Brutaler Versuch, Geschichte auszuradieren! Schloss Prohlis: Zerstört, verschwunden, unvergessen
Dresden - Das Dresdner Residenzschloss oder die Elbschlösser Albrechtsberg, Lingnerschloss und Schloss Eckberg kennt wohl jeder. Doch wusstet Ihr, dass in und um Dresden weit über 100 weitere Herrscherhäuser stehen, umrankt von zahllosen Geschichten und Legenden? TAG24 hat sich für eine neue Serie auf die Spur dieser weitgehend geheimnisvollen und fast vergessenen Seite von Dresden gemacht. Schlösser, Burgen, Rittergüter - lasst Euch überraschen.

Kaum zu glauben: Im Plattenbaugebiet von Prohlis stand einst ein romantisches, im Stil der Neo-Renaissance erbautes Schloss. Sein Verschwinden zählt zu den nie aufgeklärten Verbrechen in der Stadt Dresden.
Ein paar Tafeln mit Schwarz-Weiß-Fotos vom ausgebrannten Schloss neben neuen Wohntürmen stehen heute - ein wenig verloren - in dem Plattenbaugebiet. Neben dem einstigen Schloss steht eine Kirche (1980 bis 82), als erstes Gotteshaus in einem DDR-Neubaugebiet erbaut, davor ein Döner-Wagen.
Nur Ortsfremde, so scheint es, nehmen noch Notiz von den Tafeln. Keine 100 Jahre stand das Prohliser Schloss. Einst von Bernhard Schreiber (1833 bis 94) und unter Mitwirkung der Semper-Schüler Carl Kirsten und Otto Kreyhsig 1887/88 erbaut, brannte es 1980 nieder. "Vermutlich Brandstifter" heißt es in der Erklärung auf einer der Tafeln. "Die Hintergründe wurden nie vollständig aufgeklärt."
Dazu muss man wissen: Fast der gesamte Dorfkern von Prohlis sowie einige Gebäude der Schlossanlage waren dem ab 1976 erbauten Plattenbaugebiet zu dieser Zeit bereits gewichen.
Brandstiftung von höherer staatlicher Stelle nicht ausgeschlossen

Zunächst war ein 14-Jähriger unter Verdacht geraten, der Brandstifter zu sein. Angeblich sollte er in den alten Mauern gekokelt haben. Doch die Beweise gegen den Jungen reichten nicht aus, das Verfahren wurde eingestellt.
Möglicherweise waren höhere staatliche Stellen an der Brandstiftung beteiligt. Der Fall wurde nie wieder aufgerollt.
Was für ein staatlich organisiertes Niederbrennen spricht: Zu schnell war der Großbrand entstanden. Zeugen sahen das Schloss plötzlich in Vollbrand mit meterhohen Flammen aufgehen. 1985 wurde das ausgebrannte Märchenschloss abgerissen.
"Immer noch kommen Leute und bringen Steine vorbei", erzählt Peter Neukirch, Leiter des Palitzsch-Museums, das seinen Sitz in einem alten Gutshof in unmittelbarer Nähe hat.
Neben Fragmenten des Schlosses sind dort auch andere Fundstücke zu bestaunen, wie der Schirm einer Baronesse von Kap-herr oder ein Kochbuch – Erinnerungen an bessere Tage des Märchenschlosses und ein Blick auf das Leben seiner früheren Bewohner.
1945 standen plötzlich Panzer im Schlosshof

Der in Russland zu Reichtum gelangte Bankier, Staatsrat und Kaufmann Hermann Christian von Kap-herr (1801 bis 77) hatte das einstige Rittergut mit Park 1868 für 107 500 Taler erworben. Nur ein Jahr zuvor hatte er seinen Sitz in Lockwitz gekauft.
Sein Sohn Johann Christian (1837 bis 1918) ließ sich in Prohlis nieder und wurde Herr in dem von ihm in Auftrag gegebenen Prachtschloss mit viel Marmor, verzierten Holzbalken, Eichenholztreppen, Gemälden und prachtvollen Möbeln, das nun das barocke Vorgänger-Gebäude ersetzte, und kaufte das Palitzsch-Gut noch dazu.
Bis zum Ersten Weltkrieg lebten die Kap-herrs dort in Saus und Braus. Im Mai 1945 standen plötzlich Panzer im Schlosshof. Die Rote Armee besetzte das Anwesen, später zogen Ausgebombte und Flüchtlinge ins Schloss.
Von Plünderungen heimgesucht, verpachtete der letzte Schlossherr Viktor von Kap-herr das Gebäude an die Kirche, die hier einen Gemeindesaal einrichtete.






Ab 1978 war das Schloss wegen Verfalls baupolizeilich gesperrt. In den landwirtschaftlichen Nebengebäuden war seit 1954 eine Schweine- und Rindermastanlage des VEG Pillnitz untergebracht. Das Gelände ging 1990 an die Erbengemeinschaft. Fragmente des Schlosses sind heute im Palitzsch-Museum zu sehen.
Titelfoto: Montage: Palitzsch-Museum (2)