Nach Sanierung in Eigenregie: Stadt Chemnitz nimmt Sportlern den Rasen weg
Chemnitz - Ein Vereinsbeben erschüttert den Chemnitzer Amateurfußball: Der TSV Germania Chemnitz wurde vom eigenen, überwiegend in Eigenleistung sanierten Sportplatz an der Markersdorfer Straße verdrängt - zugunsten von Athletic Sonnenberg. Eine Entwicklung, die bei den Germanen für Fassungslosigkeit sorgt.

"Ich war acht Jahre für euch da, habe eure Arbeit gemacht und jetzt werde ich vom Hof gejagt", sagt Thomas Mix (57), Vorsitzender des TSV Germania. Über 300 Mitglieder zählt der Verein, steht plötzlich mit einem Platz weniger da. Der Vorwurf: sechs Monate Nichtnutzung. Der Verein widerspricht.
Das Sportamt Chemnitz beruft sich auf formale Gründe: "Der Sportplatz wurde längere Zeit nicht mehr zu Spiel- und Sportzwecken genutzt."
Zwar räumt das Sportamt ein, dass Germania über Jahre in Eigenleistung saniert habe, verweist aber auf die Pflichten im Gebrauchsüberlassungsvertrag: "Alle Vereine, die eine Sportstätte betreiben, entscheiden in Eigenverantwortung, wie sie diese Pflichten erledigen - ob mit Fremdfirmen oder ehrenamtlich."
Was kaum Beachtung findet: Germania konnte den Platz nicht nutzen, weil er eine genehmigte Baustelle war - verursacht durch Gebäudeschäden, lange Förderverfahren, aufwendige Sanierung. Über 1300 Arbeitsstunden in fünf Monaten, die Jahre davor nicht mitgerechnet.
Der Frust ist greifbar: "Wir haben mit unseren Mitgliedern das Gelände in Schuss gebracht. Das Sportamt hat kaum etwas gemacht", so Mix.

Anstatt in städtische Nutzung wurde der Platz an einen anderen Verein übergeben

Abriss alter Gebäude, neue Wasserleitungen, Rasenpflege - alles in ehrenamtlicher Hand. Ein Ziel, das laut Jugendleiter Thomas Uhl (41) in feste Pläne gegossen war: "Ich hatte alle Trainingszeiten geplant, für rund 90 Nachwuchsspieler. Zwei Jahre Aufbauarbeit sind infrage gestellt."
Besonders pikant: Der Platz soll nun allein von Athletic Sonnenberg genutzt werden. Der Verein, gegründet ohne eigene Sportstätte, soll per Überlassungsvertrag erhalten, was Germania aufgebaut hat.
Die Ironie: "Uns wurde gesagt, der Platz gehe in städtische Nutzung über. Dann lesen wir in der Zeitung, dass er an Sonnenberg geht", so Mix.
Das Sportamt bestätigt: "Im Rahmen mehrerer Gespräche wurde eine gemeinsame Nutzung geprüft. Letztlich konnten sich beide Vereine nicht über die Ausgestaltung der Mitnutzung einigen."
Germania widerspricht: Man sei kompromissbereit gewesen, habe Trainingszeiten geräumt, die Nutzung durch Sonnenberg ermöglicht - bis plötzlich alle Kerntrainingszeiten wegfielen.
"Am Ende waren nur noch Montag und Mittwoch übrig. Das ist absurd", so Uhl.

Trotz Enttäuschung will Germania keine Konfrontation

Für Germania ist der Vorgang ein Schlag ins Gesicht - auch gegenüber vielen engagierten Eltern und Helfern.
Nach öffentlicher Debatte suchten beide Vereine den Schulterschluss: Mix und Athletic-Vorstand Jonas Georgi setzten ein Zeichen gegen Hass, Hetze, Bedrohung. Man wolle nicht gegeneinander arbeiten, sondern gemeinsam für Fairness und Miteinander im Sport stehen.
Obwohl Germania auf dem zweiten Sportplatz an der Annaberger trainiert, war der Platz an der Markersdorfer Straße zentral für die Zukunft. Laut Stadt sei dort "kein Bedarf" für eine zweite Fläche. Germania sieht das anders: "Jetzt, wo alles fertig ist, heißt es: 'Ihr braucht ihn nicht.' Das ist absurd", so Mix.
Athletic zeigt sich verständnisvoll: "Wir sind im Ehrenamt tätig und wissen, welche Arbeit in solchen Projekten steckt." Zugleich betont der Verein, man habe das Angebot der Stadt nicht ablehnen können.
Trotz Enttäuschung will Germania keine Konfrontation. Mix: "Wir haben keine verhärteten Fronten. Wir wollen keine Grabenkämpfe. Aber wir erwarten Ehrlichkeit und Respekt."
Der Verein fordert eine neue Gesprächsbasis - und eine Lösung, die dem Ehrenamt gerecht wird. Nicht der Formalität.
Titelfoto: Bildmontage: Kristin Schmidt, TSV Germania