Software erkennt, ob Du schwul bist

Wissenschaftler glauben, dass mit einem "trainierten künstlichen neuronalen Netzwerk" die sexuelle Orientierung von Menschen aus deren Gesichtern abgelesen werden könne.
Wissenschaftler glauben, dass mit einem "trainierten künstlichen neuronalen Netzwerk" die sexuelle Orientierung von Menschen aus deren Gesichtern abgelesen werden könne.  © 123RF

Stanford - Schwul, lesbisch, hetero... Können Computer die sexuelle Orientierung eines Menschen erkennen? Dieses Thema wird in den sozialen Medien heftig diskutiert.

Professor Michal Kosinski (Big-Data-Wissenschaftler) und Computerpsychologe Yilun Wang von der Stanford University publizierten jüngst eine Studie im "Journal of Personality and Social Psychology". Darin zeigten sie, wie ein Computer per Gesichterkennungssoftware die sexuelle Orientierung von Menschen analysiert.

Sofort kochte ein Shitstorm hoch. Und das nicht ohne Grund!

Was einst im 19. Jahrhundert auch eine Grundlage für die "Rassenkunde" gewesen ist - die Phrenologie, bei der etwa der Arzt Franz Joseph Gall oder der Psychiater Cesare Lombroso glaubten, aus der Schädelform auf das Gehirn und vor allem auf charakterliche Eigenschaften oder die Intelligenz eines Menschen schließen zu können -, könnte nun eine Fortsetzung finden.

Dafür nutzen die Wissenschaftler Kosinski und Wang ein Bilderkennungs- und KI-Programm (Künstliche Intelligenz).

Die rot markierten Stellen im Gesicht von Männern und Frauen dienen den Wissenschaftlern angeblich zur Erkennung der sexuellen Orientierung.
Die rot markierten Stellen im Gesicht von Männern und Frauen dienen den Wissenschaftlern angeblich zur Erkennung der sexuellen Orientierung.

Für den Gesichts-Test wurde "zufällig" die sexuelle Orientierung ausgewählt. Diese sei nämlich "eine intime psycho-demografische Eigenschaft, die nicht leicht von anderen entdeckt wird", so die Experten.

Wie Telepolis schreibt, sind "androgene Hormone auch für die Geschlechterunterschiede im Gesicht verantwortlich". Demnach müssten Schwule mehr weibliche und Lesben mehr männliche Gesichtszüge als Heterosexuelle haben. Also hätten schwule Männer kleinere Kiefer und Kinne, längere Nasen und eine größere Stirn, während dies bei Lesben andersherum sein sollte.

Und da Hormone u. a. das Verhalten bestimmen, würden Homosexuelle auch etwa eine geschlechtsspezifische Mimik besitzen und sich entsprechend verschönern, was durch die Gay-Kultur noch verstärkt werden könnte.

Hier setzten die Wissenschaftler an: Mit nur einem Foto erkannte das Computer-Programm 81 Prozent der schwulen Männer und 74 Prozent der abgebildeten lesbischen Frauen. "Menschliche Probanden, denen die gleichen Bilder vorgelegt wurden, kamen hier nur auf 61 und 54 Prozent Trefferquote", so die Studie. Noch erstaunlicher wurden die Ergebnisse, als man dem Rechner fünf Bilder einer Person vorlegte. Dann erkannte die Software 91 Prozent der homosexuellen Männer und 83 Prozent der Lesben.

Kosinksi und Yang ist bewusst, dass sie mit dem Programm ein umstrittenes Terrain betreten. Und so thematisiert die Studie auch mögliche Missbrauchsmöglichkeiten solcher Technologien.

In der Stellungnahme dazu schreiben die Wissenschaftler: "Wir haben kein Werkzeug gebaut, um in die Privatsphäre von Menschen einzudringen. Wir haben existente Technologien studiert, die bereits von zahlreichen Unternehmen und Regierungen eingesetzt werden, um zu sehen, ob diese ein Risiko für die Privatsphäre von LGBTQ-Individuen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, die Red.) darstellen. Es hat uns zutiefst erschreckt, das bestätigt zu finden."

Titelfoto: 123RF