Die Millionärin, die zur "Mutter Teresa der Neustadt" wurde

Dresden - Ihre Geschichte ist eine Aschenputtelgeschichte. Nur anders herum. Und freiwillig gelebt. Sabine Ball (1925-2009) ging den Weg von der Millionärin zur Tellerwäscherin.

High Society: Sabine Ball mit ihrem Mann Clifford bei der Hochzeit 1953 in den USA.
High Society: Sabine Ball mit ihrem Mann Clifford bei der Hochzeit 1953 in den USA.  © Privat, Repro: Thomas Türpe

Ortstermin in der Dresdner Neustadt. Das Haus des Vereins Stoffwechsel. In Sichtweite, am Martin-Luther-Platz, hat 1993 alles angefangen. Von Anbeginn mit dabei war Ralph Knauthe (53), der "der Mutter Teresa der Neustadt" 17 Jahre lang zur Seite stehen sollte, sie am Sterbebett verabschieden durfte und heute den Verein führt.

In der Tordurchfahrt hängt ein Foto der Gründerin. "Gott ist Liebe", verkündet ihre Handschrift. Der Glaube war es auch, der Ball in einem Alter noch einmal aufbrechen ließ, in dem sich andere zur Ruhe setzen.

Doch der Reihe nach: Sabine Ball wird in Königsberg geboren. Auf der Flucht landet sie in Dresden und erlebt ausgerechnet hier, wo sie sich sicher wähnt, die Bombennacht des 13. Februar 1945. Sie wandert aus dem kargen Nachkriegsdeutschland in die USA aus und heiratet einen Millionär. So weit, so Hollywood.

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Doch wie im Drehbuch bleibt auch bei ihr nichts wie es ist.

Erst mit 67 Jahren kehrt Sabine Ball zurück nach Dresden

Vereins-Chef Ralph Knauthe (53) führt Sabine Balls Anliegen weiter.
Vereins-Chef Ralph Knauthe (53) führt Sabine Balls Anliegen weiter.  © Steffen Füssel
Ein Bild aus den Anfangsjahren. Ralph Knauthe an der Seite von Sabine Ball 1996 vor dem "Café Stoffwechsel".
Ein Bild aus den Anfangsjahren. Ralph Knauthe an der Seite von Sabine Ball 1996 vor dem "Café Stoffwechsel".  © privat, Repro: Steffen Füssel
Eines der letzten Fotos, aufgenommen bei der Bunten Republik Neustadt einen Monat vor ihrem Tod.
Eines der letzten Fotos, aufgenommen bei der Bunten Republik Neustadt einen Monat vor ihrem Tod.  © Steffen Füssel
Ralph Knauthe stand Sabine Ball bis zu ihrem Tod im Jahr 2009 zur Seite. Hier ein gemeinsames Bild von 2007.
Ralph Knauthe stand Sabine Ball bis zu ihrem Tod im Jahr 2009 zur Seite. Hier ein gemeinsames Bild von 2007.  © Steffen Füssel

Ihre Ehe scheitert, Ball geht auf Sinnsuche. Über die Intellektuellenszene Kaliforniens führt ihr Weg in die Hippieszene. Mit ihren beiden Söhnen zieht sie nach Mendesino, wo in der Nähe von ihrem Geld eine Kommune entsteht. Drogen sickern ein, aber auch christliches Gedankengut. Mit 46 Jahren verschreibt sie sich ganz Jesus.

"Das war es, was sie antrieb. Mit 67 Jahren kam sie zurück nach Dresden. Klopfte an die Türen", erinnert sich Knauthe.

"Sie verstand die Schreie der jungen Leute, die damals hier rebellierten. Die keine Hoffnung sahen. Ich erlebte sie in einer christlichen Jugendgruppe." Der junge Mann war fasziniert und schloss sich ihr an.

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Im April 1993 eröffnete am Luther-Platz das "Café Stoffwechsel". Ball und das Café wurden eine Institution. Zwar war die Amtskirche irritiert, doch Generationen von jungen Dresdnern verdankten ihr Hilfe bei ihrer eigenen Sinnsuche.

Der Herzschlag Sabines lebt fort, versichert Knauthe, der das in seinem Buch "Herzwerk" zusammengefasst hat. Inzwischen kümmern sich 25 Mitarbeiter in zehn Stadtteilen um Kinder und Jugendliche, die es schwer haben. Dazu kommen noch einmal Freiwillige und Ehrenamtliche.

Sie haben ihre Herzen und Räume geöffnet, um laut Knauthe ihre wichtigste Erfahrung zu machen: "Du bist geliebt!"

Titelfoto: Steffen Füssel

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