Michi Beck von Die Fantastischen Vier: "Erstaunt, dass es uns immer noch gibt"
Dresden - Vor gut 35 Jahren hatten Die Fantastischen Vier (kurz: Fanta4) deutschen Sprechgesang etabliert - mit dem Hit "Die da!?!" vom ersten Album "Vier gewinnt".
Heute gelten die Mitglieder einer der wohl prägendsten HipHop-Bands Deutschlands als Urgesteine, die mit dem Alter hadern und mit dem Aufhören liebäugeln. Dessen ungeachtet sind Smudo (57), Michi Beck (57), Thomas D. (56) und And.Ypsilon (57) mit den Songs ihres elften Albums "Long Player" und vielen Hits noch einmal auf Open-Air-Sommer-Tour. Am Samstag (12. Juli 2025) spielen sie bei den Filmnächten am Elbufer, zuvor griff Michi Beck für TAG24 zum Telefon.

Es wird schwieriger, etwas zu schreiben, zu dem man stehen kann

TAG24: Michi Beck, "Long Player on Tour", so hieß die Hallen-Tour im Winter, jetzt kommt die sommerliche Open-Air-Fortsetzung ...
Michi Beck: Eine Verlängerung unter Sternenhimmel.
TAG24: Heißt auch: Das neue Album "Long Player" steht weiterhin im Mittelpunkt. Im Oktober kam es raus, nach einer sehr langen Veröffentlichungspause, gute sechs Jahre gab es nichts Neues. Wie lässt sich das erklären: Fällt einem nach so langer Karriere nicht mehr viel ein oder hat man weniger Lust?
Michi Beck: Beide Gründe sind tatsächlich oft im Kopf. Richtiger ist aber wohl: Es wird schwieriger, etwas zu schreiben, zu dem man stehen kann. Nicht zu altbacken, nicht zu ranschmeißerisch. Wir wollen ja nicht noch berufsjugendlicher sein, als wir es sowieso schon sind, aber auch keine Abziehbilder von uns selbst werden. Es ist einfach schwieriger geworden, Inhalt und Balance zu finden.
TAG24: Der Albumtitel "Long Player" hat ja mehrere Bedeutungen. Die naheliegendste: 16 Songs sind drauf, die Laufzeit ist entsprechend ordentlich - ist "Long Player" als Titel also auch als Hommage an das Format der - wie man früher sagte - Langspielplatte zu verstehen?
Michi Beck: Selbstverständlich! Es geht auch um die Liebe zu diesem Tonträgerformat. Auf der Vinyl-Platte basiert unsere ganze Kunstform: Sampeln, Scratchen, Inspiration. Es ist die Basis unseres Schaffens. Außerdem sind wir natürlich auch "The Longest Player in the Game".
Eine Pionierleistung

TAG24: Nun hat ja in Zeiten von Spotify und Streaming das Format Album an Bedeutung verloren; es gibt Bands, die überlegen, keine Alben mehr zu produzieren, sondern Songs nur noch einzeln zu veröffentlichen. Ist so was für Fanta4 eine Option?
Michi Beck: Eigentlich nicht. Wir brauchen das Konzept eines Albums, den überspannenden Bogen. Das ist kreativ unumgänglich. Wir sind uns natürlich alle einig, dass die kommerzielle Wichtigkeit von Longplayern weitgehend verloren ist. Aber außer dem kreativen Überbau ist ein Album für uns in seiner Bedeutung auch immer mehr als die Summe seiner einzelnen Songs.
TAG24: Die zweite Bedeutung von "Long Player" ist natürlich auch die Band selbst, die jetzt rund 35 Jahre sehr erfolgreich besteht. Seid Ihr mitunter selber erstaunt, dass es Euch immer noch gibt?
Michi Beck: Ja, durchaus. Vor allem in derselben Besetzung. Wir sind gestartet als vier Stuttgarter Teenies und es ist echt erstaunlich, dass wir es bis heute miteinander ausgehalten haben. Es liegt vielleicht daran, dass wir rechtzeitig die richtigen Moves gemacht haben. Wir haben nebenher alle unser eigenes Leben, ich in Berlin, Smudo in Hamburg, Thomas in der Eiffel und jetzt neu auch in Hamburg. Andi ist "last man standing" in Stuttgart.
TAG24: Ihr habt einst den deutschen Sprechgesang überhaupt erst populär gemacht, als es ihn noch gar nicht gab. Heute ist Deutsch-Rap und HipHop das bedeutendste Musikgenre. Wie blickt Ihr auf die Entwicklung, die das Genre genommen hat? Und seht Ihr Euch noch als Teil davon?
Michi Beck: Damals waren es andere Voraussetzungen, die HipHop-Szene in Deutschland hat sich gerade erst im Untergrund geformt und relativ streng an die in den USA geltenden Spielregeln gehalten. Wir wollten aber unsere eigene Identität ausdrücken und sind daher immer eher neben dem Genre gelaufen, als Alternative-Pop-Rap-Act. Das hat uns wohl so lange am Leben gehalten. Aber es erfüllt uns mit Stolz, als Erste mit einem HipHop-Album auf Deutsch das Genre popularisiert zu haben. Eine Pionierleistung. Also sehen wir uns natürlich schon auch als Teil der Bewegung.
Wir haben uns nicht vorgenommen, das Rad neu zu erfinden

TAG24: Wie wichtig sind neue Entwicklungen im HipHop für Euch? Nehmt Ihr bewusst Einflüsse auf?
Michi Beck: Einfluss wäre übertrieben. Aber Interesse ist ganz klar da, ja. Viele ganze neue Künstler lernen wir mittlerweile auch über unsere Kids kennen. Es ist in jedem Fall sehr spannend, wie kreativ die Entwicklung ist.
TAG24: Wie ist generell Eure Arbeitsweise? Man kann ja viele Songs klar zuordnen: Dies ist ein Smudo-Track, jenes stammt von Thomas D, auch Dein Stil ist deutlich zu identifizieren. Kommt Ihr zusammen, jeder bringt seine Sachen mit und man einigt sich auf die, mit denen alle etwas anfangen können - oder sind es doch Gemeinschaftswerke?
Michi Beck: Ende der 90er war das so, da arbeitete jeder eher viel alleine. Uns wurde aber Anfang der 2000er wieder bewusst, dass das Besondere an uns ist, wenn wir alle auf einem Track erscheinen. Individuelle Ideen fließen ein, die werden aber meistens dann kollektiv umgesetzt. Das Band-Ding mag allgemein eher aussterben, wir aber halten es hoch.
TAG24: In vielen Tracks hört man Reminiszenzen an Eure Signature-Sounds: "Long Player" klingt nach "Tag am Meer", „44 Tausend“ ist einer der typischen schnelleren Fanta-Stücke. Spielt Nostalgie da eine Rolle? War es eine bewusste Entscheidung, Retro zu klingen?
Michi Beck: Wir haben uns nicht vorgenommen, das Rad neu zu erfinden. Wir mochten diesmal die 90er-Reminiszenzen, daher erinnert manches an den neuen Stücken vielleicht an frühere Tracks. Aber es sollte keine bewusste Neo-Fanta-Platte werden, wir wollten uns einfach auf unsere Stärken besinnen.
Nur mit den alten Sachen zu tingeln ist nichts für uns

TAG24: Auffallend sind viele nachdenkliche Töne in den neuen Songs. Einer heißt "Aufhören", in "Bestandsaufnahme" ist vom Anfang des Endes die Rede, in "Long Player" heißt es: "Gehen noch ein Stück, nehmen euch mit bis zum Ende" und "Inferno" ist ohnehin ein melancholisches Trauerstück - beschäftigt sich die Band mit Gedanken an die Endlichkeit?
Michi Beck: Absolut! Sogar immer mehr. In den letzten 15 Jahren gab es immer diese Gedanken: Noch ein Album, echt jetzt? Natürlich reden wir darüber, wie und wann wir aufhören werden, aber bis zu unserem 40-Jährigen wollen wir erst mal durchhalten. Nur wahrscheinlich nicht in der gleichen Art und Weise wie bisher.
TAG24: Livekonzerte spielt Ihr auch, ohne dass es neue Alben gibt. In "44 Tausend" oder "Weekendfeeling" kommt das ja vor, der Spaß daran. Ist es wichtiger, auf der Bühne zu sein, als neue Aufnahmen zu machen?
Michi Beck: Ich glaube ja. Wir machen neue Stücke vor allem ja auch, um uns live den Spaß zu erhalten. Nur mit den alten Sachen zu tingeln ist nichts für uns.
TAG24: Unlängst hatte Thomas D. Rücken, klagte übers Älterwerden, und im Song "44 Tausend" wird das Thema "Gesundheitszustand" sogar demonstrativ aufgegriffen. Hand aufs Herz: Wie anstrengend sind die Shows mit mittlerweile Mitte, Ende 50? Pro Show sind es ja mindestens 30 Songs …
Michi Beck: Wir spielen ja nicht alle Songs komplett aus, am Ende kommen wir dann pro Show auf gut zwei Stunden. Auf Tour lebst du nur für diese zwei Stunden. Früher waren wir zwischendurch noch skateboarden, Fußball spielen oder Freunde treffen, das ist natürlich vorbei. Dafür funktionieren diese zwei Stunden immer noch sehr gut, auch wenn wir vielleicht nicht mehr ganz so hoch hüpfen. Noch ist sie da - die klassische F4-Live-Energie. Wenn das mal nicht mehr so ist, müssen wir uns etwas überlegen.
Man erlebt eine komplett neue Show
TAG24: Mittlerweile heißt es oft, die Fantas seien die Rolling Stones des deutschen HipHops, es gäbe wenig Überraschungen, dafür viele Hits. Wie baut Ihr die Setlists zusammen, wie wichtig ist es, neues Material unterzubringen?
Michi Beck: Natürlich will man die Hits hören, das will ich ja auch bei anderen. Wir haben uns ewig lang damit beschäftigt, wie wir neue Songs und alte Hits mischen. Sicher ist: Man erlebt eine komplett neue Show!
TAG24: Wie wird es in diesem Sommer sein, was können die Fans erwarten?
Michi Beck: Wir versuchen, weitestgehend das Hallenkonzept der "Long Player"-Tour vom letzten Winter auch open air umzusetzen. Aber anfangs ist es ja noch hell, da braucht man ein bisschen eine andere Dramaturgie. Der rote Faden ist das neue Album, aber alle großen Hits gibt’s natürlich auch, logisch.
Restkarten für das Filmnächte-Konzert gibt es ab 74,90 Euro, "Front of Stage"-Tickets kosten 89,90 Euro
Titelfoto: Fotomontage: PR/Mumpi Künster//Jörg Carstensen/dpa