Tierschützer beklagen Versagen des Staates: "Lasst uns und die Tiere nicht im Regen stehen!"

Hamburg – "Kommt in die Gänge Freunde!" Diesen von Applaus begleiteten Ausruf richtete der Leiter des Hamburger Franziskustierheims, Frank Weber, am heutigen Freitagmittag direkt an den Hamburger Senat. Gemeinsam mit zahlreichen Tierschützern demonstrierte der 55-Jährige auf dem Rathausmarkt für die so dringend benötigte staatliche Unterstützung. Aufgestellte Transportboxen mit Plüschtieren symbolisierten all die Tiere, die der Tierschutz aufgrund fehlender Kapazitäten in Zukunft nicht mehr aufnehmen kann.

In einem Meer von Transportboxen – die symbolisch für all die Tiere stehen, die der Tierschutz nicht mehr aufnehmen kann – stellten Frank Weber (55, l.), Leiter des Hamburger Franziskustierheims, Janet Bernhardt vom HTV und Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder ihre Forderungen vor.
In einem Meer von Transportboxen – die symbolisch für all die Tiere stehen, die der Tierschutz nicht mehr aufnehmen kann – stellten Frank Weber (55, l.), Leiter des Hamburger Franziskustierheims, Janet Bernhardt vom HTV und Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder ihre Forderungen vor.  © Madita Eggers/TAG24

Dem Hamburger Tierschutz mangelt es seit Jahren an allen Ecken und Kanten. Inzwischen stehen die oft rein Spenden finanzierten Vereine und Organisationen am Ende ihrer Kräfte und wissen nicht, wie der Tierschutz in Zukunft noch eine Chance haben soll. Und anstatt Lösungen zu suchen, werfe der Senat immer nur noch mehr Steine in den Weg.

Doch jetzt reicht es den Tierschützern: In einem öffentlichen Brief, der auch am Freitag Grundlage der Kundgebung vor dem Rathaus war, fordern sie unter anderem die Umlegung der Hundesteuer zu mindestens 50 Prozent auf den Tierschutz, die Abschaffung der Rassenliste sowie mehr Platz in Form von Geländen, die für die "Hamburger Tiertafel" und auch für das Tierheim Süderstraße genutzt werden können.

Letzteres musste vor ein paar Tagen zum allerersten Mal in der Geschichte des "Hamburger Tierschutzvereins (HTV)" einen Aufnahmestopp für Hunde und Katzen verhängen.

Janet Bernhardt über den Zustand des Tierheims: "Das ist einfach nur peinlich!"

Hunderte von Tierschützern haben sich am Freitag vor dem Rathaus versammelt, um gemeinsam für eine bessere Zukunft für den Tierschutz zu kämpfen.
Hunderte von Tierschützern haben sich am Freitag vor dem Rathaus versammelt, um gemeinsam für eine bessere Zukunft für den Tierschutz zu kämpfen.  © Madita Eggers/TAG24

"Diese Entscheidung ist uns sehr schwergefallen, aber es fällt uns schon seit Jahren schwer, weil wir allein Abgabetiere nicht mehr aufnehmen können. Wir haben so viele Anfragen von Leuten, die einen Schicksalsschlag erlitten haben oder von älteren Leuten, die ins Pflegeheim müssen und ihr Tier nicht mitnehmen dürfen", sagte Janet Bernhardt, erste Vorsitzende des HTVs, im Gespräch mit TAG24.

"Die kommen weinend zu uns und wir müssen dann sagen, wir haben keinen Platz. Und was dann mit den Tieren passiert, weiß keiner. Und jetzt betrifft es auch noch die Fundtiere und beschlagnahmten Tiere. Das ist eine echte Katastrophe."

Ebenso der Zustand des Tierheims an sich, welches wie zahlreiche Tierheime Deutschlands von einem Renovierungsstau betroffen ist und das schon seit Jahren. "Es sieht einfach alles total verlottert aus und das ist für eine so schöne Stadt wie Hamburg einfach nur peinlich. Es muss endlich etwas passieren!"

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Tiere Alarm in der Spedition: Mitarbeiter steht plötzlich Krokodilen gegenüber

Doch auch der öffentliche Brief habe dem Senat bis zum heutigen Freitag keinerlei Reaktion entlockt, so Weber. "Ich hoffe, dass sie sich jetzt in der Sommerpause mal damit beschäftigen. Ich will aber keine Diskussionen mehr, ich will Lösungen, die auf den Tisch kommen. Sonst dauert es noch einmal zehn Jahre und spätestens dann haben wir Straßenhunde in Hamburg und auch in Deutschland", ist sich der VOX-Moderator ("hundkatzemaus") sicher.

"Bei den Stadttauben haben wir bereits das Problem von Streunern in der Stadt!"

"Momentan schiebt die Justizbehörde die Verantwortung für die Taubenschläge in die Bezirke, wir brauchen aber eine Tierschutzbeauftragte auf Senatsebene, die das ganze für ganz Hamburg koordiniert", so Susanne Gentzsch von "Gandolfs Taubenfreunde".
"Momentan schiebt die Justizbehörde die Verantwortung für die Taubenschläge in die Bezirke, wir brauchen aber eine Tierschutzbeauftragte auf Senatsebene, die das ganze für ganz Hamburg koordiniert", so Susanne Gentzsch von "Gandolfs Taubenfreunde".  © Madita Eggers/TAG24

Ein Szenario, welches bei den Tauben in der Stadt schon seit Jahren bittere Realität ist: "Bei den Stadttauben haben wir bereits das Problem von Streunern in der Stadt, es sieht nur keiner mehr, weil es so ein gewohntes Bild ist", sagte Susanne Gentzsch von "Gandolfs Taubenfreunde".

Immer noch herrsche großes Unwissen in der Gesellschaft darüber, dass Stadttauben von Zieh- und Brieftauben abstammen und somit Haustiere waren.

"Dementsprechend ist auch ihr genetisches Verhalten: Tauben sind extrem standorttreu und werden sehr schnell zahm. Kein Wildtier würde bei einem Menschen auf der Schulter sitzen", so Gentzsch gegenüber TAG24.

Um der Verwahrlosung und der unkontrollierten Vermehrung der Tauben entgegenzusteuern, gibt es bereits den Lösungsvorschlag der flächendeckenden Aufstellung von Taubenschlägen in der ganzen Stadt.

Auf Bezirksebene sind dafür die Weichen bereits gestellt, doch auch hier stellen sich die Behörden auf Länderebene quer. "Für die langfristige Bewirtschaftung der Schläge brauchen die Bezirke Hilfe vom Senat, aber es passiert einfach nichts".

Immerhin werde gerade der Vorschlag der Taubenfreunde geprüft, ob nicht die Stadtreinigung die Pflege möglicher Taubenschläge übernehmen könnte.

"Wir Ehrenamtlichen können diese Dimensionen an Arbeit einfach nicht leisten. Und es wäre auch von der Tätigkeit richtig angesiedelt, weil ein Taubenschlag zu betreuen nichts mit Tauben kuscheln zu tun hat. Das ist knallharte Reinigungsarbeit."

Tierschutzbund-Präsident Schröder: "Die Lage in Hamburg ist typisch für die Lage bundesweit!"

Zur Kundgebung brachte Janet Bernhardt ihre Bullterrier-Hündin Mina mit. In Hamburg ein Rassenlisten-Hund, der in Schleswig-Holstein frei und in Hamburg an der kurzen Leine laufen muss. Auch ein sehr großes Problem bei der Vermittlung, dabei könne theoretisch jeder Hund zubeißen: "Das Verhalten hängt nicht von der Rasse ab, sondern vor allem vom anderen Ende der Leine", so Bernhardt gegenüber TAG24.
Zur Kundgebung brachte Janet Bernhardt ihre Bullterrier-Hündin Mina mit. In Hamburg ein Rassenlisten-Hund, der in Schleswig-Holstein frei und in Hamburg an der kurzen Leine laufen muss. Auch ein sehr großes Problem bei der Vermittlung, dabei könne theoretisch jeder Hund zubeißen: "Das Verhalten hängt nicht von der Rasse ab, sondern vor allem vom anderen Ende der Leine", so Bernhardt gegenüber TAG24.  © Madita Eggers/TAG24

"Ich sage einmal deutlich: Die Lage in Hamburg ist typisch für die Lage bundesweit. Die Tierheime sind missbraucht worden zum Ausputzer staatlichen Versagens. Die 400 Millionen jedes Jahr an Hundesteuer werden nicht für den Tierschutz, sondern dafür genutzt, die Elbphilharmonie Kredite abzubezahlen", empörte sich am Freitag Thomas Schröder, der erste Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes.

"Das Geld wird von denen einkassiert, die Hunde lieben, aber nicht dafür verwendet, dass Hundeliebe in den Tierheimen wieder möglich gemacht wird. Das ist ein Skandal." Dabei hätte die Stadt Hamburg noch die Chance, mit einem guten Beispiel für ganz Deutschland voranzugehen, appellierte Schröder direkt an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (57, Grüne).

Und auch Mit-Initiator Frank Weber betont im Gespräch mit TAG24: "Es muss einfach klar sein, dass es eine staatliche Aufgabe ist, uns bei unserer Arbeit zu unterstützen. Wir verlangen ja keine Revolution, sondern nur eine Unterstützung, um uns und die Tiere nicht im Regen stehenzulassen."

Seit über 20 Jahren ist der 55-Jährige im Tierschutz tätig und inzwischen sei es einfach nur noch frustrierend: "Wir sind als Tierschützer auch immer erpressbar. Dann heißt es: 'Wollt ihr das die Tiere auf der Straße landen?' Wir wollen das nicht, aber wird sind doch die einzigen, die etwas tun. Uns wird immer der Schwarze Peter zugeschoben, egal was wir machen".

Allen die gerade vorhaben, sich ein Tier anzuschaffen, rät er, genau zu überlegen. "Die Überlegung sollte als Erstes sein, was ich einem Tier bieten kann, und nicht welches ich haben will. Und eins sollte allen klar sein: Wenn etwas schiefgeht, ist das Tierheim kein Plan B!"

Titelfoto: Madita Eggers/TAG24

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