Union-Berlin-Blog: Zeit für Transfers wird eng, Union bereitet sich auf Dortmund vor

Berlin - Eisern: In einer Personal-Union aus drei waschechten Berliner Fußball-Fan-Originalen gibt es bei TAG24 den Union-Berlin-Blog.

Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.
Christian Beeck, Jürgen Heinemann und Tobias Saalfeld.  © Archiv

Die Autoren:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der Siebzigerjahre Unioner und als Betriebswirt seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind. Icke lebt heute in Grünheide und schreibt hier als Gründer des Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist seit über 40 Jahren Unioner, er arbeitet als Freischaffender für Bühne, Funk und Fernsehen, auch dort schreibt er.

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Beecke (Christian Beeck), Ex-Bundesliga-Spieler (Hansa, Cottbus), Ex-Union-Manager, 21 Länderspiele für DDR-Junioren, stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union. Beecke hat zwei Kinder. In unserem Union-Blog fungiert Beecke als Berater.

26. August: Jetzt wird die Zeit für Transfers eng, parallel dazu bereitet sich Union auf Dortmund vor

Bei Union Berlin könnte es vor dem Deadline Day noch den einen oder anderen Abgang geben.
Bei Union Berlin könnte es vor dem Deadline Day noch den einen oder anderen Abgang geben.  © Andreas Gora/dpa

Icke: Unions offene Personalien (Leite, Doekhi, Tousart, Stein, Preu) sind immer noch ungeklärt. Nächsten Montag um 18 Uhr ist Schluss mit den unsäglichen Pokerspielen. Bei Leite deutet sich eine Trendwende an. Der FC Girona soll ein vermehrtes Interesse haben. Dem tschechischen linken Innenverteidiger Kreyci wird nachgesagt, er möchte von Girona nach Wolverhampton wechseln. Dann wäre wohl Leite sein Ersatz. Auch von der PSG aus Paris hört man wieder Rauchzeichen und einige haben eine ganz wilde Theorie. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass auch noch Hincapie Leverkusen (Richtung Arsenal) verlassen möchte. Auch hier wäre dann Leite wieder mit im Spiel. Ganz ehrlich … es nervt nur noch.

Etwas ruhiger ist es um Doekhi geworden. Das heißt aber erst einmal nichts. Tousart saß am Wochenende nicht mal auf der Bank. Das ist (fast) immer ein Warnsignal. Bei ihm stehen die Zeichen aber andersherum. Union würde ihn gern ziehen lassen. Es scheint sich aber kein Abnehmer zu finden. Er besitzt bei Union einen Bombenvertrag, der ihm 2,5 Millionen im Jahr garantiert. Ohne eine Ausgleichszahlung wird es schwer. Stein als vierter Torwart und Preu als Talent sollen ausgeliehen werden. Warum Horst Heldt das noch nicht geschafft hat … bleibt rätselhaft. Ob Skarke noch wechselt ist ebenso offen. Gegen Stuttgart wurde jedenfalls Burke eingewechselt. Beide ähneln sich vom Spieler-Typ doch sehr.

Baume bereitet derzeit seine Spieler auf Dortmund (Sonntag 17.30 Uhr) vor. Die Taktik und die Aufstellung von Union werden sich beim BVB nicht groß ändern. Wir werden wieder unter 30 Prozent Ballbesitz landen und ein für den Gegner unangenehmes Pressing veranstalten. Gegen Stuttgart besaßen wir auch noch das nötige Spielglück. Ob uns das noch einmal gelingt? Dortmund hat den Vorteil, dass sie gegenüber Ansah gewarnt sind. Der wird ihre Aufmerksamkeit besitzen. Eine kleine Chance darf sich vielleicht Köhn ausrechnen, in der Startelf zu stehen. Unter der Woche hat Kovac beim BVB seinen Vertrag verlängert. Der schwache Start der Dortmunder mit ihrem 3:3 bei St. Pauli spielte dabei keine Rolle. Aktuell bemüht sich der BVB noch um den Stürmer Fabio Silva. Der will aus England weg. Dürfte aber gegen uns noch nicht zum Einsatz kommen.

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Nach Dortmund hat Union ein Heimspiel gegen Hoppenheim. Die am ersten Spieltag in Leverkusen überraschten und dort gewannen. Der auch bei uns im Gespräch gewesene Asllani (aus der Union-Jugend entsprungen) feierte dort auch einen guten Einstand. Wir aber drücken die Daumen, dass wir nur einen unserer Top-Verteidiger verlieren und Ansah wieder eine starke Leistung in Dortmund schafft. Eisern.

26. August: Der Historiker und die taz - Der Versuch einer Antwort

Dirk Zingler (61, l.) und Oliver Ruhnert (53) sind in einem Medienbericht wegen ihrer politischen Haltung kritisiert worden.
Dirk Zingler (61, l.) und Oliver Ruhnert (53) sind in einem Medienbericht wegen ihrer politischen Haltung kritisiert worden.  © Hendrik Schmidt/dpa

Unionfux: Der 1. FC Union hat zur neuen Saison einen etwas überraschenden Abgang zu verzeichnen: Der bekannte Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hat in der vergangenen Woche in der taz angekündigt, sich seine Union-Leidenschaft abzutrainieren. Unter der muskulösen Überschrift: "Schwurbelnd und kremlfreundlich" begründet er seine Entscheidung: Union ist ihm zu politisch geworden, möglicherweise, weil irgendwann allen wohl der Erfolg zu Kopf gestiegen wäre.

Angefangen mit Oliver Ruhnert, der sich ja bekanntlich erst in der Linken engagierte und dann zum BSW wechselte, dann wirft er Christian Arbeit Schwurbeleien in den Sozialen Medien vor und schließlich Dirk Zingler unsportliche, dafür ideologische und politische Interviews, in denen der Osten als der vom Westen gewünschte Verlierer und Union als ein Bollwerk dagegen bezeichnet werden.

Und jetzt wagt es doch der Verein obendrein noch, mit dem Berliner Verlag zusammenzuarbeiten, den Kowalczuk, wie auch das BSW, als kremlnah bezeichnet. Und niemand aus der Fankurve wehrt sich dagegen! Im Gegenteil: Es gibt für alle sichtbare 'Berliner Zeitung'-Bandenwerbung und auf den Dauerkarten darf sich jeder über die Weltbühne-Werbung "freuen" (sic)! Das "freuen" steht tatsächlich in Anführungszeichen und ich glaube, ich weiß auch, wie er darauf kommt: Vor kurzer Zeit schrieb ich in einem Nebensatz des Union-Blogs über den Erhalt der neuen Dauerkarte und erwähnte dabei, mich über den Weltbühne-Schriftzug auf der Rückseite zu freuen, einerseits, weil es eine willkommene Abwechslung zu z. B. Rewe oder Ford ist, andererseits, weil die Weltbühne eine lange und hochinteressante Geschichte hat, gegründet vor 120 Jahren von Siegfried Jacobsohn, später geleitet von Carl von Ossietzky, mit so grandiosen Autoren wie Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Klabund, Erich Mühsam, Arnold Zweig und vielen anderen.

Meine Freude darüber passte Kowalczuk offenbar nicht und er führt sie wie einen Beweis der Verkommenheit oder der Fehleinschätzungen in und um unseren Verein an - schon allein deswegen möchte ich mich dazu äußern und versuchen, darauf zu antworten. Ich denke zuerst einmal, ein Historiker und Autor weiß ganz genau um die Verwendung bestimmter Ausdrucksweisen, wie eben etwas in Anführungszeichen zu setzen (ohne dabei den Zweck des Heraushebens oder Zitierens zu verfolgen), so was passiert nicht zufällig, sondern überaus bewusst. Und genauso weiß er, aus welchem Ansatz solche Begriffe wie "schwurbeln" kommen und "kremlnah" und "ideologisch". Wer solche Bezeichnungen, insbesondere in diesem Zusammenhang, verwendet, will eher diskreditieren und diffamieren als diskutieren.

Doch noch mehr stört mich die, wie so oft, untaugliche Verallgemeinerung: Da "freue" ich mich und dann "freuen" sich gleich alle. Da hat einer eine Meinung und dann haben sie gleich alle. So läuft das aber nicht.

Ein großer Fußballverein wie Union spiegelt nämlich, zumindest mehr oder minder, die gesamte Gesellschaft wider. Deswegen haben wir dort Leute mit allen möglichen und meinetwegen auch unmöglichen Ansichten, aller politischen, ideologischen und gesellschaftlichen Strömungen, aller denkbaren Vorlieben und Abneigungen, das Meiste davon gut und sympathisch, aber natürlich und leider auch genügend Fragwürdiges oder Böses, das ist kaum zu verhindern. Sich jedoch davon einzelne herauszupicken und deren (mögliche) Meinungen gleich auf den gesamten Verein zu projizieren, das ist doch etwas zu simpel gedacht oder besser gesagt: Es ist einfach falsch.

Das zeigt sich schon, dass Kowalczuk unbedingt erwähnen muss, in den Achtzigern schreckliche faschistische Erfahrungen mit einer größeren Fangruppe gemacht zu haben. Ich bin seit Ende der Siebziger dabei, ich habe solche Erfahrungen eher nicht gemacht - auch wenn ich natürlich wusste, dass es auch solche Anhänger des Vereins gibt, so wie es sie leider überall gab und gibt. Heißt das, dass Union ein Fascho-naher Verein war oder gar ist? Wohl kaum. Doch wer so etwas explizit erwähnt, in einem relativ kurzen Statement, der bezweckt etwas damit und wahrscheinlich nichts Gutes.

Wenn der Chefscout Oliver Ruhnert sich politisch engagiert, so ist das einerseits völlig in Ordnung und, soweit ich weiß, hat er seine politischen Ansichten nicht als Angestellter des Vereins vertreten, hat auch sonst damit nicht ständig rumgewedelt und es würde sowieso noch lange nicht heißen, dass unser Verein jetzt kremlnah ist, weil das BSW zu diesem Thema andere Meinungen pflegt. Interessant wäre übrigens auch, ob Kowalczuk auch so entsetzt wäre, würde sich Ruhnert für die CDU oder die SPD oder die Grünen engagieren.

Christian Arbeits Bewegungen in den Sozialen Medien muss man nicht mögen, aber es ist die Bewegung eines Einzelnen und nicht die eines ganzen Vereins. Arbeit ist zwar Geschäftsführer Kommunikation, aber eben auch noch Privatmensch. Und selbst Dirk Zingler, als der wohl bestimmendste und wichtigste Mensch der letzten zwei Jahrzehnte für diesen Fußballklub, spricht logischerweise zuerst über seine eigenen Gedanken und es ist normal, dass man nicht alle davon richtig findet. Nur, soll sich Zingler gar nicht mehr zu bestimmten wichtigen Dingen äußern dürfen, weil er doch Präsident eines Fußballvereins ist? Ich mag zumindest, dass unser Präsident etwas zu sagen hat, ich mag auch, dass es streitbar ist und ich verkrafte ebenfalls, dass es sich nicht immer und auf ganzer Linie mit meiner Meinung deckt. Dass er eine Lanze für den Osten und Union bricht, hat natürlich auch was mit seiner Herkunft und der des Vereins zu tun.

Dass dieser Verein mittlerweile republikweit nicht mehr ganz so beliebt ist, mit dem Unterton: "War ja ganz nett, dass ihr mal dabei wart, aber jetzt nervt nicht rum und nehmt nicht weiter altgedienten Bundesligisten den Platz weg!" - das merkt jeder, der aufmerksam hinhört und hinsieht. Dagegen muss man wohl oder übel das eine oder andere Zeichen setzen, gerade als Präsident, anstatt brav die Ecke hinzunehmen, die einem zugewiesen wird. Und dass der Osten in vielfacher Hinsicht weiterhin am Katzentisch dieser Republik sitzt, aus den verschiedensten guten und schlechten, zum großen Teil historisch bedingten Gründen, kann man nur schwer übersehen, selbst wenn man sich einen anderen Blickwinkel darauf auf die Fahnen geschrieben hat. All das darf und muss man sagen, dreist wenn's nicht immer so gern gehört wird und unter Umständen sogar polarisiert, auch und gerade in dieser prominenten Position des Präsidenten des einzigen verbliebenen ostdeutschen Vereins im Oberhaus des deutschen Fußballs. Im Grunde ist das sogar sowas wie seine Pflicht und es ist nur gut, dass er diese empfindet.

Was schließlich den Berliner Verlag angeht, so muss man nicht mit jeder dort publizierten Meinung konform gehen (das ist eigentlich und sowieso schwer möglich, bei keinem Verlag), aber kann doch kaum abstreiten, dass die Berliner Zeitung eine der lesbarsten Zeitungen in der heutigen Medienlandschaft darstellt. Und da soll eine Kooperation bzw. ein Sponsoring ehrenrühriger sein als zum Beispiel mit Rheinmetall oder fly Emirates oder Red Bull? Aha. Überhaupt: Wer wäre denn besser und geeigneter als Medienpartner? Etwa die ja ganz und gar unideologische taz? Das alles sagt aber noch lange nichts (oder bei Weitem nicht genug) über den gesamten Verein aus, wie denn auch? Reichen ein paar Personen und Entscheidungen und Zusammenarbeiten, um so falsche, plakative und im Übrigen auch unverschämte Etiketten an einen ganzen Verein mit über siebzigtausend individuellen Mitgliedern zu kleben?

Ist der 1. FC Union jetzt also der Verein der Schwurbler und Kremlfreunde, Herr Kowalczuk? Also bitte. So eine einfache Denke ist doch kein Zufall, sondern ganz bewusst schlechter Stil. Wer so argumentiert und vereinfacht, obwohl er genau weiß, wie man was schreibt und mit welcher Wirkung, ist im besten Falle selbstgefällig, weil er ja im Besitz der Wahrheit ist und im schlimmsten Fall will er dem Verein, warum auch immer, einfach nur schaden, um sich zu profilieren.

Die Forderung nach einer rein sportlichen Führung ist ohnehin Unsinn, denn ein Fußballverein kann gar nicht unpolitisch sein, schon, weil er am öffentlichen Leben teilnimmt und weil alle Leute, die mit diesem Verein zu tun haben, egal in welcher Form, politisch sind (sogar, wenn sie glauben, unpolitisch zu sein) und das in den verschiedensten Formen und Farben.

Kein Verein der Bundesliga ist unpolitisch, im Gegenteil, gerade in den letzten Jahren gibt es immer mehr Bekundungen zu den unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Themen, das kann man goutieren oder nicht, eine andere Haltung dazu haben oder nicht, aber es ist eine Tatsache und das wird sich auch nicht mehr zurückdrehen lassen. Nur noch Sport und nichts anderes: Das gibt es nicht und wer sich so etwas wünscht, der darf das natürlich, ist aber trotzdem naiv.

Und nicht zuletzt: Demokratie, auch wenn das in letzter Zeit oft vergessen wird, bedeutet nun mal, verschiedene Ansichten aushalten zu müssen und sich auch damit, am besten in geeigneter Form, auseinanderzusetzen. Alles andere treibt nur die fatale Spaltung dieses Landes weiter voran.

Das sollte Ilko-Sascha Kowalczuk eigentlich wissen, wie schon gesagt, zumal als Historiker. Und trotzdem unterstellt er jede Menge Negatives und zieht dafür alle polemischen Register gegen den Fußballklub, den er ja angeblich so lange mag. Warum, das wird nur er wissen. Seinen Abschied von uns allerdings kann man wohl verschmerzen. Und was die Androhung einer Rückkehr angeht: Auch das halten wir aus - denn wir sind da, glücklicherweise, weitaus toleranter. So, zurück zum Fußball.

24. August: Der doppelte Unterschied beim Heimsieg - Rönnow und Ansah

Doppeltorschütze Ilyas Ansah (20, r.) konnte sein Glück kaum fassen.
Doppeltorschütze Ilyas Ansah (20, r.) konnte sein Glück kaum fassen.  © Soeren Stache/dpa

Unionfux: Fünfundzwanzig Prozent Ballbesitz, nur gut sechzig Prozent Passquote (im Vergleich: der Gegner hat hier beachtliche neunundachtzig!) - und trotzdem gewinnen wir unser Auftaktspiel gegen hochgelobte Stuttgarter, mit nicht gerade viel Fußball, dafür mit umso mehr Herz und Disziplin und zwei Jungs, die am Ende den Unterschied machen. Ein Ilyas Ansah, der einen absoluten Traumeinstand an der Alten Försterei hinlegt, mit zwei großartigen Toren: Nach 18 Minuten feuert er, umringt von reichlich gegnerischen Abwehrspielern, aus gut zwanzig Metern unhaltbar an den linken Innenpfosten und dann legt er in der Nachspielzeit der ersten Hälfte den Ball nach rechts raus auf Ilic und läuft dann weiter durch, um dann dessen bestens getimte und punktgenaue Flanke dem Stuttgarter Keeper volley durch die Hosenträger zu hauen - besser geht's nicht.

Und auch sonst wirkt der 20-jährige Neuzugang (übrigens der einzige in der Startelf) überaus agil, ballsicher und kampfstark, bis dann in der zweiten Hälfte der zweiten Hälfte die Kräfte nachlassen und er auch nicht mehr so konsequent nach hinten arbeitet. Deswegen nimmt Baumgart ihn raus und bringt Burke.

Und der zweite Matchwinner, in einer sowieso unermüdlich arbeitenden Mannschaft, ist einmal mehr Frederik Rönnow: Ob Chabots Kopfball aus kurzer Distanz nach zwölf Minuten, Lewelings Schuss nach einer guten halben Stunde oder Karazors Großchance kurz vor der Halbzeit - der Unioner des Jahres ist schier unbezwingbar und pflückt darüber hinaus Flanken en masse. Genau so einen Keeper brauchst du, wenn du in so einem Spiel was holen willst.

In der zweiten Hälfte drückt Stuttgart schon ziemlich und wir können uns nur sporadisch befreien, aber auch mögliche Konterchancen aufgrund einiger Ungenauigkeiten nicht nutzen, die beste Möglichkeit bleibt ein Kopfball von Querfeld nach Ecke des eingewechselten Juranovic, weit in der Nachspielzeit. Doch unsere Jungs verteidigen kompromisslos und so gibt es nur einen Gewaltschuss von Mittelstädt, den Rönnow pariert, einen Kopfball von Undav, der langsam auf die Oberkante der Latte klatscht und das doch noch fallende Anschlusstor von Tiago Tomas, der eine Führich-Flanke ziemlich cool mit der Hacke an den rechten Innenpfosten lenkt - da ist unser Däne dann machtlos.

Jetzt beginnt das große Kollektivzittern und kurz vor Abpfiff schießt der Achtzig-Millionen-Mann Woltemade auf Pass von Leweling doch tatsächlich noch den vermeintlichen Ausgleich, dem (fast) gesamten Stadion rutscht das Herz in die Hose, nur steht er dabei gottlob knapp und trotzdem deutlich im Abseits und das sehen auch der Schiedsrichter und der VAR so. Deswegen feiern wir schließlich unseren Auftaktheimsieg, verdient aufgrund der größeren Leidenschaft, Konzentration und Kampfbereitschaft, eben einer insgesamt geschlossenen Mannschaftsleistung - und zwar von der ersten bis zur letzten Minute - aus der die zwei genannten Unterschiedsspieler noch herausragen.

Stuttgart kann seine unbestritten große individuelle Klasse zu selten umsetzen, da nützen auch die beinahe unzähligen Offensivspieler wenig und wir setzen wieder einmal unsere Mittel gegen eine eigentlich spielerisch überlegene Mannschaft weitgehend optimal ein. Dazu kommt, zugegeben, auch hier und da das Glück des Tüchtigen und der magische Hexenkessel Alte Försterei tut dann noch das Übrige. Will man nach so einem Spiel noch was Kritisches sagen? Dass wir nach wie vor einen guten Fußballer brauchen könnten, der den genauen und tödlichen Pass spielen kann, um unsere seltenen Offensivbemühungen noch weiter zu effektivieren (wobei wir überaus effektiv an diesem Tag sind, aber Ansah kann ja nicht in jedem Spiel zwei solche Dinger raushauen…)? Eigentlich nicht. Und außerdem ist ja noch eine gute Woche Zeit, um auf dem Transfermarkt einen weiteren Unterschiedsspieler zu beschaffen. Schaden kann's jedenfalls nicht und es könnte im Verlauf der folgenden dreiunddreißig Spieltage so einiges leichter machen, besonders, wenn wir mal das Spiel machen müssen, aber eben nicht nur da.

Aber erstmal freuen wir uns über drei wichtige Punkte, so kann man schon mal in die Spielzeit starten, besonders, wenn man all die durchaus berechtigte Skepsis im Vorfeld bedenkt. Aber ohne etwas Optimismus geht's wohl auch in dieser Saison einfach nicht, ein bisschen Glaube gehört schon dazu, oder?

23. August: Juranovic bleibt und Stuttgart kommt

Josip Juranovic (30) hat am Freitag seinen Vertrag bei den Eisernen vorzeitig verlängert.
Josip Juranovic (30) hat am Freitag seinen Vertrag bei den Eisernen vorzeitig verlängert.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Während die Zukunft von Doekhi und noch viel mehr die von Diogo Leite unklar ist, hat Josip Juranovic gerade seinen Vertrag bei uns bis (dem Vernehmen nach) 2028 verlängert. Einerseits freut mich das natürlich, denn ich halte viel von unserem kroatischen Nationalspieler, zumal er in seinem Anfangshalbjahr eine ganze Menge seiner Qualitäten zeigen konnte.

Andererseits sind die blanken Zahlen (und die lügen ja selten) der letzten zwei Spielzeiten gleichwohl eher ernüchternd. Denn da stehen nur 38 von 68 möglichen Spieleinsätzen, null Tore inklusive eines verschossenen Elfmeters und drei Vorlagen. Zwei davon stammen aus unserem Auswärtssieg in Darmstadt 2023, das quasi letzte Spiel der glorreichen Urs-Fischer-Ära, als unsere Welt nochmal sowas von in Ordnung war - bevor wir in ein Meer der Anstrengungen tauchten.

Nicht viel für einen Spieler, der uns rund neun Millionen kostete und zwischendurch gar zwölf Transfermarkt-Millionen wert war - im Moment sind es nur noch übersichtliche vier. Zahlen eines Mitläufers: Das alles ist schlicht zu wenig für einen Spieler seiner Qualität, da muss wesentlich mehr kommen, in Sachen Standards (eigentlich seine erklärte Spezialität) und auch sonst. Das kann nicht sein und unser Anspruch sein, wir haben doch ohnehin zu viele Spieler, die es sich im unteren Mittelmaß bequem gemacht haben und zu selten an den Ketten zerren, die in ihrer Zeit bei uns stetig abgebaut haben, statt besser zu werden - mit ab und an "ganz ordentlich" ist nun mal kein Blumentopf zu gewinnen. Hoffen wir mal, dass Josip Juranovic die kommenden drei Jahre nutzt, uns und sich selbst zu überraschen, das wäre großartig.

Er kann ja schon morgen gegen den VfB Stuttgart anfangen, der Heimauftakt kann und sollte gleich mal in die richtige Richtung weisen, im besten Sinne andeuten, wohin die Reise geht, bevorzugt ins sichere Mittelfeld der Bundesligatabelle.

Die Schwaben sind sicherlich kein leichter Gegner und haben in den letzten Jahren, gemeinsam mit Eintracht Frankfurt sicher den größten Sprung in Kader und Leistung gemacht, aber wir haben in den zurückliegenden Jahren auch zur Genüge gelernt. Es gibt keinen leichten Gegner in dieser Liga und das vermeintlich Machbare ist oft am schwersten, insofern passt der Auftaktgegner schon.

Denn mit großer Wahrscheinlichkeit werden wir nicht das Spiel machen müssen, das kommt uns ja eher entgegen - jetzt kann unsere Mannschaft zeigen, ob das von Baumgart so favorisierte Umschaltspiel schon funktioniert. Wenn noch die entsprechende Effektivität dazukommt, wäre das grandios.

Nicht dabei sein wird Diogo Leite, der gehen will und soll, da läuft der Countdown, während Doekhi bei Besiktas Istanbul gefragt sein soll - Anfang übernächster Woche sind wir da schlauer. Gespannt sein kann man auf Köhn, Ansah, N'soki und Burke, mal sehen, wer von diesen vier Neuzugängen beginnen darf und wer von der Bank kommt. Das Wetter wird mild, aber feucht, auf jeden Fall bleibt uns eine Hitzeschlacht erspart. Ich glaube an die ersten drei Punkte, alles andere ist alles andere. Lassen wir's also krachen: eisern!

21. August: Heute vor 20 Jahren wurde die Stasi endgültig abgeschossen

Damals noch deutlich jünger: Zu den Toschützen gehörte auch Union-Legende Torsten Mattuschka (44).
Damals noch deutlich jünger: Zu den Toschützen gehörte auch Union-Legende Torsten Mattuschka (44).  © Soeren Stache/dpa

Icke: Ist heute ein besonderer Tag? Ja 😊 … Berliner und Unioner feiern den 20. Jahrestag des Abschusses von Mielkes Erben. Union gewann mit 8:0 am 3. Spieltag der Oberliga Berlin. Ja Ihr habt richtig gelesen, Union spielte vor 20 Jahren in der Oberliga des NOFV. Seitdem ging es – Gott sei Dank – für uns immer bergauf und für die anderen blieb es beim unterklassigen Amateur-Fußball. Es waren 28 Grad in Berlin, die Sonne schien und alle waren froh gelaunt. Ich auch, denn ich war live dabei.

Ach nein, "alle" waren dann doch nicht so froh. 180 überwiegend kriminelle Hooligans wurden von der Berliner Polizei in der Nacht (1.30 Uhr) in der Diskothek Jeton in der Frankfurter Allee festgenommen. Man sammelte sich dort für den morgigen Tag, um bei Union wieder Straftaten verüben zu können. Das Ziel waren natürlich Delikte im Bereich von Körperverletzungen. Die schlimmsten Kaliber waren damit aber "außer Gefecht" gezogen worden. Nach den 8 Union-Toren hatten die restlichen Stasi-Fans dann wohl auch keine Lust mehr. Sie zogen gedemütigt nach Hause.

Genauso so klar wie es die Tore aussagten, war auch das Spiel. Union war drückend überlegen. Spielte mit seinen Gästen Katz und Maus. Vor dem Spiel gab es übrigens noch eine lustige Anekdote, da begab sich deren Pressesprecher Lüdtke mit einem Mikrofon vor seine Fans, um ein paar Worte zur Besonnenheit an sie zu richten. Ein kräftiger Kerl mit (natürlich) Glatze und dann sprach er. Und tausende Unioner mussten spontan und herzhaft lachen. Er hatte eine sehr helle Pieps-Stimme. Das passte nun gar nicht zu seiner Äußerlichkeit. Zurück zum Fußballfest – die Union-Helden auf dem Platz waren: Glinker – Persich, Bergner, Ruprecht – Kaiser, Heinrich – Bönig, Mattuschka, Kurbjuweit – Benyamina, Grubert. Eingewechselt wurden Wunderlich, Prokoph und Kovulmaz. Zur Halbzeit stand es "nur" 2:0 durch zwei Mattuschka-Tore. Dann erzielte Gruber bis zur 68.Minute das 3:0 und das 4:0. Erst danach wurde es für Mielkes Erben schlimm. Eben weil Karim Benyamina noch 3x traf und auch Ex-Nationalspieler Jörg Heinrich sich noch in die Torschützenliste mit eintrug. Er erzielte das 6:0. Den großen Unterschied machten die "besonderen" Spieler bei Union aus. Dazu gehörten natürlich Champions-League-Sieger und Welt-Pokal-Gewinner Jörg Heinrich. Ihn lotste damals Christian Beeck zu Union. Seine Ball-Behandlung und sein Spielaufbau waren einfach eine Augenweide. Genauso ein Volltreffer war natürlich "Tusche" (Torsten Mattuschka) als Regisseur und Torschütze aus der zweiten Reihe. Auch ihn holte Beecke - von seinem Alt-Verein Cottbus. Der dritte "Spielentscheider" war ebenfalls eine Beeck-Neuverpflichtung. Karim Benyamina holte er aus Babelsberg. Der hörte dann mit dem Tore schießen nicht wieder auf. Wie eben Tusche ebenso.

Das war eines der Fußball-Spiele, die man nicht mehr vergisst. Wer dabei war, klopft sich auf die Schulter. Wer nicht hinging, der hat das schon vielfach bereut. Zumindest, wenn er ein Union-Fan war. Die Party ging überall in Berlin weiter. Fremde feierten zusammen und ausgelassen. Ich ging mit meinem Sohn grinsend und zufrieden nach Hause. Und ja ein extra Bierchen im Garten gab es auch noch. Eisern.

Derrick Köhn (26) wechselt von Galatasaray Istanbul zum 1. FC Union Berlin.
Derrick Köhn (26) wechselt von Galatasaray Istanbul zum 1. FC Union Berlin.  © Christian Charisius/dpa

Unionfux: Etwas überraschend kommt die Verpflichtung, auch wenn sie sich über einige Tage anbahnte, schon: Linksverteidiger Derrick Köhn wechselt von Galatasaray Istanbul zu uns, für vier Millionen plus einer halben Million Boni und einer Weiterverkaufsbeteiligung, hier schwanken die Informationen zwischen zehn und zwanzig Prozent abzüglich zwei Millionen.

Ein Grund ist offenbar auch die Ausländerbegrenzung in der SüperLig, der Köhn quasi geopfert wurde. Eine ganze Weile wollte Werder Bremen den schnellen Außenbahnspieler (gehörte letzte Saison zu den Top25 der Liga in Sachen Geschwindigkeit) verpflichten, nachdem er schon die letzte Saison in Bremen verbracht hatte, witzigerweise hatten sie sogar eine Kaufoption in Höhe von gut fünf Millionen, aber das war ihnen wohl zu viel, man spekulierte auf den einen oder anderen Taler weniger, ähnlich verhielt es sich wohl mit den Kölnern, die irgendwann ebenso mitboten, aber anscheinend auch nicht genug.

Jedenfalls bekommt Köhn bei uns einen Vierjahresvertrag, anderswo war die Rede von nur drei Jahren, da der Verein. sich wie üblich, diesbezüglich in Schweigen hüllt, kann man sich jetzt eine der beiden Varianten aussuchen und daran glauben. Jetzt stellt sich so ein wenig die Frage nach dem Warum. Ist diese Verpflichtung ein Vorgriff auf den Wechsel von Diogo Leite werweißwannundwohin? Soll sich auf der Flankenseite noch etwas mehr tun, also die Stürmer mehr Futter bekommen? Burke auf der einen, Köhn auf der anderen Seite - da wäre schon eine Menge außerordentliche Geschwindigkeit, die man ja fast zwingend für das Umschaltspiel braucht und die uns zuletzt so gefehlt hat.

Gut ist jedenfalls, dass es wohl keinerlei Eingewöhnungs- und Sprachprobleme geben sollte, eine gewisse Erfahrung und Ausbildung (HSV und Bayern) vorhanden ist und, nun ja, unsere letzte Verpflichtung, die aus Istanbul kam (wenn auch von Fenerbahce) war Max Kruse - und der hat ja mal so richtig funktioniert, trotz schmerzhaftem, wenn auch lukrativem Abgang, Knall auf Fall in der Winterpause. Dass er damit im Grunde seine eigene Karriere, wenn auch mit halbjähriger Verzögerung, selbst schredderte, ist bis heute eine leise Genugtuung. Nichtsdestotrotz wäre ein neuer Kruse schon ne prima Sache, auch wenn die Chancen dafür eher überschaubar sind.

Nun also erstmal Derrick Köhn. Dürfte zwar erstmal bei niemandem aus der Fangemeinschaft Riesenfreudensprünge auslösen, aber es gibt doch schon genug Anhaltspunkte für eine gewisse Zuversicht. Schlauer sind wir sowieso erst in frühestens einem halben Jahr. Für höhere Regale fehlt uns ohnehin das Geld und die Gehaltsstruktur, schon allein deswegen ist das ein ordentlicher Deal, der in mehrfacher Hinsicht Sinn ergeben könnte. Nichtsdestotrotz war die vergangene Saison in Bremen eher gemischt, etwas mehr sollten wir schon erwarten, will sagen: Luft nach oben ist fraglos noch da, aber das gilt ja für so einige. Wäre ja großartig, wenn der Junge hier komplett explodieren könnte, hatten wir ja schon ne Weile nicht.

Ob er nun schon am Samstag gegen den VfB Stuttgart, mit dem uns ja auf ewig durch die berühmte Relegation etwas verbindet, im Kader stehen wird, ist ebenso fraglich wie möglich. Dabei sein sollte auf jeden Fall Frederik Rönnow, nach seinem Hitzekollaps letzten Freitag machte man sich schon Sorgen, aber es ist wohl alles wieder okay, am Mittwoch sollte er wieder mittrainieren, nichts gegen Matheo Raab, aber Rönnow ist einfach unser einziger unbestrittener Unterschiedsspieler, zumindest bis jetzt noch. Und ganz so warm soll’s ja am Samstag nicht werden.

Ja, und so langsam steigt die Vorfreude, gemischt mit leicht nervöser Skepsis: wohl kaum jemand hat eine wirkliche Ahnung, wo unsere Mannschaft steht, wie ihr Leistungsvermögen aussieht. Andererseits hat man im Pokal gesehen: da sind so einige Bundesligisten noch nicht auf Betriebstemperatur - und unsere Heimauftaktspiele waren in den letzten drei Jahren erfolgreich, mal sehen, was Baumgart und die Jungs zum richtigen Saisonauftakt draufhaben, mit oder ohne Köhn. Auf jeden Fall: herzlicheisern willkommen, Derrick, schön, dass du da bist - und maximale Erfolge!

17. August: Benes ist weg - und nun?

Für drei Millionen Euro wechselte Laszlo Benes (27) im Sommer 2024 vom damaligen Zweitligisten Hamburger SV zu Union Berlin.
Für drei Millionen Euro wechselte Laszlo Benes (27) im Sommer 2024 vom damaligen Zweitligisten Hamburger SV zu Union Berlin.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: Laszlo Benes wechselt in die SüperLig zu Kayserispor, derzeit übrigens trainiert von Markus Gisdol. Ohne Leihgebühr, dafür mit Kaufoption. Wollen mal hoffen, dass wir nicht noch Teile des Gehalts übernehmen müssen. Außerdem hinterlässt das Ganze einen faden Beigeschmack - ein weiterer Transferflop, bei dem man sich fragen muss, was wir uns dabei gedacht haben. Klar, die Zahlen in seinem letzten HSV-Jahr waren beeindruckend: dreizehn Tore, zwölf Vorlagen, ein Spieler, der offensiv was bewirken, den tödlichen Pass spielen, einem Spiel seinen Stempel aufdrücken kann. Bei uns klappt dann kaum noch was, weder Svensson (der über den Transfer abgenickt hat) noch Baumgart (der ihn aus Hamburg bestens kennt) wollen ihn so wirklich und ohne Vertrauen wird es für solche Spieler immer schwer, als Joker sind sie zumal eher weniger geeignet.

Am Ende bleiben zwei schöne Tore, die jeweils ein Unentschieden sichern konnten und eine gut geschlagene Ecke auf den Kopf von Tom Rothe. Nicht gerade viel, aber 572 (von 3060 möglichen) Minuten sind auch eine sehr überschaubare Einsatzzeit. Na gut, letztlich vergossene Milch. Nur, was bringt uns die Kaufoption? Liefert er in der Türkei ab, ist er wesentlich mehr wert, wenn nicht, haben wir ihn wieder am Hals - was für Aussichten. Unsere Transferpolitik ist mehr und mehr zum Weinen. Nottingham hat dieser Tage zwanzig Millionen für Leweling geboten, Stuttgart hat abgelehnt und will vierzig. Wir haben vor Jahresfrist doch tatsächlich fünf Millionen (per Kaufoption!) für ihn bekommen, nachdem wir selbst vier gezahlt haben - da ist auf ganzer Linie gepennt worden und der VfB freut sich. Atalanta Bergamo will unbedingt Robin Gosens zurück, zwölf Millionen aber sind Florenz zu wenig, dabei haben sie gerade nur sieben an uns bezahlt (per Kaufoption), während wir vorher dreizehn an Mailand überwiesen haben und Bergamo ihn für siebenundzwanzig an Mailand verkauft hatte. Wer sind die Verlierer dabei? Na, Inter Mailand - und wir.

Wann haben wir denn mal echtes Plus gemacht? Bei Awoniyi und bei Hollerbach, bei Kruse und bei Andersson vielleicht. Wenn man die zusammenrechnet und eigene Ablösen, Weiterverkaufsbeteiligungen etc. abzieht, sind wir da bei vielleicht roundabout fünfundzwanzig Millionen - unsere Verluste sind zweifellos um einiges höher. Eigentlich kann man sich das nicht so wirklich leisten, wenn man nicht zu den Big Playern gehört oder einen Konzern in der Hinterhand hat. Sicher, leichter gesagt als getan, doch beinahe lebensnotwendig, wenn wir ganz oben mitspielen wollen, in der Liga, in der die Schere ohnehin zügig immer weiter auseinandergeht. Und wir gehören zu den Kirchenmäusen, wenn man bedenkt, dass zwanzig bis dreißig Millionen in so einigen Vereinen schon zum guten Ton gehören und wir noch nicht mal annähernd an ähnliche Summen operieren können. Da wären ein oder zwei Volltreffer schon großartig, die können einem entscheidenden Handlungsspielraum verschaffen. Na, vielleicht ist ja der junge Bogdanov, gerade aus Dresden verpflichtet, so einer - schön wär’s.

Und was machen wir nun ohne Benes? Im Grunde ist jetzt kein so wirklicher offensiver Mittelfeldspieler mehr da. Haberer, der das ja könnte, zeigt das schon lange nicht mehr, Schäfer stagniert seit längerem, Jeong wäre da noch, aber auch der muss sich erst noch beweisen. Ich weiß, die Zehn gibt’s eigentlich nicht in unserem System - aber dass wir so jemanden dringend brauchen, konnte man am Freitag wieder sehen. Wir haben so wenig das Überraschende drauf und ohne Hollerbach noch weniger. Ansah zeigt gute Ansätze, aber auch ein Zielspieler wie Ilic muss gut gefüttert werden, dann trifft er auch, ansonsten hängt er komplett in der Luft und ist weitgehend nutzlos. Ich könnte mir vorstellen, dass wir auch noch was leihen, so auf den vorletzten Drücker, wenn die Vereine der Premier League erschrocken feststellen, dass ihr Kader viel zu voll ist - dann bitte auch mit Kaufoption. Und ein glückliches Händchen oder ein gezielteres Scouting wäre dann prima - und nötig. Quantität haben wir, weiß Gott, genug, Qualität jedoch nicht.

Zum Schluss noch so eine Idee, auf die ich natürlich nicht exklusiv gekommen bin: Sheraldo Becker ist nach nur anderthalb Jahren in San Sebastian nicht mehr gelitten, er hat nicht mal eine Rückennummer für die kommende Spielzeit erhalten. Nun sind Rückholaktionen immer so ne Sache, aber seine Geschwindigkeit könnte uns immer noch guttun und allzu viel Eingewöhnung bräuchte er auch nicht. Na, wird wohl eher nichts. Aber werden sollte irgendwas, damit's in der kommenden Saison was wird.

16. August: Ende gut, alles gut?

Als nächstes spielt der 1.FC Union Berlin gegen den VfB Stuttgart.
Als nächstes spielt der 1.FC Union Berlin gegen den VfB Stuttgart.  © David Inderlied/dpa

Icke: Das wissen wir noch nicht. Aber die schlimmsten Befürchtungen wurden nach vier Testspiel-Niederlagen in Serie erst einmal ad acta gelegt. Union gewann in Gütersloh ungefährdet mit 5:0. Nein es war kein glanzvoller Sieg. Aber verdient. Und Gütersloh war chancenlos. Baumgart setzte auf Bewährtes und wählte den Sicherheitsweg. Hinten wieder mit drei Innenverteidigern. Auf den Außen mit Trimmel und Skov auf Routine setzend und im zentralen Mittelfeld beorderte er mit Khedira und Schäfer auch zwei Kampf-Bienen. Da brannte defensiv gegen einen unterklassigen Gegner nichts an. Und vorn sollte es mit Burke-Ilic-Ansah ein Dreiersturm richten.

Um es gleich vorwegzusagen- Ansah machte wohl sein bisher bestes Spiel für Union. Es wird auch in der Bundesliga für die Gegner schwer – ihn vom Ball zu trennen. Er hatte viele gute Szenen. Ilic ruckte immer wieder an, aber das war nicht sein Spiel. Das fünfte Tor bereitete er mustergültig und mit Willenskraft vor. Das vierte Tor erzielte Ilic selbst. Haberer und Schäfer legten es ihm auf den Fuß. Einzig Burke viel ab. Er ist bei Union noch nicht angekommen. Zwei Szenen machten das sehr deutlich. In der 53. Minute wurde er geschickt, zog aber im Zweikampf nicht durch. Dadurch verloren wir den Ball und ein wirklich gefährlicher Konter hätte ein Gegentor bringen können. Die zweite Szene war in der 63. Minute … Schäfer schickte Burke in den freien Raum auf halbrechts. Und Burke? Läuft nicht zum Schäfer-Pass, sondern kommt dem Mittelfeldspieler entgegengelaufen. Hoffentlich geben sich die Missverständnisse noch.

Die ersten 3 Tore fielen durch Standards. Wenigstens wissen wir jetzt, dass wir das auch trainiert haben. Man konnte da schon Zweifel haben, zumindest in den letzten vier Spielen. Skov, Querfeld und Doekhi erzielten unsere Treffer. Ansah spielte sich mehrfach in gute Schuss-Positionen, hatte aber (noch) Pech bei seinen Versuchen. Kurz nach dem Wiederanpfiff musste Rönnow mit Schwindel vom Feld. Raab kam heran und wirkte souverän. Hoffentlich war das nur ein kurzes Schwindelgefühl bei ihm. Neben Raab, wurden auch noch Kral, Jeong, Haberer und Skarke eingewechselt. Jeong war gleich sehr aktiv auf der rechten und halbrechten Seite. Er hatte auch noch eine gute Chance – nach einem Dribbling von ihm selbst. Das letzte Tor erzielte er dann selbst. Das sah gut aus. Leite und Juranovic gehörten nicht zum Kader. Da werden wohl bald Informationen folgen. Und ja natürlich sprechen wir von Verletzungen (Juranovic) und Trainingsrückständen (Leite). Wer das glaubt ist selber schuld.

Auch Gütersloh hatte einige gute Szenen bzw. Chancen. Entweder konnten unsere Verteidiger im letzten Moment retten oder sie hatten Pech. Einen Ehrentreffer hätten sie verdient gehabt. Man sah, sie spielen einen gepflegten Ball. Einige Spieler waren sogar technisch ziemlich gut. Die Kicker dort haben auch das Pech, dass die ortsansässigen Firmen Miele und Bertelsmann dort nicht Fußball-affin sind. Sonst hätten sie wohl auch eine Bundesliga-Mannschaft. Nun kommt unser Härtetest – der VfB Stuttgart. Man darf wieder einen Tick hoffnungsvoller in die Union – Welt schauen. Eisern.

13. August: Los geht's: DFB-Pokal in Gütersloh

Laszlo Benes (27) gilt als Abgangskandidat.
Laszlo Benes (27) gilt als Abgangskandidat.  © Andreas Gora/dpa

Unionfux: So, jetzt aber - es wird ernst, das erste Pflichtspiel steht an, DFB-Pokal in NRW beim FC Gütersloh. Nun ist der DFB-Pokal nicht ganz so wichtig (auch wenn der Trainer ein Fan davon ist, wie er in der Pressekonferenz unmissverständlich sagt) und der FC Gütersloh lediglich Regionalligist. Nichtsdestotrotz ist jetzt die Zeit des Relativierens und auch Schönredens vorbei, ein 0:1 wäre diesmal schon deutlich ärgerlicher und auch blamabler als die vier Male zuvor, vom finanziellen Schaden, auch wenn er zu diesem frühen Zeitpunkt noch überschaubar ist, ganz zu schweigen. Andererseits wäre ein Weiterkommen auch nicht gerade ein Grund zur Euphorie, denn wir sind immer noch der Bundesligist und einige Ligen über dem Gegner.

Kann schon sein, dass wir beim kleineren Kontrahenten das machen müssen, was wir so ungern machen und auch nicht so gut können: das Spiel. Nichtsdestotrotz hat Horst Heldt am Rande der letzten Vorbereitungspartie gegen Olympiakos Piräus verlauten lassen, dass kein Bedarf an einem offensiven Mittelfeldspieler besteht, weder Acht noch Zehn, bei unserem spielerischen Vortrag der letzten zwei Jahre eigentlich eine fast unglaubliche Aussage - jedoch wahrscheinlich und hoffentlich vor dem Hintergrund, dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, einen Spieler aus unserem ziemlich vollen Mittelfeldaufgebot zu verkaufen oder zu verleihen. Unter anderem auch Laszlo Benes, der Spielmacherhoffnung, die nach nur einer Saison als gescheitert gilt, inwieweit er allein daran Schuld ist oder ob er an fehlendem Vertrauen in seine Fähigkeiten krankt, nicht so leicht zu sagen. Doch selbst sein ehemaliger HSV-Trainer, der in Hamburg noch sehr viel mit ihm anfangen konnte, kann und will in Berlin mit ihm kaum was anfangen. das ist kaum zu übersehen, also ist ein möglicher Verkauf eine Lösung, nur scheint es auch da momentan an Interessenten zu fehlen.

Alex Kral sollte längst weg sein bzw. bei Espanyol Barcelona bleiben, ist aber immer noch da, Lucas Tousart will trotz Nichtbeachtung wohl auch gern bleiben, kein Wunder als Spitzenverdiener, der zudem in einem Jahr ablösefrei wäre. Drei eigentlich ziemlich gute (National)Spieler, die aber bei uns nicht funktioniert haben, warum-auch-immer - ich hoffe, zumindest intern hat man Antworten darauf gefunden.

Klar, Abwehrspieler Diogo Leite soll gehen (das geht auch schon ewig und drei Tage), wenn er denn nicht verlängern will und das will er anscheinend nicht, allein aus wirtschaftlichen Erwägungen sollten sich da die Wege nun trennen, obwohl ich nicht so recht glaube, dass wir sehr nahe an den angeblichen Marktwert von siebzehn Millionen herankommen, alles über zwölf Millionen wäre da schon prima. Aber auch Marin Ljubicic, erst ein halbes Jahr hier und für stattliche vier bis fünf Millionen aus Linz verpflichtet, ist offenbar durch, so richtig glaubt man nicht mehr an den Wintertransfer, der so gut gestartet war (ein Tor und eine Vorlage in seinem ersten Spiel in Hoffenheim), aber dann ein wenig mit der Bundesliga überfordert schien, dafür aber einen langfristigen Vertrag hat.

Ein voraussichtlich weiteres Mitglied unseres Stürmerfriedhofs, wobei man wirklich mal fragen muss, was unsere Scoutingabteilung so alles treibt: Mikkel Kaufmann, Ivan Prtajin, Chris Bedia, Kevin Volland, Jordan - um nur einige zu nennen, die Erfolgsquote unserer Verpflichtungen ist mittlerweile gefährlich gesunken und das seit Jahren, natürlich ist nicht jeder Transfer erfolgreich, aber wenn kaum ein Transfer so voll einschlägt, dann muss das ja an irgendwas liegen. Okay, es gibt auch noch solche Verpflichtungen wie Hollerbach, aber ein Hollerbach allein macht nun mal noch keinen Sommer. Nur ist eine gute Transferpolitik nahezu überlebenswichtig für einen kleineren Verein, insofern muss sich endlich ändern, wenn wir weiter Erstligist bleiben wollen.

Bestimmt kommt nochmal Bewegung in den Kader, es wäre so wichtig, wenn vielleicht noch der eine oder auch andere Volltreffer dabei wäre, aber hoffen wir das nicht seit mehreren Transferperioden?

Genug geklagt, auf nach Gütersloh und zeigen, dass man doch viel besser ist als fast alle mittlerweile denken, das setzt voraus, dass wir uns die Verlängerung ersparen können und die Sache in neunzig Minuten für uns entscheiden können. Oder ist das etwa auch zuviel verlangt?

11. August: Juranovic und/oder Leite vor dem Abflug bei Union?

Josip Juranović (29) gehörte beim vergangenen Testspiel nicht zum Kader.
Josip Juranović (29) gehörte beim vergangenen Testspiel nicht zum Kader.  © Tom Weller/dpa

Icke: Gibt es eine vernünftige Erklärung, warum im letzten Testspiel – die erwartete Stammelf aufläuft und die beiden Spieler (Juranovic, Leite) gar nicht eingesetzt werden? Juranovic gehörte erst gar nicht zum Kader und Leite saß 90 Minuten auf der Bank. Bei Juranovic sagte man, er sei verletzt. Das kann zwar stimmen, muss aber nicht. Bei Leite wurde man noch schmallippiger. Da äußerte sich kaum jemand. Am wahrscheinlichsten wären ein oder zwei – schon gemunkelte Abgänge.

Seit Wochen versucht Steffen Baumgart aus Rothe einen linken Innenverteidiger zu machen. So viel Spielzeit bekam er zuletzt nicht, schon gar nicht auf einer für ihn – völlig fremden Position. Der Erfolg scheint mäßig. Einige Spiele von Rothe waren sehr holprig, andere gingen so halbwegs. Dazu holte man den linken Innenverteidiger Nsoki aus Hoffenheim. Man könnte jetzt zwar sagen, er soll der Backup für Leite sein, aber warum sollte Nsoki das machen? In dem Wissen, sowieso nicht an Leite vorbeizukommen. Einzig eine defensive Variante für die linke Außenbahn wäre für Nsoki und einen Stammplatz denkbar, aber da wurde er nie eingesetzt. Markgraf aus der A-Jugend hochgezogen - bekam hier die meiste Spielzeit. Das sind – auch in der Summe – viele und schwere Fingerzeige, dass sich Leite wohl verabschiedet.

Und Gleiches gilt wohl auch für Juranovic. Natürlich ist eine Verletzung jederzeit möglich. Manchmal wird das aber auch nur so gesagt, um einen Transfer kurz vor Schluss nicht zu gefährden. Auch hier gilt, zuletzt spielte auffallend oft der wiedergenesende Skov auf dieser Position (linke Außenbahn). Und auch Markgraf, wie schon erwähnt, bekam enorm viel Spielzeit. Dazu muss man auch noch wissen, dass Juranovic von Hause aus, auf der rechten Außenbahn … beheimatet ist. Dort erlebt aber gerade Trimmel seinen siebenundachtzigsten Frühling. Und zuletzt (2.Halbserie der Vor-Saison) hatte Baumgart ihn ja auch zum linken Außenbahnspieler umfunktioniert, um auf dieser Position mehr Ballsicherheit zu schaffen. Das gelang auch. Ob es Juranovic auch gefiel? Das weiß man nicht genau. Und er möchte nächstes Jahr bestimmt auf seiner angestammten Position (rechts) zur Weltmeisterschaft fahren.

Die Verträge für Leite und Doekhi laufen nur noch bis 2026. Da ist es sogar wahrscheinlich, dass es uns nicht gelingt, beide zu halten. Wir können sehr sehr froh sein, wenn wir wenigstens Doekhi halten können! Und auch das ist sehr wacklig. Am heftigsten im Gespräch ist Feyenoord. Blöd dabei ist es (für uns), dass Doekhi auch noch in Rotterdam geboren wurde. Wir werden es bald sehen. Und auch hier hat „Umbauer“ Baumgart schon vorgesorgt. Kral, der eigentlich im zentralen Mittelfeld spielt, wurde auffallend oft als Innenverteidiger eingesetzt. Zumindest in den Testspielen. Eigentlich war Kral schon weg, doch sein Leihverein Espanyol Barcelona (auch ein Testspiel-Gegner von uns) zog seine Kauf-Option nicht. Und dass, obwohl er eigentlich dort eine solide Saison spielte. Es sollte keine übergroße Überraschung darstellen, wenn wir in der Bundesliga plötzlich mit Kral-Querfeld-Rothe in der Zusammensetzung der Dreierkette starten würden. Dahinter hätten wir dann noch den neu verpflichteten Nsoki, Ogbemudia und zur Not auch noch Tousart. Auch er bekam vom Trainer einige Einsätze in der Innenverteidigung. Baume hat also für den Fall eins Worst-Case-Szenarios vorgesorgt. Und sollte sich Kemlein im Laufe der Saison im Mittelfeld als Stammspieler durchsetzen, so könnte man sich auch noch daran erinnern, dass Khedira auch schon 28 x Innenverteidiger spielte. Zuletzt in Augsburg. Die Frage, die dann noch unbeantwortet ist, kann so eine umformierte Innenverteidigung - die alte defensive Qualität gewährleisten? Man darf Zweifel dabei hegen. Selbst wenn Kral einige überraschen konnte und zumindest in den Testspielen oft zu den besten Akteuren bei uns zählte.

Nun hoffen wir, dass wir wenigstens einen (es wird, wenn dann wohl Doekhi sein) der zwei vakanten Innenverteidiger zu einer Vertrags-Verlängerung überzeugen können. Sollte dann auch noch Juranovic gehen, so müssten wir sogar drei Säulen bei uns ersetzen. Das wäre schon sehr bitter. Und auch kompliziert umzusetzen. Die „ganz bösen Zungen“ sagen sogar, dass der Hamburger Keeper Raab als neue Nr. 1 geholt wurde, weil auch Rönnow wackelt. Angeblich habe Rönnow nur noch einen Vertrag bis 2026 und interessante Angebote. Das würde bedeuten, auch er wäre im kommenden Jahr ablösefrei. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden. Rönnow war in den letzten Jahren unsere Lebensversicherung. Und diese Rolle wird nur noch wichtiger, wenn uns weitere Stützen im Team verlassen. So allerdings englische Clubs mit millionenschweren Gehältern umherwedeln, wird das ebenso sehr schwer. Mindestens zwei Spieler aus dem Quartett Leite/Doekhi/Juranovic/Rönnow müssen wir behalten und mit ihnen verlängern. Gelingt das schlussendlich nicht, dann haben wir eine megaschwere Saison vor uns. Eisern.

9. August: Überraschung: auch das letzte Testspiel gegen Olympiakos endet 0:1

Steffen Baumgart muss zum vierten Mal in Serie eine 0:1-Pleite einstecken.
Steffen Baumgart muss zum vierten Mal in Serie eine 0:1-Pleite einstecken.  © Matthias Koch/dpa

Unionfux: Man kann ja sagen, was man will, eine gewisse Konstanz ist schon zu erkennen - auch das letzte Vorbereitungsspiel endet wie die drei davor: wir verlieren 0:1. Und die Fans scheinen so etwas geahnt zu haben, denn diesmal ist die Alte Försterei, trotz Mannschaftsvorstellung und Autogrammstunde, "nur" zu zwei Dritteln gefüllt, also gut vierzehntausend Zuschauer, immerhin gegen Olympiakos Piräus, den aktuellen griechischen Meister, der im letzten Jahr sogar die Conference League für sich entscheiden konnte.

Dreiundsiebzig Minuten lang ist es ein langweiliges Spiel ohne große Höhepunkte und wir haben, wie zuletzt, kaum eine nennenswerte Torchance, die Griechen haben wenigstens eine, kurz vor der Pause durch ihren Superstürmer El Kaabi, aber Rönnow kann retten, profitiert aber auch davon, dass der Marokkaner sich den Ball etwas zu weit vorlegt.

Nach der Pause geht es im Sparflammenmodus weiter, hier und da ein kleiner Ansatz, doch bei Weitem nicht genug für so etwas wie Fussball. Sicher, es ist heiß, aber es fehlt uns an Technik und Passgenauigkeit, von irgendwelchen Automatismen, die es ja so langsam geben sollte, ganz zu schweigen. Niemand spielt den Streber und tut sich hervor, schon gar nicht unser bisheriger Königstransfer Burke, alle sind bemerkenswert unterspannt, teilweise sieht’s so aus, als würde da eine Truppe spielen, die weitgehend neu zusammengestellt wurde (nicht sehr gut) und die sich erst noch finden muss.

Dann geht der Gast, quasi aus dem berühmten Nichts, eine Viertelstunde vor Schluss in Führung, Chiquinho haut den Ball nach unbedrängtem Zuspiel des talentierten Mouzakitis ansatzlos aus achtzehn Metern in den Winkel, nicht viel zu machen für unseren Keeper, der aber auch etwas überrascht scheint, genau wie Leo Querfeld, der den Torschützen gewähren lässt. Und jetzt wacht das Spiel doch erstaunlicherweise auf und wir kommen tatsächlich zu zwei Chancen, durch Ljubicic (schön vorbereitet durch Skarke und Schäfer) und Benes (nach Flanke von Jeong), beide gerade eingewechselt - und eigentlich müssten beide Möglichkeiten auch drin sein, aber der eine Schuss ist zu schwach und zu sehr auf den griechischen Torwart und der andere geht relativ knapp links vorbei. Am Ende ist man fast erleichtert, dass die Testspielsaison, zumindest vorerst, vorbei ist - denn das hat nun wirklich keinen Spaß gemacht. Mag ja sein, dass nicht die vordringliche Aufgabe von Vorbereitungsspielen ist, irgendjemandem Freude zu bereiten, andererseits glaube ich jedoch nicht, dass sich irgendein Mitbewerber durchgängig so schwach präsentiert hat wie wir in den letzten vier Begegnungen.

Hat das denn so gar nichts zu sagen, dass man beinahe so gar nichts sehen konnte? Okay, es gibt nicht nur Weltuntergangsstimmung zu verbreiten: zwei Gegentore waren fragwürdige Elfmeter und zwei Gegentore waren Sonntagsschüsse - will sagen, defensiv funktioniert es einigermaßen. Aber sonst?

Man fragt sich zwangsläufig, zum wiederholten Male, was in den letzten Wochen mit der Mannschaft passiert ist, was so trainiert wurde und warum die Jungs davon nichts umsetzen können oder wollen. Niemand erwartet das Unglaubliche, aber das kleine Einmaleins sollte doch einigermaßen sitzen. Nach Bundesligatauglichkeit sieht das jedenfalls nicht aus, wenigstens was die schon seit längerem beklagenswerte Offensive (und das schwache Mittelfeld dahinter) angeht, nach einer wirklichen Trainerhandschrift auch nicht - ich würde nur zu gern wissen: gibt’s die gar nicht oder sehe ich die nicht oder geht’s vordergründig nur um Kondition und etwas Spielpraxis? Sind wir wirklich bereit für die neue Saison oder brauchen wir noch etwas?

Kann Trainer Steffen Baumgart uns nun besser machen oder verwaltet er nur das, was er vorgefunden hat? Wer jetzt keine leisen Zweifel hat, den beneide ich doch um seine, beinahe religiöse, Zuversicht.

Das werden höchstwahrscheinlich drei unruhige Wochen bis zum ersten September, dann ist nämlich das Transferfenster endlich zu und wir wissen, wie die Mannschaft endgültig aussieht, meines Erachtens tut unter anderem weiterhin eine Art Spielmacher not, aber der wird, so die allgemeine Befürchtung, wohl eher nicht verpflichtet. Trotzdem: jedes Wunder ist willkommen, ganz egal, wie es aussieht - brauchen können wir es ohne Zweifel.

Zudem kriegen wir zu Anfang mit dem VfB Stuttgart und danach auswärts in Dortmund gleich zwei mächtige Brocken vor den Latz - da gilt es und da wird man dann sehen, zu was wir in der Lage sind und zu was weniger. Die Erwartungshaltung jedenfalls ist schon mal geschickt Stück für Stück runtergeschraubt worden: war das etwa Teil des Plans? Der ist dann zweifellos und ohne große Abstriche aufgegangen, größere Flausen dürfte im Moment kaum jemand haben.

Na schön, nächste Woche wird’s also ernst (und einige blühen ja erst auf, wenn’s ernst wird, so hoffe ich doch wenigstens), wenn auch mit Vorstufe, denn die erste Runde des DFB-Pokals mit Regionalligist Gütersloh kann, bei allem Respekt, noch nicht der Maßstab sein, auch der FCG setzt im Übrigen seine Generalprobe in den Sand, zu Hause verliert man gegen Fortuna Düsseldorf II. Doch auch da muss man gewinnen und wir tun uns ja gern schwer gegen vermeintlich kleinere Gegner.

Und wer weiß? Kann sein, dass wir dann alles das sehen, was uns so sehr fehlt und Sorgen macht, kann sein, dass ich dann dem Trainer ein wenig Abbitte leisten muss, weil dann Dinge offenbar werden, also im positiven Sinne, die meinem Laienauge verborgen geblieben sind. Es würde mich sehr freuen und es wäre zumindest ein Anfang.

Titelfoto: Andreas Gora/dpa

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