Neue Rotlicht-Regeln! Schon bald wird in Bordellen alles anders sein

In den sächsischen
Wohnungsbordellen
arbeiten
auch etliche
Osteuropäerinnen.
Ob es für die neue
Anmeldepflicht
bei den Behörden
mehrsprachige
Formulare oder
Dolmetscher gibt,
ist unklar.
In den sächsischen Wohnungsbordellen arbeiten auch etliche Osteuropäerinnen. Ob es für die neue Anmeldepflicht bei den Behörden mehrsprachige Formulare oder Dolmetscher gibt, ist unklar.

Sachsen - Achtung, Verkehrskontrolle! Sex nur noch mit Gummi - und Huren brauchen einen Prostitutions-Ausweis: Das älteste Gewerbe der Welt erfährt ab Juli ein paar Neuerungen. Bordellbetreiber sehen das Prostitutionsschutzgesetz kritisch. Den Mädchen nützt es angeblich wenig. Die Branche fürchtet, dass nun der illegale Markt befeuert wird.

Purpurnes Negligé, dralles Dekolleté, die Lippen in Paris-Rot - das ist Mandy (37). Traumberuf: Sexarbeiterin. Ihre Familie, eigentlich halb Dresden, weiß Bescheid, wie sie sagt. Dennoch fühlt sie sich nun stigmatisiert. Mandy: „Es ist wie im Mittelalter, als Huren nur rote Kleider tragen durften.“

Einem sächsischen Beamten muss Mandy nun erklären, dass sie zurechnungsfähig ist und ihren Job freiwillig ausübt. Das Problem: „Die Gesellschaft akzeptiert uns überhaupt nicht.“

Allein in Dresden sind laut Gesundheitsamt etwa 600 Sexarbeiterinnen, 100 Sexarbeiter und einige Ladyboys erfasst. In Leipzig dürften es ähnlich viele sein, in Chemnitz eher die Hälfte. Sie alle sollen ab 1. Juli mit zwei Passfotos, einem Gesundheitsnachweis und der Postadresse vom Hauptwohnsitz persönlich bei den Behörden vorsprechen.

Viele Sexarbeiterinnen befürchten, dass ihre Familien kontaktiert werden, um zu prüfen, ob eine Zwangsprostitution vorliegt.
Viele Sexarbeiterinnen befürchten, dass ihre Familien kontaktiert werden, um zu prüfen, ob eine Zwangsprostitution vorliegt.  © 123RF

Bis zum Jahresende - solange dauert die Übergangszeit - brauchen die sächsischen Liebesdienstleister eine gültige Bescheinigung. Ohne Prostitutions-Ausweis dürfen Bordellbetreiber dann niemanden mehr arbeiten lassen.

Mandy sorgt sich jedenfalls um ihre Daten. Keine Behörde konnte ihr bislang erklären, wie sicher ihre Informationen im Computer gespeichert sind. „Was, wenn sie in falsche Hände gelangen?!“ Existenzen stehen auf dem Spiel. „Viele ernähren ihre Familien mit dem Beruf.“

Auch Sandra* (23) schickt alle zwei Tage die Hälfte ihrer Einnahmen per Western Union nach Ungarn. Die Anmeldepflicht nimmt sie gelassen. Doch viele ihrer Kolleginnen fürchten, dass die Behörden womöglich ihre Familien anschreiben. Beispielsweise um zu klären, ob Zwangsprostitution vorliegt.

Ob das neue Prostitutionsschutzgesetz dem illegalen Rotlicht-Gewerbe wirklich einen Riegel vorschiebt, ist fraglich. „Mädchen, die sich nicht anmelden können, werden mehr denn je zu Opfern“, glaubt Mandy. Sie geht davon aus, dass die Ware Frau künftig in noch schnelleren Rotationsverfahren durch Hotels und Privatwohnungen gereicht wird.

Neue Bleibe gesucht:
Nach Feierabend
dürfen die Mädchen
nicht mehr in ihren
Arbeitsbetten übernachten.
Neue Bleibe gesucht: Nach Feierabend dürfen die Mädchen nicht mehr in ihren Arbeitsbetten übernachten.

Auch in puncto Gesundheit kommt der Schutz der Sexarbeiterinnen zu kurz. Ein „Bockschein“ wird nicht wieder eingeführt. Der Milieu-Begriff steht für das Gesundheitszeugnis, das registrierte Prostituierte bis 2001 einmal pro Monat erneuern mussten. Dabei befürworten die Mädchen den regelmäßigen Gesundheitscheck durchaus. Doch der Gesetzgeber verlangt lediglich eine Gesundheitsberatung.

Tatsächlich könnten Chlamydien, Tripper und Feigwarzen der Vergangenheit angehören, wenn sich die Freier an die neue Kondompflicht halten. Ob oben, unten, vorne oder hinten, per Gesetz ist „ohne“ jetzt tabu. Bei Nichteinhaltung droht den Kunden eine 50.000-Euro-Strafe. Stellt sich nur die Frage, wer den Präser wie kontrollieren soll...

Auch auf die Bordellbetreiber kommen einige Änderungen zu. Puffmutter Patrizia Nova* (60) hat Mitte Mai erstmal den Techniker bestellt. Ab Juli muss sie beispielsweise Notfallknöpfe in den Zimmern installieren.

Das neue Prostitutionsschutzgesetz greift ab 1. Juli, wirft aber noch viele Fragen auf.
Das neue Prostitutionsschutzgesetz greift ab 1. Juli, wirft aber noch viele Fragen auf.

Nur den Sinn dahinter hat sie noch nicht kapiert: „Wo soll der denn Signal geben - bei der Polizei, in der Küche, beim Nachbarmädchen?“ In 15 Jahren kam es zwar noch nie vor, doch was, wenn die Notfall-Klingel einmal läutet? „Da bin ich nicht kompetent.“

Der Notfallknopf ist nur eine von diversen baulichen Umbaumaßnahmen. Prostitutionsstätten brauchen künftig auch getrennte Duschen, geeignete Aufenthalts- und Pausenräume, Schließfächer sowie getrennte Arbeits- und Schlafräume.

Vor allem die zusätzlichen Übernachtungsmöglichkeiten sprengen den Kostenrahmen von Bordellbetreiber Lothar Schreiber* (45) bei weitem: „Seit Jahren kann ich mir keinen neuen Mercedes leisten.“ Noch sucht er nach einer Lösung. Ein Zimmer mit Doppelstockbetten ist undenkbar. „Die Mädchen brauchen Privatsphäre.“

Die Rechnung ist einfach: Mehr Ausgaben verursachen höhere Kosten. Mandy und ihre Kolleginnen wollen die Preise ab Juli deshalb um 20 Prozent erhöhen.

Künftige Pflichten der Bordellbetreiber

Bordellbesitzer müssen bald einige Auflagen mehr erfüllen.
Bordellbesitzer müssen bald einige Auflagen mehr erfüllen.
  • Kondome, Gleitmittel und Hygieneartikel müssen auf den Zimmern bereitstehen. Okay, nur welche Marke, grübeln die Bordellbetreiber: Durex, London, Billy Boy? Wie bei Zahnpasta sind die Verträglichkeiten auch bei den Präsern und Gleitmitteln individuell.
  • Bordellbetreiber müssen auf die Kondompflicht durch Kunden und Prostituierte hinwirken. Ein gut sichtbares Schild aufhängen ist sicher nicht das Problem. Aber was erwarten die sächsischen Behörden sonst? Sollen Puff-Mütter jetzt Videokameras aufhängen oder Stichproben durchführen
  • Die Arbeitsräume dürfen von außen nicht mehr einsehbar sein. Wie sollen wir jetzt lüften, fragen sich die Bordellbetreiber. Dürfen die zuklebten Fenster überhaupt noch geöffnet werden?
  • Prostituierte dürfen nicht mehr in ihren Arbeitsbetten übernachten. Bordellbetreiber brauchen jetzt zusätzliche Schlafmöglichkeiten. Doch wie will man die Arbeitszeiten prüfen. Müssen Liebesdamen jetzt einen „Fahrtenschreiber“ führen, um ihre Ruhezeiten nachzuweisen - etwa so wie LKW-Fahrer?

Schwieriger „Gummi-Paragraf“

Die Kondom-Pflicht ist nicht leicht prüfbar.
Die Kondom-Pflicht ist nicht leicht prüfbar.

Die Kondompflicht lässt sich praktisch nicht überwachen.

Mitarbeiterinnen des Ordnungs- oder Gesundheitsamtes müssten sich als Sexarbeiterin ausgeben, um die Freier zu kontrollieren. Dies wäre aus logistischen und ethischen Gründen nicht umsetzbar.

Auf Verstöße des Werbeverbots für sexuelle Dienstleistungen ohne Kondom und auf Anzeigen können die sächsischen Behörden aber durchaus reagieren.

Ob solche Anzeigen zu Bußgeldverfahren führen, ist jedoch unklar. Denn meist handelt es sich um intime Situationen ohne Zeugen.