Dieser Arzt schenkt afrikanischen Kindern ein normales Leben

Stuttgart - In seiner orthopädischen Klinik in Stuttgart Botnang operiert Johannes Kolbe gerissene Bänder und Sportverletzungen, in Afrika korrigiert der Orthopäde Klumpfüße und krumme Beine und schenkt damit Kindern eine Chance auf ein normales Leben. TAG24 hat mit ihm über sein Engagement gesprochen.

Dr. med Johannes Kolbe in einem Behandlungszimmer der Orthopädischen Klinik Botnang.
Dr. med Johannes Kolbe in einem Behandlungszimmer der Orthopädischen Klinik Botnang.  © TAG24

Auf dem Schreibtisch steht eine Figur mit zwei hölzernen Giraffen - ein Mitbringsel aus einem Einsatz, erinnert sich Dr. med Johannes Kolbe.

Mit der spendenfinazierten Organisation "Mercy Ships" geht der 58-jährige Arzt auf See entlang der afrikanischen Küste und operiert ehrenamtlich in seinem Urlaub Kinder, die kaum laufen können, weil ihre Beine um 90 Grad gedreht sind, auf ihrem Fußrücken gehen oder sie Fehlstellungen haben, die nicht behandelt wurden .

"Es ist so schön das Strahlen der Kinder zu sehen, wenn sie ihr eingegipstes, aber gerades Bein nach der OP sehen." Damit hat er sich bereits einen Traum aus Studienzeiten erfüllt - seine eigenen Kinder sind inzwischen erwachsen und er kann sich diesem besonderen Engagement widmen.

Warum tut er das? Die Familien sind ihm unendlich dankbar und er bekommt soviel zurück: "Das tut gut."

Ein junger Mann ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Er hatte eine Infektion im Arm, der abstarb und stark nach Verwesung roch. "Der 26-Jährige wurde von der Gemeinde ausgestoßen und wäre bald an einer Blutvergiftung gestorben." Kolbe amputierte den Arm des Mannes und als er am nächsten Tag das Patientenzimmer betrat, lachte ihn ein Mann mit seinem Armstummel freudestrahlend an. Er nahm in kurzer Zeit rund fünf Kilo zu und konnte wieder rennen. "Das hat mich berührt, ich habe ihm den Arm amputiert und er war dankbar. "

Johannes Kolbe operiert mit einem Kollegen ein Kind auf dem Schiff "Mercy Ships".
Johannes Kolbe operiert mit einem Kollegen ein Kind auf dem Schiff "Mercy Ships".  © Mercy Ships

"Solche Operationen gibt es bei uns gar nicht", sagt Kolbe. Fehlstellungen wie Klumpfüße oder X- und O-Beine werden in unserer westlichen Welt kurz nach der Geburt korrigiert.

In dem Ausmaß, wie er es in Dritte-Welt-Ländern gesehen habe, gibt es das bei uns nicht.

Diese Operationen hat der Chirurg nicht im Studium gelernt, sondern musste sich Techniken aneignen. Eine ganz besondere Herausforderung, denn die Organisation möchte möglichst vielen Patienten helfen. Daher muss die Korrektur in einer Operation erfolgen. In Deutschland würde er sich mehrere OP-Termine freihalten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Zudem steht der Orthopäde neben den besonders schwierigen Operationen oft vor anderen Herausforderungen: Durch Mangelernährung haben die kleinen Patienten oft brüchigere Knochen.

Johannes Kolbe mit einem Kind nach einer Operation.
Johannes Kolbe mit einem Kind nach einer Operation.  © Mercy Ships

Neben den körperlichen Einschränkungen leiden die jungen Menschen oft unter Ausgrenzung. "Manche Familien glauben, dass böse Geister sie befallen haben und verstecken ihre Kinder", berichtet Kolbe.

Immer wieder sieht er auch Narben von Verbrühungen an den Extremitäten, die traditionelle Heiler den Kindern zugefügt haben.

Die Hoffnung ist groß: Viele der Familien haben mehrtägige Reisen zum Schiff hinter sich.

Die Operationen werden in dem Bauch der ehemaligen dänischen Fähre durchgeführt, denn in Ländern wie dem Kamerun oder in Guinea sind die hygienischen Standards selbst in Krankenhäusern zu niedrig, um Entzündungen bei OPs zu vermeiden.

An Bord arbeiten rund 400 Ehrenamtliche aus 40 verschiedenen Ländern, zusätzlich kommen am Tag noch weitere 200 Mitarbeiter für die Versorgung hinzu.

Unter diesen schwierigen Voraussetzungen gibt der Arzt alles: Rund 70 Operationen führt der gläubige Christ während eines Einsatzes durch.

Ein Kind mit einem Bein in einer Fehlstellung auf einem Operationstisch.
Ein Kind mit einem Bein in einer Fehlstellung auf einem Operationstisch.  © Mercy Ships

"Nicht jedem Patienten können wir helfen", berichtet Kolbe. Das falle ihm und dem Team natürlich schwer und belaste ihn, diese Nachricht an die Familie zu übermitteln, die ihre ganze Hoffnung auf die westlichen Ärzte gesetzt hat.

Doch die christliche Organisation steht den Familien auch in diesen Zeiten bei. Orthesen können manchen Kindern auch schon ein wenig helfen. Manchmal muss es aber auch bei tröstenden Worten bleiben.

Nach rund zwei Wochen und vielen Operationen geht der Doktor von Bord - zurück nach Deutschland in die Orthopädische Klinik. Und während er wieder seine deutschen Patienten behandelt, bekommt er etwa ein halbes Jahr später Feedback von den Behandlungsverläufen der Kinder von "Mercy Ships" und das ist eine große Freude, denn viele sind positiv. Sein Sohn hat in seiner Doktorarbeit die gelungene Arbeit seines Vaters bewiesen.

Und der nächste Einsatz wartet schon: Im Januar 2020 geht es nach Dakar, die Hauptstadt des Senegal - diesmal mit seiner Frau - und dort warten sicher wieder viele junge Menschen, dessen Schicksal der Arzt verändern wird.

"Wenn ich gesund bleibe, mache ich das noch lange." Gerne würde Kolbe auch für einen längeren Zeitraum auf das Schiff gehen - vielleicht in seinem Ruhestand.