Experte prophezeit, dass die Probleme bald durchschlagen: Darum wird unser Leben teurer!

Sachsen - Lieferengpässe, fehlende Arbeitskräfte, steigende Preise und Inflation: "Es geht schon recht turbulent zu", zeigt sich Sachsens ifo-Experte Prof. Dr. Joachim Ragnitz (60) besorgt. Doch warum geht es in der Wirtschaft gerade drunter und drüber? Und können wir bald mit einer Trendwende, vor allem bei den enormen Preissteigerungen, rechnen?

Dr. Joachim Ragnitz (60) vom Dresdner ifo-Institut kennt die Zusammenhänge im Wirtschaftskreislauf wie kaum ein anderer.
Dr. Joachim Ragnitz (60) vom Dresdner ifo-Institut kennt die Zusammenhänge im Wirtschaftskreislauf wie kaum ein anderer.  © Thomas Türpe

Gestörte Transportketten

Laut September-Umfrage des Instituts für Wirtschaftsforschung ifo haben 77,4 Prozent der deutschen Unternehmen anhaltend Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten. Besonders betroffen sind die Auto-, Chemie- und Papierindustrie, das Gewerbe der Elektrischen Ausrüstung sowie das Baugewerbe. Da helfen auch volle Auftragsbücher nichts.

"Wenn Vorprodukte fehlen, kann man entweder nicht produzieren, wie das zum Beispiel beim Automobilbau gerade der Fall ist oder die Vorleistungspreise steigen und damit auch die Preise für die Endverbraucher", erklärt Joachim Ragnitz.

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Den größten Mangel gibt es dabei derzeit bei Mikrochips, die inzwischen in vielen elektronischen Geräten sitzen. Das Problem: Es existieren zu wenige Halbleiter-Produktionsstätten und die meisten davon sitzen in China, wo man zuletzt mit großen Logistikproblemen zu kämpfen hatte.

Zuerst durch die zeitweilige Sperrung des Suez-Kanals, dann durch die Stilllegung von Terminals großer chinesischer Containerhäfen aufgrund von Corona-Ausbrüchen. Durch diese "Staus" saßen allein fünf Prozent der Container-Kapazitäten fest. Und an ausreichend Containern mangelt es wegen des gesteigerten Onlinehandels seit Monaten weltweit. Dadurch stiegen auch die Frachtkosten um ein Vielfaches.

Fehlende Arbeitskräfte könnten zum Problem werden

Arbeitskräfte fehlen, vor allem im Bereich der Logistik (Symbolbild).
Arbeitskräfte fehlen, vor allem im Bereich der Logistik (Symbolbild).  © imago images / Westend61

Arbeitskräfte fehlen

Blickt man derzeit nach Großbritannien, wird ein weiteres Defizit ganz deutlich: Es fehlt an Arbeitskräften.

So mangelt es auf der britischen Insel an Tausenden Transportfahrern. Und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) warnt auch hierzulande vor künftig leeren Regalen.

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Schon jetzt würden 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer fehlen, hinzu kämen jedes Jahr 30.000 Fahrer, die in Rente gehen. Demgegenüber stünden aber nur 17.000 Berufseinsteiger.

"Die Unternehmen merken zunehmend, sie kriegen tatsächlich keine Arbeitskräfte mehr", sagt der ifo-Experte.

Damit meine er nicht nur den viel beschriebenen Fachkräftemangel, sondern auch Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft, Pflegekräfte oder Bauarbeiter.

Nachwirkungen der Corona-Krise spürbar

Der Bundesverband Güterverkehr warnt vor leeren Regalen (Symbolbild).
Der Bundesverband Güterverkehr warnt vor leeren Regalen (Symbolbild).  © Imago Images / NurPhoto

Preise steigen stark an

Schuld sind die Nachwirkungen der Corona-Krise. So hat sich zum einen der Konsum weltweit verschoben, von Dienstleistungen hin zu langlebigen Waren und elektronischen Artikeln, zum Beispiel durch Homeoffice und -schooling.

Zum anderen hat sich die Kaufkraft aufgestaut. "Das drückt auf die Märkte und gibt zusätzliche Nachfrage", meint der ifo-Experte. Steigt die Nachfrage bei gleichbleibendem oder geringerem Angebot, zum Beispiel aufgrund der Lieferengpässe, steigen die Preise. Außerdem würden viele Unternehmen versuchen, die Defizite aus der Krise wettzumachen, meint Ragnitz.

So lag der sächsische Verbraucherpreisindex im September bei inzwischen 4,1 Prozent. Die Hauptgruppe Verkehr schlug dabei laut Statistischem Landesamt mit einer Jahresteuerungsrate von 10,6 Prozent zu Buche. Hier kletterten vor allem die Kraftstoffpreise um 27,7 Prozent.

Das spiegelt sich auch im Energiesektor wider, wo die Preise für Heizöl (+38,9 Prozent) und Flüssiggas (+58,7 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr explodierten. "Das liegt zum großen Teil daran, dass wir zu Jahresbeginn in die CO2-Besteuerung eingestiegen sind", erklärt Joachim Ragnitz. Zudem hat der zurückliegende Winter die Reserven geschmälert.

Auch wird in Fachkreisen vermutet, dass große Firmen den Preis nach oben treiben, indem sie das Angebot schmälern.

Wie weiter mit der Inflationsrate?

Auch bei den Supermarktpreisen macht sich die Inflation bemerkbar (Symbolbild).
Auch bei den Supermarktpreisen macht sich die Inflation bemerkbar (Symbolbild).  © 123RF / Family Veldman

Steigende Inflation

Steigen die Preise, kraxelt auch die Inflation in neue Höhen.

Wobei die Inflationsrate von 4,1 in Sachsen auch statistische Effekte beinhalte, bemerkt Ragnitz. "2020 wurde die Mehrwertsteuer gesenkt und ist jetzt wieder auf normalem Niveau. Da haben wir einen Basiseffekt und der treibt die Preissteigerungsraten nach oben", erklärt der ifo-Experte.

Dieser statistische Effekt werde ab Januar wieder wegfallen, prognostiziert er. "Aber es ist eben nicht nur dieser Effekt", sagt Ragnitz kritisch.

Doch welche Folgen hat die hohe Inflationsrate?

"Für Verbraucher bedeutet das, dass sie mehr zahlen und im ersten Schritt einen Kaufkraftverlust haben.

Sie werden relativ ärmer dadurch", beschreibt er und fährt fort: "Gläubiger, die Kredite vergeben haben, kriegen quasi weniger zurück und haben einen Vermögensverlust. Ebenso wie die, die Vermögen haben. Das ist dann weniger wert."

Mittelfristig könnten diese Verluste nur durch höhere Löhne oder höhere Zinsen kompensiert werden.

Lieferengpässe werden anhalten: Werden die Weihnachtsgeschenke knapp

Auch Benzin und Gas werden bis Jahresende wohl teurer werden. (Symbolbild).
Auch Benzin und Gas werden bis Jahresende wohl teurer werden. (Symbolbild).  © 123RF / gregorylee

Kommt die Trendwende?

Bis Ende des Jahres werden die Lieferengpässe vermutlich auf jeden Fall anhalten und immer mehr Unternehmen treffen. Denn die Lager leeren sich, sodass sich Engpässe oft erst nach drei bis neun Monaten zeitversetzt zeigen.

Heißt: Zu Weihnachten könnten Haushaltsgeräte, Spielekonsolen und Co. knapp sein.

Auch die Energiepreise werden wohl weiter steigen.

"Die CO2-Besteuerung ist so angelegt, dass die Steuer immer weiter angehoben wird. Und die nächste Bundesregierung wird da vermutlich noch einen drauflegen", vermutet der Fachmann.

"Benzin wird sicherlich nochmals teurer, Gas tendenziell auch und bei der Stromerzeugung kommt hinzu, dass Atomkraftwerke abgeschaltet werden und die Kohlekraftwerke auch allmählich rausgehen. Das heißt, da wird es auch zu stärkeren Preissteigerungen kommen. Aber wenn wir Klimaschutz wollen, ist das die Kehrseite."

Und weil Energiepreise oft als Vorprodukt in viele Güter eingehen, wird es vermutlich auch in anderen Bereichen zu höheren Preisen kommen. "Und selbst wenn sich die Preissteigerungsraten wieder reduzieren, bleibt das erhöhte Preisniveau bestehen. Für sich genommen ist das ein Realeinkommensverlust", erklärt Ragnitz.

"Die Gewerkschaften werden versuchen, steigende Löhne zu erzielen. Aber es ist die Frage, ob das 1:1 geht. Man muss also damit rechnen, dass das Leben teurer ist."

Titelfoto: Montage: 123RF / Family Veldman, Thomas Türpe

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