Rolli-Fahrerin mit 76 km/h geblitzt

Rolli-Fahrerin Sieglinde Decker (54) soll mit 76 km/h durch die Stadt gebraust sein.
Rolli-Fahrerin Sieglinde Decker (54) soll mit 76 km/h durch die Stadt gebraust sein.

Von Torsten Schilling

Chemnitz - Ganz schön eilig! Mit Tempo 76 soll Sieglinde Decker auf der Leipziger Straße unterwegs gewesen sein. Behaupteten Polizei und Ordnungsamt.

„Wie denn?“ fragt die 54-Jährige. Sie sitzt seit fünf Jahren im Rollstuhl und hat weder ein Auto noch einen Führerschein.

Post vom Ordnungsamt ist nie angenehm. Aber über diesen Bußgeldbescheid aus dem Chemnitzer Rathaus hat sich Sieglinde Decker mächtig aufgeregt: Sie soll am 8. Januar auf der Leipziger Straße in Röhrsdorf bei erlaubtem Tempo 50 ganze 26 Kilometer zu schnell gefahren sein. Ein Punkt in Flensburg, 128,50 Euro Strafe.

Die 54-Jährige war sprachlos. „Und danach habe ich mich richtig geärgert, dass man mir so etwas unterjubeln wollte.“

Auf der Leipziger Straße in Chemnitz soll die Frau unterwegs gewesen sein.
Auf der Leipziger Straße in Chemnitz soll die Frau unterwegs gewesen sein.

Nach einer Krankheit sitzt Sieglinde Decker seit gut fünf Jahren im Rollstuhl, lebt in einem Heim. „Ich hatte noch nie im Leben einen Führerschein. Und ein Auto besitze ich auch nicht.“

Auf dem Foto, das die Polizei bei einer mobilen Geschwindigkeitsmessung gemacht hatte, ist zwar eine Frau zu sehen. Aber gut zu erkennen ist das Gesicht nicht. Das Auto ist auf eine Chemnitzer Firma zugelassen. „Ich kenne dort niemanden“, sagt Sieglinde Decker.

Wie das Chemnitzer Ordnungsamt, das den Fall weiter bearbeitete, ausgerechnet auf Sieglinde Decker gekommen ist, bleibt ein Rätsel. Ein Rathaussprecher sagt, es handle sich im ein „Versehen, einen bedauerlichen Fehler“.

Die Behörde hat den Fehler aus der Welt geräumt: „Sie waren zur Tatzeit nicht der Fahrzeugführer“, so das Ordnungsamt. „Die Aufregung über drei Monate hinweg, hätte ich mir gerne erspart“, sagt Sieglinde Decker.

Fotos: Uwe Meinhold

Titelfoto: Import