"Futur Drei" behandelt schwule Sex-Affäre mit Flüchtling im Asylheim!

Deutschland - Schwule Liebe! Newcomer Faraz Shariat wirbelt mit seinem Erstlingswerk "Futur Drei", das am 24. September in den Kinos anläuft, die deutsche Filmlandschaft mächtig auf.

Parvis (l., Benjamin Radjaipour), Banafshe (M., Banafshe Hourmazdi) und Amon (Eidin Jalali) verbringen einen gemeinsamen Sommer voller Höhen und Tiefen.
Parvis (l., Benjamin Radjaipour), Banafshe (M., Banafshe Hourmazdi) und Amon (Eidin Jalali) verbringen einen gemeinsamen Sommer voller Höhen und Tiefen.  © Salzgeber

Denn dem Jung-Regisseur gelingt es in seinem Coming-of-Age-Streifen, eine ganze Palette an Gefühlsebenen authentisch sowie ungekünstelt auf die Leinwand zu übertragen und eine Geschichte zu erschaffen, die man so noch nicht gesehen hat.

Die tragende Rolle in "Futur Drei" spielt der Jugendliche Parvis (Benjamin Radjaipour), der mit seinen iranischen Eltern im beschaulichen Hildesheim lebt und Freiheiten genießt, von denen viele andere in seinem Alter nur träumen können. 

So akzeptiert seine Familie seine Homosexualität, wild durchzechte Clubbesuche und die wechselhaften Launen des Heranwachsenden.

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Nach einem Ladendiebstahl, bei dem er erwischt wird, muss sich Parvis dann aber doch verantworten: 120 Sozialstunden in einem Wohnprojekt für Asylsuchende sind die Folge.

Dort lernt er den iranischen Flüchtling Amon (Eidin Jalali) und dessen Schwester Banafshe (Banafshe Hourmazdi) kennen und bald entspinnt sich eine eigene Dynamik zwischen dem Trio. 

Während den gemeinsamen Partynächte und Unternehmungen kommen sich die beiden jungen Männer allmählich näher...

Deutscher Trailer zu "Futur Drei" mit Benjamin Radjaipour, Eidin Jalali und Banafshe Hourmazdi

In "Futur Drei" begeben sich drei junge Erwachsene auf die Suche nach ihrer Identität

Nach dem Geschlechtsakt bekommt Parvis von seinem Sex-Date zu hören, dass dieser noch nie was mit einem Ausländer hatte.
Nach dem Geschlechtsakt bekommt Parvis von seinem Sex-Date zu hören, dass dieser noch nie was mit einem Ausländer hatte.  © Salzgeber

"Futur Drei" ist eine Reise auf der Suche nach der eigenen Identität - und das im doppelten Sinn. 

Während Parvis sein Schwulsein offen und kompromisslos ausleben kann, hadert Amon mit seiner Sexualität. Immer wieder muss er sich vor den anderen Typen in seiner Unterkunft als männlich beweisen. 

Den eigentlichen Grund seiner Flucht aus dem Iran - dass gleichgeschlechtliche Liebe dort nicht nur gesellschaftlich verpönt, sondern sogar strafbar ist - behält er für sich. Zu groß ist die Angst, dass er auch in seinem neuen Zuhause dafür geächtet wird, denn Homosexualität gilt als "ansteckend".

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Parvis wiederum versucht herauszufinden, wo er denn eigentlich dazugehört. Als einer mit ausländischen Wurzeln, der in Deutschland geboren wurde, dem aber von Einheimischen immer wieder zu verstehen gegeben wird, dass er nicht wirklich ein Teil von diesem Land ist, wird er regelmäßig mit seinem "nicht-deutschen" Aussehen konfrontiert. 

Ein Sex-Date erklärt ihm nach einem gemeinsamen Schäferstündchen etwa, dass er noch nie etwas mit so jemandem wie ihm gehabt hätte:  "Eigentlich steh ich gar nicht so auf Ausländer. So haarige, südländische Typen. Türken, Griechen, keine Ahnung."

"Futur Drei" beeindruckt durch spannende Kamerafahrten und einen abwechslungsreiche Soundtrack

Um zu checken, ob untenrum noch alles frisch ist, greift sich Parvis vor einem Sex-Treffen beherzt in den Schritt.
Um zu checken, ob untenrum noch alles frisch ist, greift sich Parvis vor einem Sex-Treffen beherzt in den Schritt.  © Salzgeber

Anstatt sich in der Tragik der Schicksale der beiden Jungen zu verrennen, werden diese immer wieder durch Witz und Selbstironie aufgebrochen, sodass man mit den Hauptprotagonisten mitfühlt, ohne diese in eine Opferrolle hineinzudrängen, denn das würde ihnen nicht gerecht werden.

Diese inneren Konflikte setzt Faraz Shariat besonders deswegen so nachvollziehbar um, weil sie ein Teil seiner eigenen Geschichte sind. Dazu bindet er privates Filmmaterial aus seiner Kindheit ein und lässt sogar seine eigenen Eltern als Parvis Erziehungsberechtigte mitwirken. 

Grobkörnigkeit und das 4:3-Format sorgen für einen Hauch von Nostalgie, während experimentelle Kamerafahrten und vor allem der abwechslungsreiche Soundtrack den Streifen ins Hier und Jetzt holen. Egal ob Nena, die Cloudrap-Gruppe Gaddafi Gals oder iranischer Pop - "Futur Drei" sorgt auch in musikalischer Hinsicht für Vielfalt.

Die Sexszenen - von denen es einige gibt - sind realistisch gehalten, ohne dabei zu voyeuristisch zu sein. Die Kamera fängt besonders Parvis und Amons geheime Treffen aus verschiedenen Perspektiven ein, fokussiert sich aber meist auf die Gesichter der beiden und schafft so ein Gefühl von Intimität, das sich auch auf die Zuschauer überträgt.

In "Futur Drei" zeigen die Nachwuchsdarsteller Benjamin Radjaipour und Banafshe Hourmazdi ihr Talent

Parvis hat Spaß daran, sich zu verkleiden. Seine Lieblingsrolle: Sailor Moon.
Parvis hat Spaß daran, sich zu verkleiden. Seine Lieblingsrolle: Sailor Moon.  © Salzgeber

Daher können auch die schauspielerischen Leistungen, die auf ganzer Linie überzeugen.

Kaum zu glauben, dass es für Benjamin Radjaipour erst die zweite Leinwandrolle ist. Er spielt Hauptfigur Parvis in all seinen Facetten äußerst glaubwürdig - und in den ersten fünf Minuten sogar ohne ein Wort zu sagen. 

Auch Banafshe Hourmazdi als Amons selbstbewusste Schwester weiß die Zuschauer mit ihrem großartigen Spiel in den Bann ihrer gleichnamigen Rolle zu ziehen.

Deshalb gelingt es "Futur Drei" ein Film zu sein, der einen sowohl zum Lachen als auch zum Weinen bringt, der nachdenklich stimmt und Missstände in unserer Gesellschaft sichtbar macht, ohne ins Belehrende abzudriften oder seinen Unterhaltungswert zu verlieren. 

Gleichzeitig traut sich Shariat, neue visuelle Impulse zu setzen und vom Mainstream abzuweichen. 

Alleine schon damit hat er vielen deutschen Produktionen, die in den letzten Jahren gestartet sind, einiges voraus. Kein Wunder, das "Futur Drei" auf der Berlinale mit dem Teddy Award als bester Spielfilm ausgezeichnet wurde.

Titelfoto: Salzgeber

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