Wenn's dämmert in Dresden: Einzigartige Ermittler-Einheit bekämpft Jugend-Gangs

Dresden - Jugendliche, die Jugendliche ausrauben: Was in Dresden bislang eher ein Randphänomen der Kriminalität war, schoss im Jahr 2022 plötzlich in die Höhe. 132 solcher Fälle davon gab es im vergangenen Jahr, doppelt so viele im Vorjahr. Seit Anfang Dezember will die Soko "Iuventus" das eindämmen, unter anderem durch wöchentliche Einsätze auf der Straße.

Nadine Schaffrath (37) und Stephan Große (37) leiten die Soko.
Nadine Schaffrath (37) und Stephan Große (37) leiten die Soko.  © Holm Helis

"Wir wollen ihnen zeigen, dass wir da sind, dass wir sie auf den Kieker haben", sagt Soko-Chefin Nadine Schaffrath (37). "Wir müssen denen aufs Schwein gehen."

Das Mittel: Kontrollen an den Treff- und Tatorten der jugendlichen Räuber möglichst in den Abendstunden zwischen Donnerstag und dem Wochenende.

Das beginnt mit einer Einsatzbesprechung in der Dresdner Polizeidirektion gegen 16 Uhr: Neben uniformierten Beamten der Polizei sind auch zwei Mitarbeiter des Gemeindlichen Vollzugsdienstes dabei. Für Fälle, die unterhalb der Einsatzschwelle der Polizei liegen, wie zum Beispiel minderjährige Raucher.

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Eine reichliche Stunde nach der Besprechung ist Nadine Schaffrath mit zwei Beamten in Zivil in der "Centrum-Galerie" unterwegs. Der Bereich um das Einkaufszentrum ist ein Schwerpunkt der jugendlichen Kriminellen. "In Zivil schauen wir, ob wir die Jugendlichen kennen", so die Ermittler. "Oder ob wir sie kontrollieren sollten."

Diesmal herrscht auf dem Parkdeck Ruhe, im Treppenhaus schießen ein paar Mädchen Fotos für Instagram. Für die Soko uninteressant.

Im Gegensatz zu den Teenager-Grüppchen, das sich an der Ausfahrt hinter dem Center sammelt. Mit rund 200 Meter Abstand halten die Ermittler sie im Auge, entschließen sich zur Kontrolle und rufen die Kollegen in Uniform.

Großeinsatz in Altleuben fordert uniformierte Polizisten

Nachdem das Trio in Zivil verfolgt wurde, übernehmen uniformierte Kollegen die Kontrolle.
Nachdem das Trio in Zivil verfolgt wurde, übernehmen uniformierte Kollegen die Kontrolle.  © Holm Helis

Doch noch bevor die Verstärkung eintrifft, trennt sich das Grüppchen. Die zivilen Ermittler beschließen, unauffällig einem Trio davon zu folgen. Kurz vor dem Altmarkt wird es dann von den Kollegen abgefangen: Doch die drei haben weder in der Vergangenheit etwas ausgefressen, noch hatten sie irgendetwas Verbotenes dabei.

19.05 Uhr gerät wieder ein Grüppchen rauchender Teenies in den Blick der Ermittler.

Doch diesmal ist keine Kontrolle möglich, denn alle uniformierten Kräfte sind gerade an anderer Stelle gefordert: "In Altleuben hat ein anderes Team eine rund 25 Mann große Gruppe entdeckt", erklärt Schaffrath. "Da werden die Kollegen jetzt gebraucht."

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Tatsächlich sind einige der 15 Jugendlichen, die die Polizei noch erwischen kann, nicht unbescholten. Zehn davon sind der Polizei bekannt: "Fast alle wegen Betäubungsmitteln, außerdem Sachbeschädigung, Diebstahl, gefährliche Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Erschleichen von Leistungen."

Räuber war jedoch keiner darunter.

Soko-Chefin geht von mehr Kriminalität im Sommer aus

In Zivil und Uniform gehen die Beamten regelmäßig gegen die jungen Kriminellen vor.
In Zivil und Uniform gehen die Beamten regelmäßig gegen die jungen Kriminellen vor.  © Holm Helis
Am Wiener Platz geraten Jugendliche in die Kontrolle, hatten aber nichts ausgefressen.
Am Wiener Platz geraten Jugendliche in die Kontrolle, hatten aber nichts ausgefressen.  © Holm Helis

Gegen 20.19 Uhr geraten fünf Jugendliche am Wiener Platz ins Visier der Polizei. Ursprünglich hieß es, sie hätten einen Obdachlosen belästigt, doch vor Ort stellt sich heraus, sie waren es nicht. Auch von ihnen hat niemand etwas Verbotenes dabei.

Auch eine Fahrt zum Schiller-, Amalie-Dietrich- und Merian-Platz bringt in dieser Nacht keine Jugendgruppen mehr ans Licht.

"Ich denke, das wird sich mit dem Sommer ändern", so die Soko-Leiterin. "Dann wird auch in der Neustadt und am Elbufer wieder mehr los sein."

So arbeitet die Soko Juventus

Bevor es auf die Straße geht, kommt es zu einer Einsatzbesprechung.
Bevor es auf die Straße geht, kommt es zu einer Einsatzbesprechung.  © Holm Helis

Insgesamt 15 Beamte sind aktuell in der Soko Iuventus aktiv. Sie sind dabei nicht nur mit Ermittlungen und Störeinsätzen beschäftigt.

"Ein Kollege entwickelt eine Konzeption, wie wir zukünftig mit dem Phänomen umgehen wollen", erklärt Nadine Schaffrath. "Dabei ist es besonders wichtig, wie Jugendgerichtshilfe, Jugendamt und Schulbehörden miteinander kooperieren. Wir saßen alle schon an einem Tisch, das soll optimiert werden."

Darüber hinaus gibt es eine Auswertungsabteilung.

Eine erste Bilanz der Soko: Aktuell hat sie 125 Strafverfahren bearbeitet, sieben Tatverdächtige befinden sich bereits in U-Haft, die meisten davon Haupttäter. "Die müssen aus ihrem Umfeld heraus", so die Soko-Leiterin. "Das hat eine Wirkung auf das Umfeld. Denn viele lassen sich durch die Haupttäter beeindrucken und mitreißen."

Gegen drei Verdächtige wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, einer befindet sich in einer Einrichtung zur U-Haft-Vermeidung.

Diese Täter hat die "Soko Iuventus" im Visier

Die Kontrollen sollen die jugendlichen Räuber stören.
Die Kontrollen sollen die jugendlichen Räuber stören.  © Holm Helis

96 Tatverdächtige hat die Soko Iuventus derzeit im Visier, unter ihnen viele Deutsche, die meisten aber mit Migrationshintergrund unterschiedlichster Nationalitäten.

"Aktuell haben wir 15 rote Namen", sagt Kriminaloberkommissar Stephan Große (37), zuständig für die Ermittlungen. "Das sind die Haupttäter oder Rädelsführer."

Diese sind meist zwischen 15 und 17 Jahre alt und haben schon acht bis 13 Vorstrafen, meist wegen Raubs.

Das Vorgehen ähnelt sich: An Plätzen, wo sich viele Jugendliche aufhalten, greifen bis zu drei Täter aus einer Gruppe mit bis zu 20 Mann heraus ein einzelnes Opfer an. "Die Ansprache ist oft noch freundlich, dann kommt schnell die Forderung. 'Was hast du dabei?' oder 'Taschenkontrolle' fällt dann oft."

Durchgesetzt wird die Forderung mit Drohungen, Schlägen, aber auch dem Vorhalt von Messern, Schlagringen oder Pfefferspray.

Schwere Verletzungen blieben bei den Attacken bislang aus. Bevorzugte Beute sind Musikboxen, Kopfhörer oder Kleidung. Manchmal wird die Beute im Netz präsentiert und verkauft.

Die Täter sind Jungen, es gibt aber Erkenntnisse, dass Mädchen manchmal dazu anstiften. Erkenntnisse über feste Strukturen in den Gruppen gibt es nicht.

Titelfoto: Montage: Holm Helis (2)

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