Annerose Schröder im TAG24-Interview: Nach 35 Jahren Musikfestspiele geht's nun in den Ruhestand

Dresden - Wer regelmäßig Konzerte der Dresdner Musikfestspiele besucht, kennt sie, die Dame in meist signalhafter Garderobe, vorne im Parkett sitzend in unmittelbarer Nähe der Ausgangstür, durch die sie stürmt, kaum dass das Konzert vorbei ist. Nicht das Weite sucht sie dann, sondern die Nähe - zu den Künstlerinnen und Künstlern, für deren Wohlergehen sie vor und nach den Konzerten sorgt. Annerose Schröder heißt sie und ist eine Institution innerhalb der Musikfestspiele. Seit mehr als drei Jahrzehnten im Amt, bestreitet sie, die am Donnerstag 66 wird, dieses Jahr ihren letzten Festspiel-Jahrgang. Wir sprachen mit ihr über das, was war und was kommt.

Annerose Schröder (65) an ihrem Schreibtisch im Büro der Musikfestspiele.
Annerose Schröder (65) an ihrem Schreibtisch im Büro der Musikfestspiele.  © Eric Münch

TAG24: Frau Schröder, seit mehr als 30 Jahren sind Sie bei den Musikfestspielen. Nun soll Schluss sein. Im Ernst?

Annerose Schröder: Ich habe 1988 bei der Künstleragentur der DDR angefangen, sie war das Nadelöhr für Kulturfestivals im ganzen Land und damit auch für die Dresdner Musikfestspiele. Nach der Wende habe ich das zunächst als freischaffende Konzertagentin weitergeführt, seit 1992 unter Vertrag. Es sind jetzt 35 Jahre, irgendwann erreicht man nun mal die Altersgrenze.

TAG24: Schreckt Sie der Gedanke an den Ruhestand?

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Ich kann es mir wirklich noch nicht so richtig vorstellen. Wir stehen kurz vorm diesjährigen Festival, haben alle Hände voll zu tun, da lässt sich dieser Gedanke noch gar nicht richtig fassen.

TAG24: Sie haben unter sechs Intendanten gearbeitet. Auf allen anderen Positionen der Musikfestspiele hat es immer wieder Wechsel gegeben, nur auf Ihrer nicht. Wenn es bis jetzt nicht ohne Sie ging, wie soll es künftig ohne Sie gehen?

Ja, ich musste mich oft auf neue Gegebenheiten einstellen, und in jeder Phase war ich mit Herzblut dabei. Musik ist mein Leben! Es ist viel passiert während dieser Zeit. Die Musikfestspiele stehen heute glänzend da. Mit der Wiedervereinigung war uns die Aufgabe zugefallen, das Festival in die neue Zeit zu bringen. Das war aufregend, es ist gelungen, und ich durfte meinen Teil dazu beitragen. Dafür bin ich dankbar.

Annerose Schröder: Besuch von Barack Obama war "aufregend"

Sogar Ex-US-Präsident Barack Obama (61) kam 2009 nach Dresden - ganz zufällig, als die Dresdner Musikfestspiele stattfanden.
Sogar Ex-US-Präsident Barack Obama (61) kam 2009 nach Dresden - ganz zufällig, als die Dresdner Musikfestspiele stattfanden.  © Matt Rourke/AP/dpa

TAG24: Sie leiten die Gastspielorganisation der Musikfestspiele. Was hat man da genau zu tun?

Alles zu organisieren, was zu organisieren ist. Das betrifft zum Beispiel die Spielstätten, die angemietet und für die anstehenden Auftritte eingerichtet werden müssen, oder die Anreisen und Hotels, die für die Künstlerinnen und Künstler gebucht werden, dann die Betreuung vor Ort. Den Künstlern einen angenehmen Aufenthalt zu verschaffen, sie sich wohlfühlen zu lassen, das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.

TAG24: Was ist Ihre persönliche Geschichtsschreibung der Musikfestspiele: Was waren besondere Momente?

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Aufregend war es, als der damalige US-Präsident Barack Obama 2009 nach Dresden kam. Er kam als politischer Besucher, nicht wegen der Musikfestspiele, die zufällig zeitgleich und inhaltlich passend stattfanden; es war der erste Jahrgang von Intendant Jan Vogler, das Thema lautete "Neue Welt".

Die Sicherheitsanforderungen in der Stadt waren so immens, teils mit Scharfschützen auf den Dächern, dass wir in vielen unserer Abläufe stark gehandicapt waren und ständig spontan umorganisieren mussten.

Musikalisch erinnere ich mich immer gern an den 1999-Jahrgang, der unter dem Motto "España" stand, mit Auftritten zum Beispiel von Jordi Savall und Montserrat Figueras sowie Paco de Lucia und Paco Penà, die ich im Sommer danach in Spanien besucht habe. Natürlich gab es im Laufe der Jahrzehnte viele solcher tief beeindruckenden Momente.

Annerose Schröder über Pannen: "So richtig daneben gelangt haben wir nie"

Annerose Schröder mit Hollywood-Star John Malkovich (69) im Jahr 2012.
Annerose Schröder mit Hollywood-Star John Malkovich (69) im Jahr 2012.  © Eric Münch

TAG24: Von den Genannten über Kurt Masur, Anne-Sophie Mutter, Sir Simon Rattle bis zu John Malkovich - Sie haben bei den Musikfestspielen Jahr für Jahr mit Berühmtheiten zu tun. Welche Begegnungen haben bei Ihnen den größten Nachhall erzeugt?

John Malkovich, der 2012 mit dem Stück "The Infernal Comedy" auftrat, war schon oberste Kategorie. Ich habe ihn am Flughafen abgeholt und war - wie sagt man - geflasht. Ein Mann mit enormer Aura. Und diese Stimme! Es waren viele eindrucksvolle Begegnungen, nachhaltig besonders jene mit Hélène Grimaud oder jene mit José Cura oder Simone Kermes, mit denen ich befreundet bin.

TAG24: Ist auch mal etwas gründlich schiefgegangen?

So richtig daneben gelangt haben wir, meiner Erinnerung nach, nie. Manche Probleme kommen von außen, wenn wir etwa An- und Abreisen organisieren müssen und gerade bei der Bahn oder einer Fluggesellschaft gestreikt wird. Alles schon passiert. So etwas verlangt uns dann viel ab.

Rufus Wainwright, Anne-Sophie Mutter und Co. reagieren auf Abschied von Annerose Schröder

Ein Küsschen von Ibrahim Ferrer (1927-2005), einem der Stars des Buena Vista Social Clubs und Gast der Musikfestspiele.
Ein Küsschen von Ibrahim Ferrer (1927-2005), einem der Stars des Buena Vista Social Clubs und Gast der Musikfestspiele.  © Eric Münch

TAG24: Gibt es Reaktionen von prominenter Seite auf Ihren Abschied?

Oh ja! Anne-Sophie Mutter hat ein Video geschickt, ebenso José Cura und Jordi Sawall. Ute Lemper und Nils Landgren haben sich gemeldet, auch Rufus Wainwright und Erika Pluhar. Das freut mich sehr.

TAG24: Was haben Sie jetzt vor mit Ihrem Leben?

Mal schauen. Ich werde sicher öfter reisen, dafür war ja nie Zeit. Den Bücherstapel abarbeiten, das habe ich vor. Meine Lieben besuchen, das kam auch immer zu kurz.

Vor vielen Jahren habe ich die Vormundschaft für drei Flüchtlingskinder übernommen, die haben längst selbst Familien - mit ihnen möchte ich mehr Zeit verbringen. Und wenn der Beruf noch eine Aufgabe für mich hat, bin ich auch nicht abgeneigt.

Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch

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