Chemnitz - Er nennt sich selbst augenzwinkernd einen "Dinosaurier" der Textilforschung. Chemnitzer Wolfgang Schilde (72) ist seit 48 Jahren im Bereich der Vliesstoffe tätig. Bereits beim Vorläufer des heutigen Sächsischen Textilforschungsinstituts (STFI) war er mit an Bord. Und auch nach knapp einem halben Jahrhundert im Berufsleben denkt der 72-Jährige noch lange nicht ans Aufhören.
"Ich bin da eher zufällig reingerutscht", erzählt Schilde. Nach seinem Chemie-Studium an der Bergakademie Freiberg von 1973 bis 1977 suchte er zunächst nach einer passenden beruflichen Richtung.
Dann kam ein Angebot aus Dresden: Das damalige Wissenschaftlich-Technische Zentrum (WTZ) suchte Verstärkung für die Außenstelle in Erdmannsdorf. Schilde zögerte nicht und startete dort seine Karriere. "Mit 540 DDR-Mark brutto fing ich damals in der Forschungsgruppe Faservliesstoffe an", erzählt er.
Was folgte, war ein Forscherleben voller Innovationen: Schilde war an der Weiterentwicklung von Hygieneprodukten beteiligt und trieb bereits Textilrecycling in der DDR voran, lange bevor Nachhaltigkeit zum Trend wurde. "Recycling spielte in der DDR eine wichtige Rolle, weil Rohstoffe knapp waren", so Schilde.
Außerdem wirkte der gebürtige Chemnitzer an der Entwicklung eines PVC-Bodenbelags mit Trittschalldämmung für Plattenbauten mit. "Die Bauten waren durch ihre Bauweise extrem hellhörig. Da mussten wir Lösungen finden", sagt er.
Vom DR-Forscher zum Weltreisenden: Schilde bleibt auch nach der Wende dem Vlies treu
Nach der Wende wandelte sich das WTZ in das Institut für Technische Textilien GmbH, das 1992 schließlich im heutigen STFI aufging.
Schilde blieb und forschte unermüdlich weiter. Ein Meilenstein war 2005 die Inbetriebnahme einer neuen Spinnvliesstoffanlage, die laut ihm "die Forschung in diesem Bereich revolutionierte".
Im Jahr 2000 übernahm er die Leitung des Kompetenzzentrums Vliesstoffe, 2018 ging er offiziell in den Ruhestand - allerdings nur auf dem Papier. Denn bis heute arbeitet Schilde in Teilzeit weiter am Institut. "Ich habe durch meine Arbeit Länder wie Indien, China, Japan und die USA bereist. Vliesstoffe sind mein Leben", sagt er mit Begeisterung.
Ein besonderes Andenken hat er ebenfalls: seinen Arbeitskittel, den er über 30 Jahre trug. "Es gibt tatsächlich Kollegen, die schon gefragt haben, ob sie ihn haben dürfen", schmunzelt er.