Bis zu 16 Stunden täglich am Zocken: Wie sich ein Dresdner aus der Computer-Spielsucht befreit hat

Dresden - Wenn Florian Buschmann (21) früher aufstand, zog er die Rollos ein Stück nach unten. Für das, was er vorhatte, brauchte er kein Tageslicht. Er spielte Computer. Strategiespiele, Browserspiele, Egoshooter - bis zu 16 Stunden täglich hockte der damalige Schüler vor dem Bildschirm. Er aß ungesund, meldete sich oft krank, seine Noten wurden schlechter. Freunde, Hobbys - überhaupt die echte Welt - verloren für ihn an Bedeutung.

Florian Buschmann (21) litt drei Jahre an einer Computerspielsucht. In seinem Buch erzählt er über die Schritte in die Freiheit.
Florian Buschmann (21) litt drei Jahre an einer Computerspielsucht. In seinem Buch erzählt er über die Schritte in die Freiheit.  © Sebastian Kahnert/dpa

Derzeit wohnt Buschmann in Dresden, studiert Psychologie, führt eine eigene Firma - und hat ein Buch über Computerspielsucht geschrieben.

Es heißt "Ade Avatar. Schritte in die Freiheit". Über seine Vergangenheit, darüber, wie tief er selbst durch das Zocken gefallen war, kann er offen reden. "Ich hatte mich selbst verloren, mein Inneres war komplett leer. Da war keine Freude mehr, keine Trauer, nur noch eine Taubheit."

Buschmann erzählt, dass er als Kind vor allem von der Fußball-Simulation Fifa begeistert war. Anfangs sei das harmlos gewesen. "Aber dann kamen Lebensprobleme dazu", sagt er.

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Seine Eltern trennten sich, sein Opa starb, und weil der 21-Jährige nicht wusste, wie er damit umgehen sollte, zog er sich immer mehr in die Online-Spielewelt zurück.

"Ich habe mich sozial komplett isoliert", erzählt er. Was seine Eltern dazu sagten, sei ihm egal gewesen. "Ich hatte die Freiheit, 'Nein' zu sagen, verloren." Etwa drei Jahre lang sei er süchtig gewesen.

Der 21-Jährige hatte sich durch seine Spielsucht sozial komplett isoliert. (Symbolfoto)
Der 21-Jährige hatte sich durch seine Spielsucht sozial komplett isoliert. (Symbolfoto)  © Oliver Berg/dpa

Buschmann machte ernst: 30 Tage ohne PC-Spiele

Buschmann kämpfte sich aus der Online-Welt zurück in die reale Welt und genießt nun mit Pferd "Ostwind" die Freiheit.
Buschmann kämpfte sich aus der Online-Welt zurück in die reale Welt und genießt nun mit Pferd "Ostwind" die Freiheit.  © Screenshot Instagram/offline.helden

Als er 15 oder 16 war, nahm er dennoch an einem Schüleraustausch in Rumänien teil. Er ging wandern und klettern, saß mit echten Menschen am Lagerfeuer. "Ich habe gesehen, was alles möglich ist." Es habe dann aber noch eine Weile gedauert, bis er wirklich aufwachte.

Irgendwann nahm er sich vor, 30 Tage aufs Computerspielen zu verzichten. Er hielt durch. Buschmann ging joggen, machte Kraftsport.

"Ich habe mir positive Gefühle in der echten Welt geholt statt in der Online-Welt." Eine Therapie sei nicht nötig gewesen, psychologische Beratung und Coaching aber schon. "Das war ein Prozess über Jahre."

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In seinem Buch beschreibt der 21-Jährige weitere Methoden, die Betroffenen und Angehörigen helfen sollen. Buschmanns Firma "Offline-Helden" hat heute sechs Mitarbeiter, die unter anderem in Schulen gehen, um Kinder über die Gefahren moderner Medien aufzuklären.

Für seine Arbeit braucht Buschmann noch immer einen Computer. Zocken komme aber nicht mehr infrage, sagt er. "Da hab ich gar keine Lust drauf."

Was Buschmann erlebt hat, scheint für immer mehr Jugendliche zum Problem zu werden. Laut einer neuen Studie der Krankenkasse DAK und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat sich der Anteil der Minderjährigen mit Computerspielsucht während der Corona-Pandemie von 2,7 Prozent (2019) auf 6,3 Prozent (2022) erhöht.

Titelfoto: Montage: Sebastian Kahnert/dpa, Oliver Berg/dpa

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