Uhren-Wissen für Fortgeschrittene: Spannende Fakten rund um den Zeitmesser

Deutschland – Uhren gehören mittlerweile so selbstverständlich zu unserem Leben, dass wir sie häufig gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Dabei handelt es sich um teils unglaublich aufwendige technische Kunstwerke.

Nicht alle guten Uhren kommen aus der Schweiz – allerdings kommen aus der Schweiz nur gute Uhren. Sie alle sind das Ergebnis jahrhundertelanger Entwicklung.
Nicht alle guten Uhren kommen aus der Schweiz – allerdings kommen aus der Schweiz nur gute Uhren. Sie alle sind das Ergebnis jahrhundertelanger Entwicklung.  

Ein Exemplar hat sicherlich jeder von uns am Handgelenk oder zuhause bei seinem Schmuck: Uhren zählen zu den beliebtesten Accessoires, sind für viele darüber hinaus aber auch ein praktischer und funktionaler Begleiter.

Die Welt der Zeitmesser liefert über die allgemein bekannten Details hinaus durchaus überraschende Fakten und kuriose Geschichten.

Wir haben einige davon zusammengetragen, die selbst eingefleischte Uhrenliebhaber und alle, die es werden wollen, verblüffen können.

Tradition pur – sehr häufig aus der Schweiz

„Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk“ – hinter diesem Spruch steckt mehr, als ein Klischee. Das Land darf sich rühmen, als Wiege des klassischen Uhrmacherhandwerks zu gelten. Sie behielten den Fokus auch auf der handwerklichen Tradition, als die Zeitmesser zunehmend digitaler wurden.

Das zeigt sich gerade, wenn man einen Blick auf die ältesten noch bestehenden Uhrenmarken wirft. Zwar wurde auch in anderen Regionen, etwa dem Schwarzwald, viel Grundlagenarbeit getan. Aber nirgendwo anders gibt es aus dem Hier und Heute einen geradlinigeren Pfad zurück in die Geschichte der Uhren.

Die ältesten Uhrenmanufakturen der Welt

Tatsache ist, dass es nur wenige große und kleine renommierte Uhrenhersteller gibt, die erst in jüngster Zeit entstanden sind – praktisch keine wurden nach dem Jahrtausendwechsel gegründet; ein erklecklicher Teil wurde im 20. Jahrhundert groß.

Einige Hersteller dürfen sich hingegen rühmen, Jahrhunderte überdauert zu haben. Die ältesten, die noch, oder zumindest nach einem „Dornröschenschlaf“ wieder Uhren fertigen, sind folgende Unternehmen:

  • Vacheron Constantin: Der im schweizerischen Plan-les-Ouates angesiedelten Manufaktur gebührt der Ruhm, der älteste durchgängig operierende Uhrenhersteller der Welt zu sein, der alle Krisen und Wendungen überstand. 1755 entstand die Marke als Micro-Manufaktur mit nur einem Meister – Jean Marc Vacheron – und einem Auszubildenden. Heute gehört das Unternehmen zur Richemont Group und fertigt nach wie vor Luxusuhren.
Ohne eine hochpräzise Zeitmessung als Hilfe für die Navigation war das Reisen zur See früher noch sehr gefährlich. Seefahrt war deshalb immer ein wichtiger Triebmotor für Uhrenentwicklung.
Ohne eine hochpräzise Zeitmessung als Hilfe für die Navigation war das Reisen zur See früher noch sehr gefährlich. Seefahrt war deshalb immer ein wichtiger Triebmotor für Uhrenentwicklung.  
  • Ferdinand Berthoud: Der französische Uhrenmacher startete seine Werkstatt in Paris zwar bereits zwei Jahre vor Vacheron Constantin. Allerdings pausierte die Unternehmensgeschichte, nachdem 1876 Charles-Auguste Berthoud das Zeitliche gesegnet hatte. Bis dahin war die Manufaktur für wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet der Schifffahrtsuhren verantwortlich – absolut unabdingbar für präzise Navigation auf den Meeren. 2013 wurde die Chronométrie Ferdinand Berthoud von der schweizerischen Chopard Gruppe neu erweckt.
  • Jaquet Droz: Auch dieser Firmenname aus der Schweiz wurde weit vor unserer Zeit begründet, nämlich 1738. Neben Uhren, die bis nach China vertrieben wurden, war das Unternehmen generell im Bereich mechanischer Automaten höchst umtriebig. Für das Aus des Herstellers sorgten die Feldzüge Napoleons, durch die der internationale Handel mit Luxuswaren völlig erlahmte – die Droz-Uhren waren enorm luxuriös. Im Jahr 2000 reanimierte die Swatch Group den Namen und fokussiert sich damit abermals auf hochwertigste Zeitmesser.
  • Favre-Leuba: Diese schweizerische Manufaktur hätte als erstes in dieser Liste stehen können. Denn begründet wurde sie 1737 und bestand bis in die 1980er Jahre. Bis dahin hatte sich das Haus unter anderem mit Uhren einen Namen gemacht, die neben der Zeit Luftdruck und Höhe messen konnten. Wie so viele andere Unternehmen mit ruhmreicher Geschichte kam sie jedoch durch die sogenannte Quarzkrise ins Taumeln. Seit 2011 gehört der Name einer Tochterfirma der indischen Tata-Gruppe und fertigt in der Schweiz wieder hochwertige Uhren.
  • Blancpain: Diese Marke ist nicht nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Schweiz die Heimat der Zeitmesser ist. Sie ist mit Gründungsjahr 1735 auch die älteste Uhrenmarke mit nachgewiesener Historie. Das Unternehmen hat unter anderem 1953 die erste Taucheruhr nach modernem Verständnis konzipiert: die Fifty Fathoms – also Fünfzig Faden, eine Wassertiefe von 91,4 Meter. Wasserdichte Uhren gab es zwar schon zuvor, doch die Fifty Fathoms kombinierte erstmalig ein schwarzes Ziffernblatt mit arabischen Ziffern, einer drehbaren Lünette zur Tauchzeitmessung und einem Automatikwerk, um einem Dichtungsverschleiß durch manuelles Aufziehen entgegenzuwirken. Nach diesem Rezept funktionieren heute zahlreiche Taucheruhr-Modelle. Auch Blancpain war ein Opfer der Quarzkrise, stellte zeitweise die Produktion ein und wechselte mehrfach den Besitzer. 1992 mit dem Übergang an die Swatch Group kam der Name wieder in ruhigeres Fahrwasser.

Wer sich nun fragt, warum gerade die Schweiz bei diesem Thema immer wieder auftaucht, findet die Antwort in einem einzigartigen Prinzip:

Im 18. Jahrhundert begannen schweizerische Uhrmacher, die Einzelteilproduktion teilweise auszulagern – vor allem an Bergbauern, die in den Wintermonaten für diese Einkommensquelle dankbar waren. Das steigerte das Produktionsvolumen.

Zudem wurde das Uhrmacherwissen sorgsam von Generation zu Generation weitergereicht, sodass es auf einen kleinen geographischen Raum begrenzt blieb. Der Erfolg: Noch Ende der 1960er stammte die Hälfte aller weltweit verkauften Uhren aus der Alpenrepublik.

Die poppig-bunte Swatch ist nur das bekannte, aber nicht wichtigste Standbein des weltgrößten Uhrenherstellers.
Die poppig-bunte Swatch ist nur das bekannte, aber nicht wichtigste Standbein des weltgrößten Uhrenherstellers.  

Die wichtigsten Uhrenhersteller der Welt

Die bisher genannten Marken sind sicherlich nicht jedem geläufig – schließlich stecken dahinter zumeist Luxushersteller von Kleinserien von wenigen hundert Uhren pro Jahr.

Doch auch wenn man sich die heute marktbeherrschenden Namen der Welt ansieht, kommt man nicht um die Schweiz herum.

Allerdings gilt mittlerweile Apple als größter Uhrenhersteller der Welt. Dies, weil das Unternehmen mit seinen Smart Watches derartige Erfolge verzeichnet. Für diesen Beitrag fokussieren wir uns jedoch auf klassische Uhren mit mechanischem oder Quarzwerk.

Nimmt man dabei diejenigen Unternehmen heraus, bei denen Zeitmesser nur ein Vertriebszweig unter vielen sind, stellt sich die Situation folgendermaßen dar:

  • Die Swatch Group dürften viele nur mit den bunten Armbanduhren verbinden, die vor allem in den 1990ern fest zum jugendlichen Zeitgeist gehörten. Dabei handelt es sich hier jedoch um den bedeutsamsten Uhren-Mutterkonzern der Welt mit einem globalen Marktanteil von etwa 20 Prozent. Ein wichtiges Teil dieser Leistung ist die Marke ETA. Dahinter steckt der global wichtigste Hersteller von Schweizer Werken bzw. Einzelteilen. Praktisch immer, wenn heute von „Schweizer Uhrwerk“ die Rede ist, steckt ein ETA-Kaliber dahinter.
  • Die Richemont SA wurde bereits kurz als Mutterkonzern von Vacheron Constantin erwähnt. Auch sie kommt auf einen imposanten 15-Prozent-Weltmarktanteil bei Uhren. Vor allem, weil sich unter ihrem Dach viele bekannte Namen versammeln, darunter beispielsweise A. Lange & Söhne, IWC und Jaeger-LeCoultre – zudem auch andere Luxusnamen wie Montblanc und Dunhill.
  • Die Rolex SA ist nicht nur wegen ihres bekannten Namens ebenfalls zweistellig auf dem Weltmarkt vertreten. Dies ist eines der wenigen Unternehmen, hinter dem sich keine größeren Firmengruppe verbirgt. Außer Rolex gehört nur Tudor dazu. Selbst, wenn Rolex viele Uhrenmodelle vertreibt, ist die Marke in der Szene vor allem wegen ihrer Taucheruhren präsent – 1960 befestigte das Unternehmen äußerst werbewirksam ein Einzelstück namens Deep Sea Special an der Außenseite des Tieftauchbootes Trieste, welches Jacques Piccard und Don Walsh 10.916 Meter tief auf den Grund des Marianengrabens und somit den tiefsten Punkt der Erde beförderte. Die Uhr überlebte den Wasserdruck von 1.100 Bar unbeeindruckt.
  • Die Citizen Watch Company ist das Paradebeispiel für die im 20. Jahrhundert aufgeblühte japanische Uhrenindustrie. Das Unternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1918 zurückreichen, gilt heute als einer der global größten Hersteller von Uhren und Werken. Unternehmensphilosophie von Anbeginn war, gute Uhren zu erschwinglichen Preisen herzustellen. In den ersten Jahren gelang das durch schweizerische Starthilfe, einige Jahrzehnte später war Citizen zusammen mit Seiko und Casio einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass die Schweizer Uhrenindustrie fast in den Ruin stürzte.
Ebenfalls bedeutsam sind die beiden anderen japanischen Größen Seiko und Casio; beides Massenhersteller, aber im Lauf ihrer Geschichte für viele wichtige Meilensteine des Uhrenbaus verantwortlich.
Der hier gut erkennbare Anker einer Uhr war eine wichtige Erfindung. Er ermöglicht Uhrwerke, die sich selbst aufziehen, nur durch Armbewegungen.
Der hier gut erkennbare Anker einer Uhr war eine wichtige Erfindung. Er ermöglicht Uhrwerke, die sich selbst aufziehen, nur durch Armbewegungen.  

Von der Taschen- zur Armbanduhr: Meilensteine

Auch abseits der modernen Smartwatch können viele Zeitmesser – selbst eine simple Digitaluhr – heute mit einer großen Funktionsvielfalt punkten. Dies verdanken wir einer langen Reihe von Entwicklungen:

  • In der Zeit des 17. Jahrhunderts wurden verschiedene Varianten einer sogenannten Hemmung entwickelt. Sie sind der wichtigste Grund, warum ein Uhrwerk stets gleichmäßig weiterläuft, auch, wenn die Antriebsenergie weniger wird.
  • 1510 wurde das Nürnberger Ei erfunden. Die vom Nürnberger Uhrmacher Peter Henlein erfundene erste Taschenuhr.
  • 1674 wurde die Unruh entwickelt. Sie ist in Kleinuhren für die Hemmung der Feder-Energie verantwortlich und somit ein wichtiger Faktor für die Genauigkeit.
  • Um 1700 wurden erstmals die bis heute verwendeten Rubine als Lager für die beweglichen Uhrenteile verwendet – sie sind fast so hart wie Diamanten, nutzen sich also kaum ab, sind aber um einiges günstiger.
  • 1775 wurde erstmals ein Anker in ein Uhrwerk integriert, durch den es sich bei Bewegung selbsttätig aufzieht: die Automatikuhr war geboren.
  • Um 1800 kam das Tourbillon auf. Dadurch wurden mechanische Uhren wirklich unabhängig von ihrer Lage (und somit Einwirkrichtung der Schwerkraft) gleich-präzise, nachdem die Unruh sie bereits weniger abhängig gemacht hatte.
  • 1810 wurden erstmals Armbanduhren ersonnen, blieben aber lange eine Nischenanwendung als Damenuhr.
  • 1842 kam die erste Taschenuhr auf den Markt, die über eine Krone und nicht, wie üblich, einen Schlüssel aufgezogen werden musste.
  • 1907 funkte erstmalig ein Zeitzeichensender von Halifax aus und revolutionierte somit die Schifffahrt auf dem Atlantik.
  • 1927 wurde die erste Uhr mit einem Quarzkristall als Taktgeber gefertigt – damals allerdings noch so groß wie eine Schrankwand.

Doch wann wanderte die Uhr dauerhaft und geschlechterübergreifend aus der Tasche ans Handgelenk? Dafür ist der Erste Weltkrieg verantwortlich: Damals wurde es unter anderem für Piloten und Artilleristen notwendig, jederzeit freihändig schnell die Zeit ablesen zu können.

Simpel ging das mithilfe spezieller lederner Armbänder, die als Taschenuhr-Aufnahme für deckellose Lépine-Uhren fungierten oder komplizierter durch Uhren mit Armband-Bügeln am Gehäuse. Bei diesen Stücken wanderte auch die Aufzugskrone endgültig von der zwölf- auf die drei-Uhr-Position.

Zuvor hatte es das vornehmlich bei (Savonette-)Taschenuhren mit Deckel gegeben.

Die Quarzkrise

Heute erfreuen sich mechanische Uhren eines lebendigen Marktes. Rolex beispielsweise fertigt ausschließlich mechanische Werke. Aber es gab eine Zeit, in der diese Form des Uhrenantriebs und ihre gesamte Industrie vor dem Ruin stand.

Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die japanischen Uhrenhersteller weltweit etabliert. Als in den 1960ern Halbleitertechnologie immer weiter schrumpfte, leisteten sie und auch deutsche Hersteller enorme Grundlagenarbeit für die Anwendung im Uhrenbereich, während der Rest der Uhrenwelt die Grenzen der mechanischen Prinzipien auslotete.

An diesem Punkt unterliefen der traditionellen Uhrenindustrie zwei verhängnisvolle Fehler:

1. Arroganz den günstigen Modellen aus Asien gegenüber, die man nicht als Konkurrenz ansah.

2. Großmaßstäbliches Verkennen der Zeichen der Zeit.

Anfang der 1970er waren Quarzwerke so günstig geworden, dass sie nichtmehr nur ungleich präziser als jede mechanische Uhr waren, sondern auch noch erschwinglicher.

Die Krise begann zunächst in Europa, als der Instrumentenhersteller VDO 1969 eine Quarz-Autouhr lancierte und damit binnen weniger Jahre die Konkurrenz vom Markt fegte. Im gleichen Jahr startete Seiko die Quarz-Armbanduhrproduktion.

Zwar schaffte es 1974 die schweizerische Firma Omega, die bis dato präziseste Quarz-Armbanduhr zu präsentieren, doch die Entwicklungen waren zu rasant, als dass die Etablierten Unternehmen hätten wirtschaftlich Schritt halten können.

Die Folge: Bis weit in die 1980er taumelte die Uhrenindustrie von einer Katastrophe in die nächste. Allein in der Schweiz verschwanden zwei Drittel der Firmen, ebenso viele Beschäftigte verloren die Anstellung.

Der SRF zeichnet diesen Niedergang in einer Beitragsreihe mit damaligen Nachrichtenmeldungen nach. In anderen Ländern verschwand die Uhrenindustrie völlig; auch Deutschland war davon betroffen, weil die Japaner auf dem Großuhrensektor punkten konnten und gleiche Qualität kostengünstiger produzierten.

Verschiedene Entscheidungen sorgten schließlich für das Überleben der Schweizer Uhrmacher:

  • Der Zusammenschluss vieler ehemals nach dem „jeder für sich“-Prinzip kämpfenden Manufakturen.
  • Eine extreme Straffung der Prozesse durch modern denkende Wirtschaftsexperten.
  • Die Lancierung eigener Modelle im niedrigeren Preissegment – etwa die Swatch.

Nicht zuletzt half eine Rückbesinnung auf alte Tugenden: Der totale Preisverfall der Quarzuhr hatte eine riesige Marktlücke im Bereich gehobener Uhren hinterlassen, den die Schweizer Firmen füllen konnten – nun auch noch ohne Konkurrenz aus anderen Ländern.

Heute sind die Eidgenossen wieder Weltmarktführer im gehobenen Bereich, auch wenn ihre Industrie insgesamt viel kompakter geworden ist.

Nicht zuletzt die frühe Raumfahrt war ein wichtiges Betätigungsfeld für hochpräzise mechanische Armbanduhren. Hier Buzz Aldrin mit der Omega Speedmaster am langen Klett-Armband um den Raumanzug- Ärmel.
Nicht zuletzt die frühe Raumfahrt war ein wichtiges Betätigungsfeld für hochpräzise mechanische Armbanduhren. Hier Buzz Aldrin mit der Omega Speedmaster am langen Klett-Armband um den Raumanzug- Ärmel.  

Präzision: Keine Zeit für Verspätungen

Eine Uhr soll zuverlässig die Zeit anzeigen. Tatsächlich jedoch eint praktisch alle Modelle, dass sie immer zu einem gewissen Grad der Zeit hinterherhinken oder vorauseilen – selbst Funkuhren sind nur deshalb so präzise, weil sie regelmäßig per Zeitsignal nachgestellt werden.

Die sogenannte Gangabweichung so gering wie möglich zu machen, war schon immer eine Triebfeder der Uhrmacher und hat heute vor allem bei den mechanischen Uhren regelrechten Wettbewerbscharakter angenommen.

Die präziseste Uhr der Welt

Heute kann jeder mithilfe einer beliebigen Quarzuhr einen für den Alltagsgebrauch hinreichend präzisen Zeitmesser tragen.

Ein Quarzkristall macht es möglich, weil er, angeregt durch einen Stromfluss, mit einer Frequenz von exakt 32.768 Hertz schwingt, wodurch sich ein sekundengenauer Takt ableiten lässt – je höher eine Frequenz, desto präziser kann eine Uhr sein.

Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als Quarzuhren noch viel zu groß fürs Handgelenk waren, wurden sie deshalb zum wichtigen Zeitmesser für die Navigation auf Schiffen, in Flugzeugen und Zeitzeichensendern. Die Ganggenauigkeit einer Uhr ist direkt mit der Navigationsgenauigkeit verbunden.

Längst leben wir in einer Zeit, in der Navigation gänzlich satellitengestützt funktioniert. Dort kommen weder Quarz- noch mechanische Uhren zum Einsatz. Aber man darf nicht vergessen, dass die erstgenannten Uhren einstmals sehr neu waren und gleichzeitig noch einen enormen Energiebedarf hatten. Dies führt uns in eine kleine Zeitschleife:

Anfang der 1960er begann das Raumfahrzeitalter und damit eine weitere Notwendigkeit für höchstpräzise Zeitmessung, selbst im ungünstigsten Fall. Quarz-Armbanduhren waren noch Zukunftsmusik und selbst die vorwärtsgewandte NASA wollte eine mechanische Rückfallebene für Notfälle.

Als die ersten Menschen ihre Fußstapfen im Mondstaub hinterließen, hing an ihrem Handgelenk deshalb abermals eine mechanische Uhr.

In diesem Fall war es die Omega Speedmaster, eigentlich ein sportlicher Zeitmesser für Autorennen, in Fachkreisen seitdem als Moonwatch bezeichnet. Dieser Chronograph hatte sich durch rigorose Tests nicht nur für die vorherigen Mercury- und Gemini-Missionen qualifiziert.

Er wurde spätestens dann zur endgültigen Uhren-Legende, als die Astronauten der Apollo 13 mit seiner Hilfe trotz ausgefallener Bordelektrik die Antriebsraketen präzise justieren konnten – ohne diese Möglichkeit wäre der Wiedereintritt unmöglich gewesen.

Noch heute ist die Speedmaster die einzige von der NASA bei Außenbordeinsätzen zugelassene Uhr.

Armbanduhren mögen zwar mittlerweile in allen relevanten Bereichen nur noch ein Backup des Backups sein. Aber Höchstpräzision ist auch ein enorm prestigeträchtiges Markenzeichen.

Und so wetteifern nach wie vor viele Hersteller mechanischer Uhren um gänzlich irdische Exaktheit. Aktuell liefern sich Omega und Rolex ein Rennen um die präziseste mechanischen Armbanduhr.

Doch an welchem Punkt wird eine Uhr von „sehr ganggenau“ zu „enorm ganggenau“? Dahinter steckt eine einheitliche Bezeichnung mit einem festgelegten Messsystem: Der Chronometer.

Geprüfte Präzision: Wann eine Uhr zum Chronometer wird

Ein Uhrwerk ist verschiedenen Einflüssen ausgesetzt: Ausdehnung durch Wärme und Kälte, Vibrationen, Schwerkraft, Beschleunigungskräfte, Reibung der Mechaniken, unterschiedliche Federspannungen, (Elektro-)Magnetismus.

All das lässt ein Uhrwerk schneller oder langsamer laufen als die reale Zeit – auf Schiffen früherer Zeiten wurden Marinechronometer deshalb kardanisch und gefedert aufgehängt, um zumindest etwas vor den Roll- und Stampfbewegungen geschützt zu sein.

Am Handgelenk jedoch fehlt der Platz für derartige Aufhängungen. Aus diesem Grund gilt es auch als hohe Kunst, mechanische Uhren zu produzieren, die die strengen Hürden der Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres (COSC), dem globalen Maßstab für die Chronometer-Weihen, erfüllen. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen je nachdem, ob das Uhrwerk größer oder kleiner als 20mm ist.

Bei mechanischen Armband- und Taschenuhren läuft die Prüfung über 15 Tage. Täglich werden die Uhren in eine andere Position gebracht und mit anderen Temperaturen konfrontiert. Nur wenn die insgesamt sieben Kriterien alle erfüllt werden, gibt es die begehrte Chronometer-Zertifizierung samt Erlaubnis, den Begriff auf der Uhr anzubringen.

Aber: Die COSC prüft nur Uhren schweizerischer Herkunft. Seit 2006 prüft deshalb die deutsche Sternwarte Glashütte nach ähnlich strengen Kriterien auch für andere Uhren-Herkunftsländer.

Ein normales Uhrenpendel hat eine Freuquenz von einer Sekunde. Wenn demnächst optische Uhren die Atomuhr ablösen, werden sie auf Frequenzen von 0,000.000.000.000.002 Sekunden kommen.
Ein normales Uhrenpendel hat eine Freuquenz von einer Sekunde. Wenn demnächst optische Uhren die Atomuhr ablösen, werden sie auf Frequenzen von 0,000.000.000.000.002 Sekunden kommen.  

Die Atomuhr: Genauer geht es nicht

Was für unseren Alltag bei weitem genügt, kann in anderen Bereichen keinesfalls ausreichend sein.

Nach wie vor gibt es im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen oder in anderen Bereichen den Bedarf für größere Präzision. Das führt uns zu dem Zeitmesser, der Atomuhr.

Die genaue Funktion dieses Instruments ist komplex. Stark vereinfacht nutzen Atomuhren die Eigenschaft zweier Atome, beim Wechsel zwischen zwei Energiezuständen elektromagnetische Strahlung in einer bestimmten Frequenz abzugeben oder aufzunehmen. Diese Frequenz kann gemessen und hochgerechnet werden. Dafür sind nach wie vor größere technische Anlagen notwendig.

Sie liefern aber auch besonders hohe Präzisionswerte. Die Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, die auf sogenannten Cäsium-Fontänen basieren, haben pro Tag eine Abweichung von 0,01 Milliardstel-Sekunden. Doch selbst hier ist der Präzisionshunger nicht gestillt.

Längst arbeiten Forscher an Uhren, die dank eines noch schnelleren Pulsgebers noch präziser sind. Sogenannte optische Uhren, bei denen Strontium-Atome durch Laser in Schwingungen gebracht werden.

Wozu man das braucht? Primär für verschiedene physikalische Fragestellungen – aber letztendlich auch dafür, allen „weniger ganggenauen“ Uhren eine unveränderliche Uhrzeit als Referenz zum Einstellen an die Hand zu geben.

Während mechanische Exemplare bei der zweijährlichen Zeitumstellung nach wie vor händisch justiert werden müssen, wird dies bei Funkuhren automatisch erledigt.

Komplikation: Wenn die Uhr etwas mehr können soll

Für Uhrmanufakturen sind Komplikationen – also zusätzliche Funktionen – ein zweites wichtiges Standbein neben der Ganggenauigkeit. Durch das bloße Zusammenspiel von Zahnrädern lässt sich hier ebenfalls Unglaubliches bewerkstelligen.

Die Komplikation und ihre Bedeutung

Auf einen Laien mag eine normale mechanische Uhr hochkomplex wirken. Für den Uhrmacher hingegen ist das reine Anzeigen der Zeit eine bloße Fingerübung. Über viele Jahrhunderte bestand deshalb immer ein gewisser Wetteifer, seine handwerklichen Fähigkeiten auch durch das Erfinden und Implementieren zusätzlicher Funktionen hervorzuheben.

Der Gattungsbegriff Komplikation trifft es dabei sehr genau: Er verkompliziert den mechanischen Aufbau, bedarf nicht nur weiterer Teile, sondern auch die Abstimmung dieser aufeinander, damit alles gleichmäßig läuft. Und das alles in den Grenzen einer tragbaren Uhr.

Der Chronograph gehört zu den verbreitetsten Uhren mit Komplikationen. Der kleine Sekundenzeiger unten läuft immer mit, der große Mittlere dient in Verbindung mit den beiden anderen kleinen Scheiben (den Totalisatoren) als Stoppuhr.
Der Chronograph gehört zu den verbreitetsten Uhren mit Komplikationen. Der kleine Sekundenzeiger unten läuft immer mit, der große Mittlere dient in Verbindung mit den beiden anderen kleinen Scheiben (den Totalisatoren) als Stoppuhr.  

Die kompliziertesten Uhren der Welt

Sehr viele Uhren sind mit einer Anzeige für Wochentag, Datum, Stunde, Minute und Sekunde ausgestattet. Zwar sind dies auch schon Komplikationen, jedoch technisch recht anspruchslos.

Jenseits davon beginnt wirkliche Uhrmacherkunst: Mondkalender, Weltzeitindikatoren, Rattrapanten (mitgeschleppte, stoppbare, zweite Sekundenzeiger auf der Mittelachse) oder auch Spiel- und Schlagwerke, die aus dem Zeitmesser eine miniaturisierte Spieluhr machen.

In diesem Sinne stellt die älteste durchgängig arbeitende Uhrenmanufaktur der Welt auch den derzeitigen Gipfel des Machbaren: Die Reference 57260 von Vacheron Constantin mit unglaublichen 57 Komplikationen, darunter ein ewiger hebräischer Kalender und nicht weniger als sieben Weckfunktionen.

Ein derartiges Meisterstück lotet die Grenzen ins Extreme aus. Die Tiefe dieser Taschenuhr ist kaum geringer als ihr Durchmesser. Mit knapp einem Kilo Gewicht ist sie auch nur wenig taschentauglich und wurde – Schätzpreis fünf Millionen Euro – bislang lediglich für einen Kunden gebaut.

Doch bei derartigen Stücken zählt weniger die Praxistauglichkeit wie die Gewissheit, ein beeindruckendes Zeugnis filigranster Handwerkskunst zu besitzen – und zudem das gute Gefühl, alle Besitzer des bisherigen Rekordhalters unter den Grande-Complication-Uhren, die Calibre 89 von Patek Philippe, um ganze 24 Komplikationen übertroffen zu haben.

Exklusivität: Uhren als wahre Schätze

Quarzuhren machten die Armbanduhr zum Zeitmesser für Jedermann. Nicht zuletzt dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass die mechanische Uhrenindustrie durch Fokus auf das Besondere überleben konnte. Und für Liebhaber gibt es auch jenseits der Reference 57260 kaum Preisgrenzen.

Die teuersten Uhren der Welt

Die fünf Millionen Euro, die das genannte Kunstwerk kostet, wirken sicherlich phantastisch. Für Normalverbraucher dürften bereits die rund 6.200 Euro, die eine Rolex Submariner in simpelster Edelstahl-Ausführung ohne Datumsanzeige aufruft, teuer anmuten.

Doch hier muss man bedenken, dass Uhren nicht weniger emotionale Stücke sind wie Gemälde, erlesene Weine, seltene Oldtimer. Dabei sind nicht nur die Grenzen zwischen Serien- und Einzelfertigung in diesen Gefilden sehr verschwommen, auch werden Preise oft – verständlicherweise – geheim gehalten.

Werfen wir deshalb für unser finales Kapitel einen Blick auf Zeitmesser, die derzeit als die teuersten der Welt gelten, weil die Preise bei Auktionen bekanntgegeben wurden. (in Mio. Dollar).

1. 2019er Patek Philippe Grandmaster Chime 6300A-010: 31,19

2. 1932er Patek Philippe Henry Graves Supercomplication: 25,90

3. 1968er Rolex Paul Newman Daytona 6239: 18,51

4. 1943er Patek Philippe Stainless Steel 1518: 11,86

5. 1953er Patek Philippe Gobbi Milan “Heures Universelles” 2523: 8,96

Übrigens führen die Stücke Patek Philippes nicht nur die obersten Preislisten versteigerter Uhren an, sondern gelten auch im Neuzustand als Preisgipfel unter den seriengefertigten Zeitmessern.

Der Grund ist der gleiche wie bei den meisten anderen Luxusgütern: Eine Kombination erlesener Materialien, höchster Handwerkskunst und natürlich viel, viel Emotion.

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