So kam "Dein" Familienname nach Sachsen

Weder Frau noch Mann können sich ihre Namen aussuchen, sie nicht ändern (außer durch Heirat), wohl aber vererben.
Weder Frau noch Mann können sich ihre Namen aussuchen, sie nicht ändern (außer durch Heirat), wohl aber vererben.  © 123RF

Leipzig - Namen sind Schall und Rauch? Von wegen! Die Müllers, Schmidts und Schulzes sind ein Vermächtnis unserer Vorfahren. Wir enthüllen die Geschichte und Bedeutung der typisch sächsischen Nachnamen.

Dabei steckt hinter so manch vermeintlichem Kraftausdruck bei Namen wie Ficker, Nonnenmacher oder Schimmelpfennig oft erstaunlich Harmloses. Lassen Sie sich überraschen und finden Sie alles über Ihren eigenen Namen heraus!

Lange waren Familiennamen eine Domäne der Italiener und Franzosen. Ab dem 12. Jahrhundert kamen sie auch hierzulande in Mode. 1350 taucht in Sachsen erstmals ein Familienname auf: ein Niclas Sturm im Urkundenbuch von Zwickau - der Namensherkunft nach ein Mann, der leicht in Zorn ausbrach.

Der Zweitname eroberte über zwei Jahrhunderte hinweg langsam vom Rheinland aus den Osten. Bis dahin waren germanische Rufnamen mit meist zwei Elementen üblich. Beispiel: Siegfried. Zuerst gab sich dann der Adel Beinamen, um mit seinem Besitz zu protzen. Beispiel: Friedrich vom Löwenstein.

Mit der Christianisierung wurden altdeutsche Namen durch biblische verdrängt. Plötzlich wollten alle Johannes (übrigens der häufigste Name im Mittelalter) oder Maria heißen.

Wer siegt da eigentlich über wen? Zur besseren Unterscheidung wurden ab dem 12. Jahrhundert Nachnamen in Sachsen eingeführt. Die Mode schwappte von Italien und Frankreich an die Elbe.
Wer siegt da eigentlich über wen? Zur besseren Unterscheidung wurden ab dem 12. Jahrhundert Nachnamen in Sachsen eingeführt. Die Mode schwappte von Italien und Frankreich an die Elbe.  © Wikipedia/123RF

Doch als im Mittelalter erste schriftliche Bürgerverzeichnisse geführt wurden, brauchte es zur Unterscheidung der vielen Johannesse und Marias einen Namenszusatz. Als Vorläufer der Familiennamen kamen Orts- oder Wesensbezeichnungen auf. Beispiele: Johannes vom Steinbach, Friedrich August der Gerechte.

Später wurde hierzulande gern die Berufsbezeichnung an den Vornamen angehängt. Beispiel: Johann Fleischer. Seitdem 1875 die Standesämter aufkamen, sind Familiennamen vererbbar geworden. Das hieß aber, dass Fleischer junior längst nicht mehr wie sein Vater Fleischer sein musste.

„In Sachsen sind viele Namen slawischen Ursprungs“, weiß Gabriele Rodriguez (54) von der Namenberatungsstelle an der Uni Leipzig. „Sie sind zudem stark von Zischlauten geprägt.“ Beispiel: Zschischang.

Der Grund: Im Slawischen gibt es vier verschiedene Zischlaute, im Deutschen nur „sch“ und „ch“. Die Namen enden auch oft auf -itz (Beispiele: Welnitzsch, Schwanitz) und sind mundartlich angepasst: Aus Hinz und Kunz wurde in Sachsen Hint(z)sche und Kunt(z)sche.

Namensforscherin Gabriele Rodriguez (54).
Namensforscherin Gabriele Rodriguez (54).

Typisch sächsische Familiennamen und was sie bedeuten

  • Aurich: Der Name kommt in Sachsen extrem gehäuft vor und ist mit seiner Endung -ich auch typisch sächsisch. Die althochdeutsche Bezeichnung Uur (auch Urohso) steht für Auerochse.
  • Bochmann: Hierzulande meist im Raum Lichtenstein anzutreffen. Mundartlich für Bachmann - im Mittelhochdeutschen ein Name für jemanden, der am Bache wohnt.
  • Einenkel: Vor allem im westerzgebirgischen Raum zu Hause, auffällig im Gebiet um Geyer Thum, Elterlein, Schlettau und Chemnitz konzentriert. 1496 als Eynaggl erstmals urkundlich erwähnt. Ehninkel ist der Enkel.
  • Ficker: Typisch im Raum Aue und auch da, wo es Textilindustrie gab. Denn Ficker bedeutet nichts Amouröses, sondern schlicht Taschenmacher.
  • Finsterbusch: Kommt gestreut in ganz Sachsen vor, vor allem aber im Raum Chemnitz. Steht für eine Ortsbezeichnung wie eine dunkle Flur.
  • Forberger: Die sächsische Hochburg ist Freiberg, wo der Name 1423 auch erstmals Erwähnung findet. In Chemnitz eher als Forbrig, in Reichenbach und im Vogtland als Forbriger bekannt. Bezeichnet keinen Ort, sondern ist eine Berufsbezeichnung für einen Handwerker, der zum Gesinde eines Vorwerks gehört oder auf einem vor der Stadt gelegenem Landgut wohnte.
  • Hähle: Kommt hierzulande fast ausschließlich um Chemnitz herum vor. Kommt vom mitteldeutschen „Heel“, was heimlich, verhohlen oder verboten bedeutet. Ein Heelschleicher war ein Leisetreter, Duckmäuser.
  • Jugel(t): Die Endung -t weist auf eine typisch sächsische Herkunft hin. 1498 wurde erstmals eine Bartel Jugel aktenkundig. Der Namensinhaber kam offenbar aus dem kleinen erzgebirgischen Ort Jugel (bei Schwarzenberg). Kann auch Gugel(e) oder Kogel bedeuten, mittelhochdeutsch für Kapuze oder Mantel mit Kapuze (etwa eine Mönchs- oder Bergmannstracht).
  • Näser: 1479 hab es nachweislich einen Hanns Näser in Dresden. Heute ist der Name auch in Leipzig, Zwickau und Chemnitz beheimatet. Ein Neeser war ein Speisesack zum Umhängen, eine spezielle Jagdtasche, ein Rucksack oder jemand, der so etwas trägt oder herstellt.
  • Neukirchner: Kommt offenbar vom häufig vorkommenden Ortsnamen Neukirchen (oder Nuinkirchen). 1426 wurde erstmals eine gewisse Lorene Nukirche registriert. Kommt heute im Raum Aue, Lößnitz, Zwönitz und Chemnitz vor.
Keine Lust auf schnöde Namen: Wenn Gelehrte, Theologen und Ärzte plötzlich nicht mehr Kemnitz heißen wollten, "latinisierten" sie ihre Namen in Kamitius. Auch "Herr Bauer" klangt zu platt, wurde zu Agricola veredelt.
Keine Lust auf schnöde Namen: Wenn Gelehrte, Theologen und Ärzte plötzlich nicht mehr Kemnitz heißen wollten, "latinisierten" sie ihre Namen in Kamitius. Auch "Herr Bauer" klangt zu platt, wurde zu Agricola veredelt.

Sächsische Namen, Teil 2

  • Nötzold: Kurzform der alten germanischen Rufnamen Notfried und Notwart. Entwickelte sich aus Nietzold, als im Sächsischen das -ie zu einem -ö wurde. Bedeutet so viel wie Not und Zwang.
  • Päßler: Im Sächsischen auch Bäsler. Verbreitet in Chemnitz, Glauchau, Zwickau. Bäßler kommt von besten, das bedeutet binden, schnüren, Flickarbeiten ausführen. Bezeichnung für Klein- und Gelegenheitsarbeiter, Bastler oder Pfuscher.
  • Richter: Die Amtsbezeichnung kommt im Raum Chemnitz gehäuft vor, ist zudem der elfthäufigste Name in ganz Deutschland. Vorfahren waren im Gerichtswesen tätig.
  • Scheibner: 1487 mit Jacoff Scheibner erstmals nordöstlich von Zwickau registriert. Ein Flurname (Scheibenberg) oder jemand, der an einem scheibenartig abgerundeten Gelände wohnte.
  • Schettler: Um Chemnitz, Hohenstein-Ernstthal, Stollberg, Zwönitz, Lößnitz, Bad Schlema und Annaberg-Buchholz verbreitet. 1467 wird ein Jorge Scheitler erwähnt. Er war entweder besonders gut gekämmt (scheiteln) oder ein Holzspalter (Scheit = Holzstück).
  • Schürer: Häufiger Name im Raum Schwarzenberg, Kirchbach, Reichenberg. Schüren kommt von Feuer entzünden, könnte ein Heizer, Schwertfeger, aber auch ein Schmelzer oder ein streitsüchtiger Zeitgenosse gewesen sein.
  • Tetzner: Seit der Registrierung von Peter Teczner 1352 hauptsächlich im Vorerzgebirge bekannt. Abgeleitet vom Rufnamen Tetzlaff oder Taz (Mittellateinisch: Abgabe, Aufschlag).
  • Trültzsch: Kommt vor allem vor und im Westerzgebirge vor. Koseform des Rufnamens Trutilo.
  • Uhlig/Uhlick: Dominant in Chemnitz, aber auch in Leipzig, Dresden, Werdau, Crimmitschau Meerane und Plauen zu finden. Lehnt sich an den germanischen Namen Ulrich (Besitz, Reichtum) oder den Heiligen Udalrich an.
  • Ungetü(h)m: Verbreitet im Raum Eibenstock, Zwickau, Chemnitz, Wilkau-Hasslau. Steht für unförmige Gestalt, großes oder starkes Wesen. 1496 mit Peter Ungetum erstmals in Stangengrün registriert.
  • Wächtler: Bedeutet Wachtelfänger. Häufung im Westerzgebirge. 1495 wurde dort ein Pawel Wechtler erstmals aktenkundig.
  • Wien-/Weinhold: Kommt seit der Registrierung von Nikolaus Weinolt 1264 von Zittau, Pirna, Chemnitz bis Leipzig gehäuft vor. Wini-Walt ist im Althochdeutschen der Freund oder Geliebte.
  • Weiß(s)bach: Bezeichnete 1487 Anwohner vom Weißbach.
  • Weller: 1445 erstmals mit Hans Wellir (seine Frau war die Wellerin) beschrieben. Wellen war im Mittelhochdeutschen rollen, wälzen, streichen, schmieren.
  • Wrobel: Bezeichnet im Polnischen einen Spatz. Als niedersorbische Variante Robel ohne „W“ häufiger Name in der Lausitz, seit dem Zuzug polnischer Gastarbeiter im 19. und schlesischer Flüchtlinge im 20. Jahrhundert auch im Ruhrgebiet anzutreffen.
  • Zierold(t): Bekannt seit der Registrierung des Namensvorläufers Hans Cirl 1495. Aboluter Schwerpunkt in Zwickau, im Westerzgebirge und Vogtland. Zier/e bedeutet prächtig, kostbar, Glanz und Pracht, aber auch strahlendes Auge.
  • Zschäpe: Entstand aus der Kurzform des slawischen Vornamens Czepan (Stefan). Häufig im Raum Zwickau, auch in den Schreibweise Tschäpe, Tschepe oder Schepke.
Zschischang: Sorbische Variante des Vornamens Christian (Ksizank). Erstmals 1643 als Zschischancken und Kschisang erwähnt.