Dr. Hussein Jinah. Der gute Mensch aus Indien

Unsere Stadt ist weltoffen. Mit der Serie „Willkommen in Dresden“ treten wir hier jeden Mittwoch den Beweis an. Heute: der Inder Dr. Hussein Jinah.
Unsere Stadt ist weltoffen. Mit der Serie „Willkommen in Dresden“ treten wir hier jeden Mittwoch den Beweis an. Heute: der Inder Dr. Hussein Jinah.

Die Welt schaut in diesen Monaten auf unsere Stadt. Es heißt, hier herrsche Misstrauen gegenüber Fremden. Doch das stimmt nicht! Unsere Stadt ist weltoffen. Mit der Serie „Willkommen in Dresden“ treten wir hier jeden Mittwoch den Beweis an. Heute: der Inder Dr. Hussein Jinah.

Hussein Jinah vor dem Dresdner Rathaus. Er arbeitet in der Stadtverwaltung als freigestelltes Mitglied des Personalrates.
Hussein Jinah vor dem Dresdner Rathaus. Er arbeitet in der Stadtverwaltung als freigestelltes Mitglied des Personalrates.

Von Torsten Hilscher

Dresden - Das ist mal ein schöner Fall von Ämterhäufung: Der Inder Hussein Jinah (57), promovierter Elektroingenieur und diplomierter Sozialpädagoge, kümmert sich in zehn (!) Vereinigungen und Vereinen um das Wohl der Stadt. Neben seinem eigentlichen Job. Am liebsten ist er aber Papa für seine Tochter Luisa (7).

Jinah lebt seit 1985 in Dresden. Damals war Indien auch auf einer Art sozialistischem Weg und darum bei der DDR beliebt. Beide Länder vereinbarten enge Zusammenarbeit, so beim Studentenaustausch. Der junge Mann aus der Provinz Gurjat hatte in seinem Heimatland gerade seinen Bachelor für Elektrotechnik erworben.

In Dresden, an der Technischen Universität (TU), wollte er den Master draufsetzen, was dem deutschen Diplom entsprach. Danach machte er seinen Doktor.

Helfen im Sächsischen Flüchtlingsrat lautet nur eine der ehrenamtlichen Aufgaben, die Jinah (l.) übernommen hat.
Helfen im Sächsischen Flüchtlingsrat lautet nur eine der ehrenamtlichen Aufgaben, die Jinah (l.) übernommen hat.

„Aber das war 1991, die Zeit des Umbruchs“, berichtete Jinah. „Auch nach 100 Bewerbungen in Ost und West wollte mich niemand haben.“ Schließlich wurde er Sozialarbeiter beim Dresdner Jugendamt. Weil das dem wissbegierigen Mann aber nicht reichte, ging’s zurück an die TU: Dort absolvierte er bis 1997 berufsbegleitend ein Studium zum Sozialpädagogen.

Es folgten Jahre als Streetworker - der Doc betreute Jugendliche mit Migrationshintergrund. „Es war eine schöne Zeit; auch, weil ich ihnen das Gefühl geben konnte, dass sie einen Ansprechpartner haben.“

Gleichzeitig hätten einheimische Jugendliche ihn als Mensch mit Migrationshintergrund erlebt. „Das half, Berührungsängste und Vorurteile abzubauen.“ Eine wichtige Zeit für ihn. Aber eine schwierige. Bei seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau war Krebs diagnostiziert worden, an dem sie 1999 starb. Sie war es gewesen, wegen der er in Dresden geblieben war.

Ob Sozialarbeiter, Politiker oder Vereinsfreunde: Das Engagement von Hussein Jinah (2.v.re) ist in der ganzen Stadt gefragt. Hier debattiert er mit Mitgliedern des Ausländerrates.
Ob Sozialarbeiter, Politiker oder Vereinsfreunde: Das Engagement von Hussein Jinah (2.v.re) ist in der ganzen Stadt gefragt. Hier debattiert er mit Mitgliedern des Ausländerrates.

Inzwischen ist die Stadt auch so „sein Dresden“ geworden. Mit allen Verwerfungen: Stichwort Pegida: „Es hat mich wirklich überrascht, wie diese fremdenfeindliche Einstellung hochkam.“

Jinah holt tief Luft. „Es macht mich traurig, und ich bin irgendwie auch erschreckt. Warum bloß haben Menschen eine so fremdenfeindliche Einstellung? Sind das alles Trittbrettfahrer?“ Denn Dresden sei doch eigentlich eine freundliche, offene, humanistische Stadt“, schätzt er kopfschüttelnd ein.

Selbst im Ausland werde er darauf angesprochen, wie erst kürzlich von Polen, Türken und Schweden bei einem Treffen rund ums Europaparlament in Brüssel.

„Darauf hin habe ich gesagt: Das ist nicht Dresden!“ Auch gehandelt hat Dr. Jinah. Er war bei allen Demos gegen Pegida dabei. So wie er sonst als Vorsitzender des Ausländerrates Dresden an vielen Fronten Gesicht zeigt - um des lieben Friedens willen, um der Stadt willen.

Nur in der Neustadt fühlt er sich wirklich frei

Feierabendschluck beim Lieblings- Inder. Wenn es die Zeit zulässt, gönnt sich Hussein Jinah ein Weißbier im „Maharadscha“ auf der Kamenzer Straße.
Feierabendschluck beim Lieblings- Inder. Wenn es die Zeit zulässt, gönnt sich Hussein Jinah ein Weißbier im „Maharadscha“ auf der Kamenzer Straße.

Hussein Jinah bezeichnet sich als sehr geselligen Menschen.

Da passt es, dass er gern mal ein Weißbier trinkt. Oder einfach so durch die Neustadt bummelt, wo sich seiner Beobachtung nach „Menschen aller Hautfarben, Kleiderordnungen, Kulturen“ frei bewegen können. „Ich wünschte mir, andere Stadtteile wie Löbtau, Blasewitz und so weiter würden auch so.“

Die Lieblingsplätze sind der Alaunpark, wo er viel mit Luisa tobt, und das Restaurant Maharadscha auf der Kamenzer Straße.

Dr. Jinah arbeitet als freigestelltes Mitglied im Personalrat der Stadtverwaltung, Geschäftsbereich Kultur, Denkmalschutz, Jugendamt. Er ist also hauptamtlicher Personalvertreter. Ehrenamtlich wirkt er unter anderem als Vorstand des Sächsischen Flüchtlingsrates, des Afrikanisch-Europäischen Vereins (AFROPA) und des ver.di-Landesbezirksausschusses für Migration, SAT, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Auch bei der Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden wirkt er mit und moderiert Veranstaltungen, zuletzt für das Jorge-Gomondai-Gedenken sowie zur Erinnerung an Marwa El-Sherbini. Er gehört dem Islam an. „Ich bin aber Ismaelit (eine schiitische Glaubensgemeinschaft). Wir sind sehr tolerant und moderat.“

Fotos: Norbert Neumann