebens. Drei Jahre später überlebt er den Tod.

Von Katrin Richter

Dresden - Eigentlich war er schon tot: Im November 2011 erlitt Andreas Myschor (56) einen Herzstillstand. Nur dem beherzten Eingreifen eines Passanten verdankt Andreas, dass er heute noch lebt. Doch dem ehemaligen Hobbyleistungssportler ist das nicht genug. Er will trotz Rollstuhls wieder klettern.

Die Reflexe sind noch da. Sobald Andreas Myschor vor einer Kletterwand steht, öffnet er die spastisch verformte rechte Hand und sucht Halt. Langsam zieht er sich, unterstützt von seiner Trainerin Doreen, an den Griffen nach oben.

Manchmal kann er sein Bein nicht nachziehen, dann hilft ihm Doreen, Tritt zu fassen. Zweimal schon hat Andreas die Acht-Meter-Wand in der Kletterhalle bezwungen.

Durch die Hilfe von Doreen Krause kann Andreas wieder vom Boden abheben.
Durch die Hilfe von Doreen Krause kann Andreas wieder vom Boden abheben.

Ginge es allein nach seiner Willensstärke, würde er schon wieder auf den Gipfeln der Sächsischen Schweiz stehen. Myschor: „Ich will üben, üben, üben. Am liebsten ohne Pause.“

Andreas Myschor war leidenschaftlicher Bergsteiger. Immer wieder zog es ihn auf die hohen Berge wie nach Nepal zum Annapurna, zum Kilimandscharo in Afrika oder auf das Matterhorn (Schweiz). Sein Leben war stets mit Sport verbunden. Er liebte es, an seine Grenzen zu gehen, absolvierte Halbmarathons.

Dann der Schock: Völlig unerwartet fällt der heute 56-Jährige am 4. November 2011 in seinem Heimatort Brand-Erbisdorf mitten auf der Straße um - Herzstillstand!

Ärzte kämpfen um sein Leben. Mit Erfolg. Doch Andreas liegt erst im Koma, später im Wachkoma. Seine Eltern sind nahezu täglich bei ihm.

Aus einem Arzt-Patienten-Verhältnis wurde über die Jahre eine Freundschaft zwischen Ingmar Häntzschel und Andreas Myschor.
Aus einem Arzt-Patienten-Verhältnis wurde über die Jahre eine Freundschaft zwischen Ingmar Häntzschel und Andreas Myschor.

Sprechen mit ihm, erzählen von seinen Abenteuern. Nach rund 100 Tagen im Koma kehrt Andreas nach und nach ins Leben zurück. Die Ursache für den Zusammenbruch wurde medizinisch nie geklärt.

Fakt ist nur: Andreas lebt nach seinem Fast-Tod weiter, muss aber alles wieder neu erlernen - sprechen, laufen, schreiben. Der entstandene Sauerstoffmangel fordert seinen Tribut.

„Noch vor drei Jahren ist Andreas nahezu bewegungsunfähig gewesen“, erinnert sich sein Kletterfreund Ingmar Häntzschel, ein Internist, der Andreas Myschor schon Jahre vor dessen Schicksalstag kannte und mit ihm auf dem Matterhorn stand. „Mittlerweile sitzt er im Rollstuhl und klettert - unfassbar!“

Sein Glück verdankt Myschor einem Kurs für Menschen mit Behinderung, veranstaltet vom Sächsischen Bergsteigerbund (SBB). Häntzschel hatte Kontakt zu einer Übungsleiterin aufgenommen, die sich ehrenamtlich engagiert.

Ein Segen für den gehandicapten Andreas. „Im April 2015 sind wir zum ersten Mal im Liebethal klettern gewesen. Andreas war überglücklich, als er einige Meter vom Boden abheben konnte“, erzählt Veronika Manitz.

Ingmar Häntzschel ist überzeugt vom Klettern als wirkungsvolle Therapieform. Doch geben die starren Strukturen des Gesundheitswesen kaum Raum für indiviuell angepasste Maßnahmen. Das große Ziel von Andreas Myschor, wieder auf einem Gipfel in den Alpen zu stehen, wollen ihm seine Helfer noch in diesem Sommer erfüllen.

Spenden sind willkommen:

Sächsischer Bergsteigerbund
Ostsächs. SPK Dresden
IBAN DE47850503000221027726
Verwendungszweck: 4607

Ein Bild aus glücklichen Tagen. Noch in diesem Jahr will Andreas Myschor seine geliebten Alpen wiedersehen.
Ein Bild aus glücklichen Tagen. Noch in diesem Jahr will Andreas Myschor seine geliebten Alpen wiedersehen.

Fotos: Thomas Türpe, Privat

Titelfoto: Import