Dresden - Shakespeare ist gnädiger als Gounod. In seiner Tragödie "Romeo und Julia" versöhnen sich die verfeindeten Clans Montague und Capulet nach dem Tod der Titelhelden. In Gounods Opernadaption "Roméo et Juliette" fällt das gebrochene Happy End flach, ist mit dem Tod der Liebenden alles vorbei. In der Semperoper erlebte der Stoff am Samstag umjubelte Premiere.
Das unversöhnliche Ende - Roméo und Juliette bitten gar sterbend Gott um Gnade - ist auch ein spezifisch romantisches Motiv.
Die erfüllte Liebe gibt es nur um den Preis des Todes, was selbst eine familiäre Aussöhnung post mortem unmöglich macht. Gounods Partitur kleidet das in schöne, ergreifende Klänge - Arien, Duette, Chor -, die ob ihrer kompositorischen Raffinesse die Tiefe des Dramas aus Feindschaft, Hass und vergeblicher Liebe herzergreifend auszufüllen wissen.
Regisseurin Barbara Wysocka, die mit dieser Arbeit ihr Debüt an der Semperoper gibt, inszeniert die Geschichte in einer kalten, unpersönlichen Architektur aus steinernen Säulengängen (tatsächlich wohl aus Pappmaché; Bühne: Barbara Hanicka).
Per Projektion werden originale, englischsprachige Shakespeare-Zitate auf das Szenenbild geworfen, was sich in seiner Notwendigkeit nicht völlig erschließt, da es der Erzählung nichts Wesentliches hinzufügt.
Robert Jindra gibt feiert in der Semperoper sein Dresden-Debüt
Es braucht ein bisschen, bis die Geschichte Leidenschaft entwickelt.
Der Blitzstrahl der Liebe, der Roméo und Juliette trifft, klingt aus der Musik, spiegelt sich aber im distanzierten Spiel der Figuren zunächst nicht.
Die Unbedingtheit dieser übergroßen Liebe wird glaubwürdig ausgespielt erst nach der tödlichen Konfrontation der Clans in einem - hervorragend choreografierten, realistisch anmutenden - Messerkampf, dem Mercutio, erstochen von Tybalt, und Tybalt, erstochen von Roméo, zum Opfer fallen - als habe es der tödlichen Gewalt gebraucht, um die Liebenden endgültig zusammenzuschweißen.
Musikalisch ist diese Produktion in höherem Maß überzeugend als inszenatorisch. Der tschechische Dirigent Robert Jindra, der wie die Regisseurin sein Dresden-Debüt gibt, und die Staatskapelle greifen in die Vollen, ohne zu übertreiben.
Die Musik kommt fesselnd und aufwühlend aus dem Orchestergraben und erliegt der Gefahr, ein Rührstück zu werden, in keinem Moment.
Ungeteilten Applaus verdienen ebenso der Chor, der gutzutun hat in diesem Stück, sowie Sängerinnen und Sänger. Tuuli Takala und Kang Wang überzeugen mit voluminösen, klangschönen Stimmen als Juliette und Roméo, ebenso gilt das für Georg Zeppenfeld (Frère Laurent), Oleksandr Pushniak (Capulet), Michal Doron (Gertrude) oder Brian Michael Moore (Tybalt).
Ovationen für ein im Großen und Ganzen packendes Musikdrama.