Hassreden und Beleidigung: Hannah-Arendt-Lesung in Berlin abgebrochen

Berlin - Nach propalästinensischen Protesten ist die Lesung einer umfassenden Analyse totalitärer Strukturen der Publizistin Hannah Arendt (1906-1975) am Sonntag im Berliner Museum für zeitgenössische Kunst Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart abgebrochen worden.

Die Künstlerin und Aktivistin Tania Bruguera liest aus Hannah Arendts "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" vor. Die von ihr erdachte Veranstaltung im Hamburger Bahnhof musste am Sonntag abgebrochen werden.
Die Künstlerin und Aktivistin Tania Bruguera liest aus Hannah Arendts "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" vor. Die von ihr erdachte Veranstaltung im Hamburger Bahnhof musste am Sonntag abgebrochen werden.  © Christoph Soeder/dpa

Nach Schilderung der beiden Museumsdirektoren Sam Bardaouil und Till Fellrath war die 100-stündige Performance "Where Your Ideas Become Civic Actions (100 Hours Reading "The Origins of Totalitarianism")" der kubanischen Künstlerin Tania Brugueras am Samstag zweimal von einer Gruppe politischer Aktivisten gestört worden.

Zunächst seien am Nachmittag Hassreden gehalten worden. Beim zweiten Vorfall am Abend kehrten die rund 20 Personen den Angaben zufolge zurück und beleidigten einen der Vorleser und einen der Museumsdirektoren mit gewalttätigen Hasstiraden.

Unter diesen Umständen sei der offene Dialog, der mit dieser Performance beabsichtigt gewesen sei, nicht mehr möglich, so die Direktoren. Am Sonntagmorgen beschloss die Künstlerin, die Performance zu beenden, um sich gegen Hassreden und jede Form von Gewalt zu wehren.

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"Wir respektieren und stehen voll und ganz hinter der Entscheidung der Künstlerin und lehnen jede Form von Hassrede und Gewalt kategorisch ab", so Bardaouil und Fellrath auf ihren Instagram-Kanälen. Der Schritt sei notwendig gewesen, um die Sicherheit der Teilnehmer der Performance zu schützen.

Claudia Roth verurteilt Attacke aufs Schärfste: "Absolut inakzeptabel"

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (68, Grüne) begrüßt rechtsstaatliche Konsequenzen für die Urheber der Hasstiraden.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (68, Grüne) begrüßt rechtsstaatliche Konsequenzen für die Urheber der Hasstiraden.  © Hannes Albert/dpa

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (68, Grüne) verurteilte die Attacke. "Hass, Antisemitismus, Rassismus und solche Formen von Gewalt sind absolut inakzeptabel und haben im Raum der Kunst und auch überall sonst nichts zu suchen", sagte die Grünen-Politikerin in einer Reaktion.

"Dieser üble Antisemitismus und Rassismus richtete sich offenkundig auch noch direkt gegen eine jüdische Kulturschaffende, die kubanische Künstlerin sowie einen Leiter des Hamburger Bahnhofs."

Roth begrüßte rechtsstaatliche Konsequenzen für die Urheber. Zuvor war nach Polizeiangaben vom Sonntag eine Anzeige eingegangen.

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Bruguera musste die Performance 2015 zu Hause unter Arrest realisieren. Mit der Aufführung in Berlin wollte sie "die Kraft von Kunst und Aktivismus zeigen".

Die Jüdin Arendt musste 1933 selbst aus Nazi-Deutschland emigrieren. Sie schrieb ihre Analyse über Ursprünge und Entwicklung des Nationalsozialismus kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Deutschlands. Wenige Jahre später ergänzte sie das Werk mit den Besonderheiten des Stalinismus.

Titelfoto: Christoph Soeder/dpa

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