Das verraten uns unsere Träume

Doris Kuhnert (54) arbeitet als selbstständige Traumdeuterin.
Doris Kuhnert (54) arbeitet als selbstständige Traumdeuterin.  © Uwe Meinhold

Dresden - Träume sind keine Schäume! Das nächtliche Kopfkino hat seinen ganz eigenen Sinn. Denn es erzählt Storys über seinen „Produzenten“: Weil letztlich das Leben den Stoff schreibt, aus dem unsere Träume sind.

Wer sich mit seinen Träumen beschäftigt, lernt sich selber besser kennen. Er versteht, dass er selbst etwas tun kann, um als „Regisseur“ im Schlaf traumhaft erfolgreich zu werden. Lest hier, wie Doris Kuhnert (54) aus Lobstädt zur Traumdeuterin wurde. Warum Laster-Lenken im Traum bedenklich ist und was gegen Alpträume hilft.

Es scheint fast, als bereite die Erinnerung Doris Kuhnert noch körperliche Schmerzen. „Vor etwa zehn Jahren war ich körperlich und seelisch am Ende“, erzählt sie. In jenen trüben Wochen und Monaten musste sie den Verlust von lieben Angehörigen und persönliche Enttäuschungen überwinden.

Doris Kuhnert: „Das hat mich an den Rand meiner Kräfte gebracht. Am Tag plagten mich schwere Magenkrämpfe und in der Nacht schlimme Träume.“

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Die Schulmedizin fand kein Mittel gegen ihre Leiden. Eine Heilpraktikerin gab ihr schließlich den Tipp, sich mit ihren Träumen auseinander zu setzen. Doris Kuhnert tat es und begann, sich zu belesen.

„Ich verschlang damals förmlich jede Fachliteratur, die ich über Träume in die Finger bekam. Übers Internet fand ich dann sogar jenseits der Landesgrenzen eine Therapeutin.“ Doris Kuhnert begann Traum-Tagebuch zu führen. Je intensiver sie sich mit ihren „Erlebnissen“ der Nacht auseinander setzte, desto mehr verstand sie sich selbst - und ihre ureigensten Ängste, Sorgen, aber auch Bedürfnisse.

„Ich habe mich durch die Traumdeutung selbst erkannt“, sagt Doris Kuhnert. Sie vergleicht die Traumdeutung mit einem großen Haus.

Kuhnert: „Wer es betritt, dem öffnen sich ständig neue Türen.“ Sie ergänzt: „Es braucht Mut, seine Träume zu analysieren. Jeder, der das tut, sollte sich vorab bewusst machen, dass man durch die Traumdeutung auch die Schattenseiten seiner Persönlichkeit vorgeführt bekommt.“

Doris Kuhnert erholte sich von Kummer und Pein, blühte langsam wieder auf. „Im Verlauf von vier Jahren hatte ich gelernt, auf meinen ‚Siebten Sinn‘ zu hören. Den hatte ich bis dahin immer verdrängt“, sagt die Lobstädterin.

In ihr reifte die Idee, ihr neues Wissen und ihre heilsamen Erfahrungen anderen zugute kommen zu lassen. Vor drei Jahren meldete sie ein Gewerbe als Lebensberaterin und Traumdeuterin an.

„Ich behandle und coache nur Gesunde“, stellt Kuhnert klar. Die Traumdeuterin weiß: „Jeder träumt, um seine Erlebnisse zu ‚verdauen‘. Im Traum verarbeitet das Unterbewusstsein das Erlebte und speichert es ab als abrufbares Muster für künftige Ereignisse.“ Die ruhige Sächsin ist überzeugt: „Wenn wir uns an Träume erinnern, ist das ein Zeichen, dass etwas an die Oberfläche will.“

Diese Erkenntnis fußt auf der Erfahrung: Der Mensch verdrängt im Alltag viel. Sein Geist arbeitet das in der Nacht auf - frei von Zwängen oder Ängsten. „Wenn sich Dinge in Träumen oft wiederholen, ist das ein Hinweis darauf, dass der Geist sie noch nicht abgeschlossen hat.“

Das Schöne am Träumen: Da ist alles möglich. Lahme können fliegen. Stumme singen. Blinde sehen.

Doris Kuhnert: „Die Menschen träumen verschieden, jeder Traum muss individuell gedeutet werden. Symbolen aus dem Traum kann man dazu klare Bedeutungen zuordnen - in Verbindung zu den Träumenden.“

Bloßes Verdrängen hilft bei Albträumen nicht

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Wer von wiederkehrenden Albträumen geplagt wird, kann die Lust am Leben verlieren.

Experten schätzen, dass rund fünf Prozent der Bevölkerung unter Albträumen leiden. Doris Kuhnert: „Die meisten versuchen, sie direkt wieder zu vergessen.“

Das hilft für den Moment. Gelöst wird das Traum-Problem damit aber nicht. Zwei andere Methoden versprechen hingegen Erfolg.

Die Grundidee der sogenannten „Imagery Rehearsal Therapy“ lautet, aus dem Albtraum eine harmlose Geschichte zu machen. Dafür muss man sich im Wachzustand eine Strategie zur Bewältigung der Albtraumsituation überlegen.

Kuhnert: „Betroffene sollten sich diese alternative Lösung des Albtraums immer wieder vorstellen und in Gedanken bei Tage durchspielen.“ Nachts greift das Unterbewusstsein dann auf diesen „B-Plan“ zu.

Eine andere Möglichkeit ist die Technik des so genannten luziden Träumens. Dabei macht man sich im Traum bewusst, dass man träumt. Kuhnert: „Dann kann man den Traum beeinflussen.“

Das luzide Träumen ist erlern- und trainierbar - zum Beispiel durch Entspannungstechniken oder Hypnose.

Und wovon träumst Du so?

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Manche Situationen kehren in Träumen immer wieder. Was hat das zu bedeuten? Zehn Beispiele samt möglicher Erklärungen.

Laster lenken: Wer damit im Traum häufig beschäftigt ist, trägt im Leben eventuell eine zu große Last. Oder er hat etwas zu transportieren und zu überbringen - im übertragenen Sinn natürlich.

Freier Fall: Menschen, die Angst vor einem Kontrollverlust haben, träumen häufig davon. Auch Angst vor einem sozialen Abstieg kann der Grund für solche Träume sein.

Probleme beim Treppensteigen: Die Treppen könnten ein Symbol sein für den Zutritt in andere geistige oder emotionale Ebenen. Das könnten etwa „verschüttete“ oder „übersteigerte“ Gefühle und Erwartungen sein. Infrage kommen aber auch bedeutsame Erinnerungen, Wissen.

Hausbesichtigungen: Das Haus wird zumeist als Symbol für das „Ich“ des Träumenden gesehen. Analog der Etagen des Hauses lassen sich Beziehungen in den Traum hineininterpretieren - etwa Dachgeschoss gleich Kopf, Keller gleich Unterbewusstsein. Der Haus-Traum kann aber auch als Ausdruck des unterbewussten Wunsches nach der Veränderung der persönlichen Wohn- und Lebenssituation „verstanden“ werden.

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Wasser : Die Sehnsucht nach Urlaub oder eine Auszeit drückt sich so mitunter aus. Eine weitere Interpretations-Variante sieht im Wasser einen Ausdruck für ungeklärte Gefühlswelten. Warmes Wasser weist hin auf Wohlbefinden und kaltes auf emotionale Unterkühlung.

Zuspätkommen: Naheliegende Erklärung wäre, dass jemanden große Ängste plagen, unpünktlich zu sein. Die Sorge, im Leben etwas zu verpassen, könnte aber auch dahinterstecken. Es wäre auch denkbar, dass vor dem Träumenden Aufgaben liegen, die zu groß für ihn sind.

Prüfungen: Hinter solchen Träumen stecken oft Urängste vor dem Versagen. Menschen, die sich im Traum oft Prüfungen stellen müssen, drücken nicht selten Zweifel am eigenen Selbstwert.

Schweben (ähnlich dem Fliegen): Wer sich so im Traum genussvoll (!) fortbewegt, scheint mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein. Man könnte das Schweben auch mit dem Hochgefühl gleichsetzen, „über den Dingen zu stehen“ und „alles im Griff zu haben“. Andere Erklärungen für den Schwebe-Zustand wäre der Wunsch nach „Befreiung“ aus Zwängen, welche die eigene Persönlichkeit „fesseln“. Oder das Streben nach „Lufthoheit“ und einem „Stand“ über den Dingen.

Hund: Die meisten Deutungen sehen darin die Suche nach bedingungsloser Liebe, Gehorsamkeit, Loyalität und Zuverlässigkeit. Eigener Zweifel kommt aber auch infrage: Bin ich zuverlässig? Was liebe ich bedingungslos?

Sex: Intime Träume können verschiedenen „Quellen“ entspringen - zum Beispiel einem unbefriedigendem Sexualleben oder der Lust, neue Arten des Liebesspiels auszutesten. Heiße oder schwüle Träume sollte man nicht auf den Geschlechtsakt reduzieren. Sie können auch einfach dem Verlangen Ausdruck verleihen, mit jemandem ein harmonisches Team zu bilden, als Einheit zu „verschmelzen“. Pornografische Träume sind absolut kein Grund zum rot werden.

Die Traumdeuterin Doris Kuhnert sagt: „Begegnungen in Träumen können Anteil an der eigenen Persönlichkeit enthalten.“ Sie ergänzt fast mahnend: „Im Traum wird vieles überspitzt. Trotzdem sollte jeder seine Träume ernst nehmen - vor allem die stetig wiederkehrenden.“

Ob tiefer oder leichter Schlaf - geträumt wird offenbar immer

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Mediziner unterteilen den menschlichen Schlaf in verschiedene Stadien: Phasen mit weniger tiefem Schlaf wechseln sich ab mit Tiefschlafphasen, in denen der Schlafende schwerer aufzuwecken ist.

„Die Phasen können vor allem anhand der Hirnaktivität abgelesen werden“, erklärt Michael Schredl, Leiter der Schlafforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (Mannheim). Schredl und seine Kollegen unterscheiden beim Schlaf REM- und NonREM-Phasen. Das Kürzel REM steht dabei für „Rapid-Eye-Movement“.

Schnelle Augenbewegungen unter geschlossenen Lidern sind in dieser Phase typisch. Der Rest der Muskulatur des Schlafenden bleibt gleichzeitig völlig in Ruhe - sprich abgeschaltet und außer Betrieb. Das Gehirn „tourt“ in den REM-Phasen hoch und „fährt runter“ während der Tiefschlafphasen.

Alle Schlafstadien werden pro Nacht mehrmals und stufenweise durchlaufen. Dabei dauert ein Zirkel etwa 90 bis 120 Minuten. Schredl erläutert: „In der ersten Nachthälfte überwiegt der Anteil der Tiefschlaf-Phasen und in der zweiten der REM-Schlafanteil. Geträumt wird aber prinzipiell während des gesamten Schlafs.“

Der Wissenschaftler kann im Schlaflabor mithilfe der Messung von Hirnströmen nachweisen, wie „faul“ oder „betriebsam“ das Gehirn ist. Schredl: „In der Forschung gehen wir davon aus, dass die Träume im REM-Schlaf aktiver und intensiver sind, weil auch das Gehirn in dieser Phase aktiver ist.“

Welcher „Film“ im Traum bei den Schlafenden allerdings läuft, das kann er nicht „sehen“ oder sagen.