Die Engel vom Dienst: Auf Nachtschicht im Einsatzzentrum der Polizei

Dresden - Auf den Fluren der Polizeidirektion Dresden ist es ruhig. Es ist Abend, viele der rund 500 Bediensteten haben sich schon ins Wochenende verabschiedet. Im Führungs- und Lagezentrum hingegen hat gegen 18 Uhr die zwölfstündige Nachtschicht gerade erst begonnen. Wer in Dresden, dem Landkreis Meißen oder Sächsische Schweiz/Osterzgebirge den Notruf 110 wählt, landet hier.

Erster Polizeihauptkommissar Norbert Schilling (62).
Erster Polizeihauptkommissar Norbert Schilling (62).  © Holm Helis

Polizeiführer vom Dienst (PvD) ist heute der Erste Polizei Hauptkommissar Norbert Schilling (62). Er und seine zehn Mitarbeiter haben nach der Übergabe, bei der die "Highlights" der letzten Stunden durch den Polizeiführer der Tagesschicht mitgeteilt wurden, ihre Plätze eingenommen.

"Ich weiß zu Dienstbeginn nie, was mich erwartet", sagt Schilling, der seit 40 Jahren bei der Polizei und seit über 30 Jahren PvD ist.

"Mir gefällt die Nachtschicht", so Schilling, der in den nächsten zwölf Stunden die Gesamtverantwortung für die polizeiliche Lage in einem Gebiet mit rund 1,1 Millionen Einwohnern trägt und seinen Job "mit Leib und Seele" macht, wie er betont.

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Inzwischen blinken an den Tischen immer wieder die roten Lämpchen auf, das Zeichen dafür, dass dort ein Notruf angenommen wurde. Die Polizisten – übrigens alle mit Erfahrung aus der Streifentätigkeit – müssen flexibel sein.

Wird ein "Fall" komplexer, ist Teamwork gefragt

Polizeioberkommissar Jens Dietrich (34) am Technikpult der Leitstelle, wo alarmgesicherte Objekte beobachtet werden.
Polizeioberkommissar Jens Dietrich (34) am Technikpult der Leitstelle, wo alarmgesicherte Objekte beobachtet werden.  © Holm Helis

Ob ein abgedrängter Autofahrer mit geplatztem Reifen seine Chance auf eine Anzeige gegen unbekannt abfragt, zwei Damen in der Kreuzkirche eingeschlossen wurden, ein besorgter Bürger eine Explosion mit Rauch meldet (die sich am Ende als Böllerabschuss entpuppt), ein gestohlener Weihnachtsbaum angezeigt wird oder ein Anwohner glaubt, gerade Zeuge einer Schleusung geworden zu sein.

Die Beamten müssen in jedem Fall Informationen abfragen, Einschätzungen treffen und letztlich Entscheidungen fällen.

Wenn ein "Fall" komplexer wird, ist Teamwork gefragt. Es ist schon nach Mitternacht, als das passiert. Polizeihauptkommissar Philipp Strehle (33) hat einen weinenden Mann am Apparat, der bei Temperaturen um 0 Grad mit seinem Fahrrad bei Riesa an einer kilometerlangen Straße eine Böschung hinabgestürzt ist.

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Wo genau er sich befindet weiß er nicht.

Bandbreite der Anrufe riesig

Das rote Lämpchen am Pult leuchtet auf, wenn ein Notruf angenommen wird.
Das rote Lämpchen am Pult leuchtet auf, wenn ein Notruf angenommen wird.  © Holm Helis
Die Einsatzkarte gibt einen Überblick zu den Einsätzen.
Die Einsatzkarte gibt einen Überblick zu den Einsätzen.  © Holm Helis
Polizeihauptkommissarin Mandy Pärsch (49) bei der Einsatz-Koordination.
Polizeihauptkommissarin Mandy Pärsch (49) bei der Einsatz-Koordination.  © Holm Helis

Polizeihauptkommissarin Mandy Pärsch (49), die heute an einem der beiden Tische sitzt, an dem die Streifenwageneinsätze (für Land- und Stadtbereich) koordiniert werden, schickt ein Fahrzeug zur angegebenen Straße. Strehle muss den Mann, der plötzlich auflegen möchte, am Hörer halten.

PvD Schilling ist inzwischen dazu gekommen und schlägt vor, das Polizeiauto die Straße mit Sondersignal abfahren zu lassen. Über das Handy des Verunglückten können die Beamten durch die Lautstärke der Sirene im Lagezentrum hören, an welcher Stelle die Kollegen etwa auf Höhe des Verunglückten sind. Kurz darauf finden ihn die Polizisten.

Inzwischen zückten Jugendliche in der Straßenbahn ein Messer, ein Obdachloser brüllte die Neustadt zusammen, ein Waschbär beging nach einer Kollision mit einem Auto Unfallflucht, ein Wildpinkler wurde zwischen den Striezelmarktbuden erwischt.

"Es gibt auch Leute, die wollen Pizza oder einen Nacktputzer bestellen", beschreibt Strehle die Bandbreite der Anrufe. Mittlerweile läuft ein am Abend geplanter SEK-Einsatz in einer Dresdner Wohnung, es geht um eine Waffe und Drogen.

Beamte tagtäglich mit häuslicher Gewalt konfrontiert

Der Erste Polizeihauptkommissar Steffen Kühnel (61) übergibt nach der Tagesschicht an den Ersten Polizeihauptkommissar Norbert Schilling (62) zur Nachtschicht.
Der Erste Polizeihauptkommissar Steffen Kühnel (61) übergibt nach der Tagesschicht an den Ersten Polizeihauptkommissar Norbert Schilling (62) zur Nachtschicht.  © Holm Helis
Norbert Schilling und sein Team lassen sich von Steffen Kühnel die Highlights des Tages mitteilen.
Norbert Schilling und sein Team lassen sich von Steffen Kühnel die Highlights des Tages mitteilen.  © Holm Helis

Das geht Schilling und sein Team nichts mehr an. Derartige Fälle übernimmt die Kripo. "Eine ruhige Nacht", so Schilling. Sogar "alte Bekannte" rufen an, wie ein Mann, der regelmäßig glaubt, dass seine Frau ihn umbringen werde. Ein Streifenwagen-Team kann den Mann beruhigen.

Tagtäglich sind die Beamten mit häuslicher Gewalt konfrontiert. "Manchmal rufen Kinder an", so Strehle. Im Computer ist inzwischen aufgelaufen, dass der Mann in der Böschung mehr als drei Promille intus hatte und mitnichten mit einem Fahrrad unterwegs war.

Bis zum Morgen werden noch ein paar Rosenkriege, fünf Schlägereien und sieben Ruhestörungen im Lagezentrum einlaufen. Am Ende der Schicht um 6 Uhr waren es 160 Anrufe, die das Team bewältigt hat.

"Das ist normaler Durchschnitt", so der PvD. In 24 Stunden sind es manchmal bis zu 500 Anrufe.

Titelfoto: Bildmontage: Holm Helis

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