Kunst-, Musik- und Sportunterricht streichen? Das halten die Sachsen davon!

Dresden - Im Kultusministerium wird überlegt, die Stundenpläne der Schüler zu entrümpeln. Vorgeblich, um die Mädchen und Jungen zu entlasten. Im Gespräch ist, dass dafür Stunden in den Fächern Sport, Musik und Kunsterziehung gestrichen werden. Die Idee gefällt so manchem Bildungs- und Finanzpolitiker. Breite Teile der Bevölkerung können sich damit aber überhaupt nicht anfreunden. Ein Sturm der Entrüstung zieht auf. Hier einige Stimmen:

Dicker oder dünner Pinsel? Dieses Schulmädchen kann sich nicht entscheiden. Beim Malen lernen Kinder, ihren Ideen Farbe und Form zu geben.
Dicker oder dünner Pinsel? Dieses Schulmädchen kann sich nicht entscheiden. Beim Malen lernen Kinder, ihren Ideen Farbe und Form zu geben.  © Imago

Sabine Ebert, Bestseller-Autorin: "Hier geht es doch nicht um Erleichterungen für Schüler, sondern darum, den gravierenden Lehrermangel schönzurechnen. Warum schaffen wir dann die Schule nicht gleich ab und zeigen den Kleinen nur noch, wie man Emojis verschickt? Hände weg von den musischen Fächern! Heute ist wichtiger denn je, dass unser kulturelles Erbe und das der Welt vermittelt wird."

Christian Dahms, Landes-Sportbund: "Der Schulsport als einziges Bewegungsfach hat einen unschätzbaren Wert für die Gesundheit der Schüler und dient nicht nur der sportlichen Ausbildung, sondern stärkt grundlegende motorische Fähigkeiten und beugt somit Haltungsschäden und Unfällen vor. Zudem kann die Bewegung den Stressabbau fördern und den Zusammenhalt und Teamgeist im Klassenverband stärken."

Roland Ermer, Handwerkstags-Präsident: „Für uns als Arbeitgeber und Ausbilder ist entscheidend, dass junge Leute nach ihrem allgemeinbildenden Schulabschluss nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in der Lage sind, eine Berufsausbildung erfolgversprechend zu stemmen. Das heißt: Uns interessiert zunächst einmal die Ausbildungsreife der künftigen Azubis! Es wäre schon viel gewonnen, wenn der zum Teil noch immer recht hohe Stundenausfall an Oberschulen reduziert wird."

Ein Grundschüler übt Blockflöte. Das Musizieren fordert und fördert die Entwicklung der Kinder.
Ein Grundschüler übt Blockflöte. Das Musizieren fordert und fördert die Entwicklung der Kinder.  © Imago

Michael Richter, Paritätischer Wohlfahrtsverband: „Die Bildungsqualität in Sachsen lässt sich nicht über die Reduzierung von Stundentafeln sichern. Vielmehr muss es um fächerverbindenden Unterricht gehen, indem man beispielsweise das mathematische Potenzial von Kunst oder Musik nutzen und veranschaulichen kann. Freie Schulen könnten da Vorbild sein."

Hartmut Bunsen, Unternehmerverband: „Sport, Musik und Kunst sind wichtig für die kreative und körperliche Entwicklung unserer Kinder. Dies aus den Schulen zu nehmen und den Vereinen zu überlassen, wird das System des Ehrenamts komplett überlasten. Es hat den Anschein, dass damit die Versäumnisse der verfehlten Lehrerpolitik kaschiert werden sollen."

Andris Nelsons, Gewandhauskapellmeister: "Nur wenn Kinder und Jugendliche auch Erfahrungen mit ihrem Innersten, mit ihrem Herzen machen, können sie zu menschlichen, empathischen Wesen heranreifen. Musik, bildende Kunst oder auch Sport haben bei dieser Entwicklung eine zentrale Bedeutung. Kindern und Jugendlichen diese Erfahrungen zu verwehren, halte ich für unverzeihlich."

Michael Becker, LandesElternRat: „Dass Fächer wie Kunst, Musik, Sport und die 2. Fremdsprache zur Diskussion stehen, ist eine Mediale Meisterleistung und lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Verbeamtung ist keine nachhaltige Problemlösung für eine grundständige Lehrerversorgung und Ausbildung. Sondern Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung der Fürsorgepflicht und die Nichterfüllung des staatlichen Bildungsauftrags aufgrund von Lehrermangel.“

Zwei Jungen machen im Sportunterricht Liegestütze um die Wette. Sie haben dabei gemeinsam viel Spaß am Kräftemessen.
Zwei Jungen machen im Sportunterricht Liegestütze um die Wette. Sie haben dabei gemeinsam viel Spaß am Kräftemessen.  © Imago

Noah Wehn, LandesSchülerRat: „Die künstlerisch-musische Bildung als kleinste Fächergruppe sollte in der Orientierungsstufe keine weitere Kürzung hinnehmen müssen im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung und Kreativitätsförderung. Dass auch Eingriffe in die 2. Fremdsprache erfolgen sollen, ist inakzeptabel. Die Globalisierungs-Generation braucht nicht weniger, sondern mehr Fremdsprachenkenntnis!“

Ulf Heinemann, Robotron Datenbank-Software GmbH: "MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik; Anm. d. Red.) stehen aktuell und in Zukunft im Fokus der Wertschöpfung in Sachsen. Aus Sicht eines IT-Unternehmens ist die Stärkung dieser Fächer von großer Relevanz. In dieser Debatte geht es aus meiner Sicht nicht primär um eine pauschale Kürzung in dedizierten Bereichen, sondern vielmehr um die Frage einer sinnvollen Begrenzung der unendlichen Breite in allen Fächern! Schwerpunkt sollte daher Qualität statt Masse sein."

Jan Vogler, Cellist: "Ich halte das, gerade auch mit Blick auf den internationalen Vergleich, für einen Fehler. Deutschland - und speziell Sachsen - hat einen sehr guten Ruf im Bezug auf kulturelle und sportliche Bildung. Diesen Vorsprung können wir aber auch leicht verlieren. Kinder haben unglaublich viel Energie. Je höher die Zivilisation, umso vorsichtiger wird eine Gesellschaft mit der Belastbarkeit der jungen Menschen, das schafft neue Probleme."

Markus Schlimbach, Verdi Sachsen: „Die Stundenbelastungen der Schülerinnen und Schüler in Sachsen sind sehr hoch, unter anderem auch deshalb, weil der Abiturstoff in 12 und nicht wie sonst üblich in 13 Jahren geschafft werden muss. Eine Stundenkürzung in Sport, Musik und Kunst halte ich für völlig falsch. Die Schulbildung muss alle Richtungen abdecken. Eine Überarbeitung und Modernisierung des Lehrplanes und -Stoffs ist aber insgesamt notwendig und überfällig.“

Holk Freytag, Präsident der Sächsischen Akademie der Künste: "Eine weitere Ausblendung des kreativen Potenzials der Fächer Kunst und Musik reduziert das Lehrangebot der Schulen und damit die Vermittlung von Fähigkeiten, die nicht nur wichtig für den erfolgreichen Weg in den Arbeitsmarkt sind. Für eine kulturell so bedeutende Landschaft wie Sachsen ist dies ein Armutszeugnis."