Karl Bebendorf hielt Erkrankung seiner Mutter geheim: "Wollte kein Mitleid bekommen"

Dresden - Neuer Trainer, viele Trainingslager in Südafrika sowie im schweizerischen St. Moritz, die Bestzeit um sechs Sekunden auf 8:08,21 Minuten verbessert: Für Karl Bebendorf (29) lief die Saison 2025 richtig gut. TAG24 sprach mit dem 3000-Meter-Hindernisläufer vom Dresdner SC über die vergangenen Monate, über den Verlust seiner Mutter und ob ein kleiner Makel bleibt.

In Europa gehört Karl Bebendorf (29, 3.v.l.) zur Spitzengruppe. Ziel ist aber die Weltspitze.
In Europa gehört Karl Bebendorf (29, 3.v.l.) zur Spitzengruppe. Ziel ist aber die Weltspitze.  © imago/Beautiful Sports

TAG24: Es war eine sehr bewegenden Saison, mit einem Wechselbad der Gefühle. Wie geht es Ihnen?

Bebendorf: "Gut. Ich bin nicht im Urlaub, weil ich gern mal zu Hause sein wollte. Es sind viele Aufgaben liegen geblieben, die ich gern abarbeiten möchte. Es ist nicht so, dass ich vor irgendetwas weglaufen wollte. Ich habe mich nur noch mal mehr dem Sport hingegeben, und das hat sich ausgezahlt. Aber es blieb viel liegen."

Nach dem verpassten Final-Einzug bei der WM in Tokio wirkten Sie sehr niedergeschlagen. Richtig?

Bebendorf: "Ich habe in meinem Kopf die ganze Zeit mit herumgetragen, dass dies der Höhepunkt des Jahres ist. Aber im tiefsten Inneren, vom Herz habe ich es nicht mehr gefühlt und habe nach dem Karl gesucht, den ich in der ersten Saisonhälfte kennengelernt habe. Es war ein anderer Sportler. Den habe ich nicht mehr gefunden und das Warum - weshalb ich über mich hinauswachsen soll. Es klingt verrückt, aber in diesen Momenten brauchst du 100 Prozent Fokus. In Tokio habe ich nur funktioniert und hatte meinen Kampfgeist, jedoch sah ich im Video später, was für ein Rucksack auf meinem Rücken war."

Weshalb?

Bebendorf: "Über den Rennverlauf hätte ich lachen müssen. Der Lauf war sooo langsam. Ich war einfach nur dabei. Hatte das Gefühl, dass die Batterien leer sind. In Brüssel besaß ich beim Rennen schon nicht mehr diese Superkräfte. Habe mich gefragt: Was ist los?"

Karl Bebendorf: WM-Rückschlag trübt hervorragende Saison nicht

Erst in Dresden informierte Karl Bebendorf die Öffentlichkeit über die schwere Last auf seinen Schultern.
Erst in Dresden informierte Karl Bebendorf die Öffentlichkeit über die schwere Last auf seinen Schultern.  © imago/Beautiful Sports

Trübt die WM deshalb die Saison als ein Makel?

Bebendorf: "Nein! Ich denke, dass es unmenschlich gewesen wäre, den Supercoup zu landen, ins Finale zu laufen und da um eine Medaille zu kämpfen. Dann hätte ich vom ersten bis zum letzten Wettkampf 2025 alles abgerissen. Das wäre zu krass, nach zehn Monaten Trainingsumstellung. Ich würde die Saison als Gewinn sehen, auch wenn es diesen Beigeschmack gibt - ich hatte so ein positives Jahr, das nicht leicht war."

Sie mussten die Saison größtenteils selbst finanzieren. Ihre Mutter lag mit Krebs im Sterben und ist nach der DM gestorben. Warum haben Sie es erst in Dresden bei den Titelkämpfen öffentlich gemacht?

Bebendorf: "Es war für mich die letzte Möglichkeit, es auszusprechen. Meine Mutter wollte, dass ich es eher sage. Damit die Leute verstehen, was mich beschäftigt. Aber ich wollte dafür kein Mitleid bekommen. Als es raus war, war das Harte, dass ich von allen Seiten angesprochen wurde und nur noch über dieses Thema gesprochen wurde. Seit dem Tod gab's bei mir wie einen Bruch, obwohl es sich innerlich wie eine Befreiung angefühlt hat. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie leidet und ich nicht bei ihr sein kann."

Karl Bebendorf träumt von einer olympischen Medaille

Karl Bebendorf erlebte eine extrem erfolgreiche Saison.
Karl Bebendorf erlebte eine extrem erfolgreiche Saison.  © Sven Hoppe/dpa

Sie zeigten sich von Ihrer menschlichen Seite ...

Bebendorf: "Das gehört auch mit dazu. Du hast im Sport nicht viele Gelegenheiten, auch mal dies zu teilen. Keiner fragt, wie dein Weg dahin war. Ich dachte mir: Du hast jetzt gewonnen, in deiner Heimat, in deinem Stadion - in dem Moment habe ich mir alles rausgenommen. Bis dahin wussten es nur wenige Menschen."

Ein Blick in die kommenden drei Jahre: EM 2026, WM 2027 sowie EM und Olympia 2028. Wenn Sie sich was wünschen könnten, was soll sich erfüllen?

Bebendorf: "Träumen würde ich von einer olympischen Medaille. Im Lauf und gerade im Hindernis ist alles möglich. Es ist nur eine Frage, wie ist die körperliche Verfassung? Ich habe gezeigt, dass ich mit den Besten der Welt in schnellen Rennen konkurrenzfähig bin. Dass ich in der europäischen Spitze bin, ist sicher, das habe ich mit der Medaille 2024 gezeigt. Jetzt gilt es, dies in den nächsten drei Jahren in der Welt zu schaffen. In meiner Kindheit war eine Olympia-Medaille ein Traum, jetzt fühlt es sich nicht mehr unrealistisch an."

Titelfoto: imago/Beautiful Sports

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